TE Vwgh Erkenntnis 2022/4/21 Ra 2021/21/0048

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Veröffentlicht am 21.04.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
24/01 Strafgesetzbuch
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9
FrPolG 2005 §67 Abs1
FrPolG 2005 §67 Abs3 Z2
MRK Art8 Abs2
StGB §278a
StGB §278b
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und den Hofrat Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des A S, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 6/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Dezember 2020, G305 2225627-1/19E, betreffend Aufenthaltsverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Zur Vorgeschichte des vorliegenden Falles wird auf das Erkenntnis VwGH 29.9.2020, Ra 2020/21/0112, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 2019 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Dem lag zugrunde, dass das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers, eines polnischen Staatsangehörigen, gegen ein gemäß § 67 Abs. 1 und 3 FPG verhängtes unbefristetes Aufenthaltsverbot ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen hatte.

2        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 22. Dezember 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde - diesmal nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - neuerlich ab.

3        Das Bundesverwaltungsgericht stellte unter Wiedergabe des Spruchs der gekürzten Urteilsausfertigung des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 9. April 2019 (Verurteilung wegen der im Zeitraum 1. September 2017 bis Juni 2018 begangenen Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs. 2 StGB und der kriminellen Organisation nach § 278a StGB zu einer zur Gänze bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit) die vom Revisionswerber begangenen Straftaten fest. Die Deradikalisierungstherapie, die der Revisionswerber über gerichtliche Anordnung zu absolvieren habe, sei nicht abgeschlossen, und ein Ende sei nicht absehbar. Aus der Sicht des als Zeugen vernommenen Vertreters des mit der Therapie betrauten Vereins DERAD lasse sich trotz der positiven Tendenzen in der „Deradikalisierungsentwicklung“ ein Rückfall in die ursprüngliche Ideologie nicht zur Gänze ausschließen bzw. lasse sich auch nicht „zu 100%“ ausschließen, dass jemand, der beim Verein DERAD ein Deradikalisierungsprogramm durchlaufen habe, in einer Krisensituation zum Attentäter werden könne. Es stehe auch fest, dass der Revisionswerber entgegen seinen eigenen Angaben zumindest einen der Freunde, die ihm zufolge die Ursache für seine Straffälligkeit gewesen seien, noch im März 2020 getroffen habe. Schon angesichts des Tatzeitraums könne es auch nicht stimmen, dass er - wie von ihm behauptet - schon seit April 2018 keinen Kontakt mehr zu seinen mitverurteilten Freunden gehabt habe.

4        Der Revisionswerber habe in der Verhandlung versucht, das Gericht zu überzeugen, dass er von den Motiven, die zur Begehung der Straftaten geführt hätten, geläutert sei. Er habe sich dabei jedoch hinsichtlich der Frage des Weiterbestehens der Kontakte zu seinen damals mitverurteilten Freunden in erhebliche Widersprüche verstrickt. In der Zusammenschau mit den angeklagten Fakten, deretwegen der Revisionswerber verurteilt worden sei, zeige sich ein Persönlichkeitsbild, das nicht dem entspreche, das er in der mündlichen Verhandlung zu zeichnen versucht habe. Vielmehr ergebe sich, dass sich der Revisionswerber trotz bestehender Lebensgemeinschaft und Arbeitsaufnahme im April 2018 nicht von der Begehung strafbarer Handlungen und vom Aufrechterhalten des Kontakts mit seinen Freunden habe abhalten lassen.

5        Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass angesichts der Mitgliedschaft bei der Terrororganisation „Islamic State“ (IS) im Zeitraum 1. September 2017 bis Juni 2018 eine schwerwiegende Gefahr vom Revisionswerber ausgehe. Eine Läuterung von der Ideologie des IS sei von ihm nicht glaubhaft gemacht worden. So habe der Revisionswerber versucht, in der Verhandlung von der strafgerichtlichen Verurteilung vom 9. April 2019 abzulenken, indem er die Frage des Richters nach seinen strafgerichtlichen Verurteilungen dahingehend beantwortet habe, dass er in seiner Jugendzeit im Alter von 14 bzw. 16 Jahren wegen Raubes sowie wegen Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung verurteilt worden sei; die in der Folge gestellte Frage „War es das?“ habe er damit beantwortet, dass es dies gewesen sei und es weitere strafgerichtliche Verurteilungen nicht gebe und er aus seinen Fehlern gelernt habe. Daraus und aus seinen Angaben zu seiner verfahrensgegenständlichen Verurteilung vom 9. April 2019 - er habe angegeben, bei einer Autofahrt einen „Nashid“ mit kritischem Text gesungen und nicht erkannt zu haben, dass es sich um ein gewaltverherrlichendes Lied handle, und behauptet, den IS nie beworben zu haben - sei ein Hang zur Verharmlosung der von ihm begangenen Straftaten zu erblicken.

6        Im Hinblick auf die noch laufende Deradikalisierungstherapie und den Umstand, dass selbst bei gelungener Deradikalisierung ein Rückfall in die ursprüngliche Ideologie nicht ausgeschlossen sei, gehe angesichts des vom Revisionswerber gezeigten Persönlichkeitsbilds, das auch durch Straftaten in der frühen Jugendzeit geprägt sei, eine sehr hohe Gefahr aus, da bei ideologisch motivierten strafgerichtlichen Verurteilungen notorisch eine sehr hohe Rückfallsquote bestehe. Daran vermöge weder das Wohlverhalten des Revisionswerbers im Deradikalisierungsverfahren noch der Umstand, dass er durch seine eigene Familie (Lebensgefährtin und Kind), die Angehörigen seiner Ursprungsfamilie und die Angehörigen seiner Lebensgefährtin sowie durch seine nichtselbständige Erwerbstätigkeit „scheinbar gut sozial verankert“ sei, etwas zu ändern, zumal er sich im inkriminierten Zeitraum trotz dieser damals schon bestehenden sozialen Verankerung nicht von der Begehung der Straftaten habe abbringen lassen.

7        Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht, dass der Revisionswerber seit dem 20. September 2019 Vater eines Kindes sei und mit diesem sowie der Kindesmutter (beide österreichische Staatsbürger) im gemeinsamen Haushalt lebe. Aufgrund der vom Revisionswerber nach wie vor ausgehenden hohen Gefahr müsse das erst seit kurzem bestehende Familienleben jedoch eine Relativierung hinnehmen. Auch das Kindeswohl, dem das Führen eines Familienlebens mit dem Vater „am Nächsten käme“, müsse wegen des besonders hohen Gefährdungspotentials des Revisionswerbers „eine Relativierung hinnehmen“. Es könne auch nicht angehen, dass Österreich die Wahrung seiner Integrität sowie die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung zugunsten des - hier ohnehin nicht gefährdeten - Kindeswohls „eines einzigen Kindes“ hintanzustellen hätte. Hervorzuheben sei auch, dass in Österreich eine Vielzahl alleinerziehender Mütter lebe, deren Kindern ein Zusammenleben mit dem Kindesvater „unter einem Dach“ verwehrt sei und deren Kindeswohl dadurch nicht beeinträchtigt sei. Der Kindesmutter und dem Kind sei es auch möglich, den Revisionswerber in Polen zu besuchen. Aber selbst ein Aufwachsen des Kindes ohne den „radikalisierten Kindesvater“ würde das Kindeswohl nicht gefährden.

8        Eine Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbotes scheitere auch bei Berücksichtigung der familiären Anknüpfungspunkte des Revisionswerbers im Bundesgebiet am strafrechtlich belasteten Vorleben und seinem hohen Gefährdungspotential.

9        Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

10       Die Revision erweist sich als zulässig und berechtigt, weil das Bundesverwaltungsgericht - wie in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgezeigt wird - sowohl bei der Erstellung der Gefährdungsprognose als auch bei der Interessenabwägung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.

11       Wie bereits im Vorerkenntnis dargestellt, war im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung des Revisionswerbers im vorliegenden Fall der Tatbestand des § 67 Abs. 3 Z 2 FPG erfüllt, was den - aufgrund des mehr als zehnjährigen rechtmäßigen Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet maßgeblichen - Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG indiziert und nach der erstgenannten innerstaatlichen Norm grundsätzlich die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes ermöglicht. Ob die Verhängung eines solchen aber auch tatsächlich gerechtfertigt ist, bedarf stets einer Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Fremden und der sich daraus erschließenden Persönlichkeit.

12       Das Bundesverwaltungsgericht kam unter Einbeziehung des nunmehr in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks zu dem Ergebnis, dass vom Revisionswerber nach wie vor eine maßgebliche Gefahr ausgehe und er einen Wandel seiner Persönlichkeitsstruktur nicht darzulegen vermocht habe. Dies begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass der Revisionswerber unrichtige Angaben zum Kontaktabbruch mit den Mitverurteilten gemacht habe, da der von ihm angegebene Zeitpunkt des Kontaktendes in den - der strafgerichtlichen Verurteilung zu entnehmenden - Tatzeitraum falle und auch der Betreuer beim Verein DERAD in seiner Zeugenaussage über einen Kontakt mit einer tatbeteiligten Person im März 2020 berichtet habe. Bei dieser Darstellung blieb jedoch unerwähnt, dass der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung auch seine Unsicherheit hinsichtlich des genauen Datums des Kontaktabbruchs zu den Mittätern zum Ausdruck gebracht hatte und er nach der Zeugenaussage seines Betreuers beim Verein DERAD im März 2020 lediglich zufälligen Kontakt zu einer tatbeteiligten Person hatte, welcher dem Revisionswerber somit nicht zum Vorwurf gemacht werden konnte. Das Bundesverwaltungsgericht hat es auch unterlassen, den Revisionswerber mit der Aussage seines Betreuers zu konfrontieren und den Hintergrund des Treffens näher zu beleuchten.

13       Weiters stützte das Bundesverwaltungsgericht die Annahme einer nicht erfolgten Abkehr von einer radikal islamischen Gesinnung aber auch darauf, dass ein Ende der Therapie beim Verein DERAD nicht absehbar sei. Diesbezüglich wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der Betreuer des Revisionswerbers in seiner Zeugenaussage darauf hingewiesen hat, dass die Therapiesitzungen grundsätzlich über den Zeitraum der dreijährigen Probezeit laufen würden und einer beim Revisionswerber vorliegenden positiven Entwicklung durch Ausweitung der Gesprächsintervalle begegnet werde. So seien die ursprünglich zweiwöchigen Treffen auf ein dreiwöchentliches Intervall erstreckt worden und fänden ab dem Jahr 2021 nur mehr vierwöchentlich statt. Aufgrund der bisher positiven Entwicklung des Revisionswerbers sei auch eine Beendigung der Betreuung vor dem Probezeitende grundsätzlich möglich. Die aktuelle Fortsetzung der Therapie diene der Nachbetreuung, wobei es aber hauptsächlich um pädagogische Aspekte gehe. Der damit vom Betreuer attestierten positiven Entwicklung maß das Bundesverwaltungsgericht jedoch keine Bedeutung bei, sondern es betonte, dass auch bei einem erfolgreich durchlaufenen Deradikalisierungsprogramm nicht „zu 100%“ auszuschließen sei, dass jemand in einer Krisensituation (neuerlich) zum Attentäter würde. Dabei verkennt es aber, dass in der Gefährdungsprognose nicht auf einen gänzlichen Gefahrenausschluss abzustellen ist, sondern konkrete Risiken abzuschätzen sind, wobei auch ins Gewicht fällt, ob sich ein Risiko in der Vergangenheit schon verwirklicht hat. Dies traf aber im Fall des Revisionswerbers im Hinblick auf die vom Bundesverwaltungsgericht in den Raum gestellte Gefahr der Begehung eines Attentats nicht zu. Vielmehr lagen Straftaten vor, hinsichtlich deren das Strafgericht eine zur Gänze bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe als ausreichend ansah. Aus den Zeugenaussagen des Vertreters des Vereins DERAD in der mündlichen Verhandlung ließ sich auch nicht entnehmen, dass er beim Revisionswerber die Gefahr der Begehung eines Attentats sah; die Aussage hinsichtlich der nicht hundertprozentigen Ausschließbarkeit eines Attentats war vielmehr die Antwort auf die vom Bundesverwaltungsgericht (suggestiv) gestellte Frage, ob es die Möglichkeit gebe, „dass jemand, der - wie der Wienattentäter - als deradikalisiert gilt, aufgrund einer Krisensituation zu einem ideologisch motivierten Attentäter werden kann“, wobei der Zeuge auch darauf hinwies, dass der „Wienattentäter“ vom Verein DERAD nie als deradikalisiert bezeichnet worden sei. Eine akut vom Revisionswerber ausgehende Gefahr schloss der Vertreter des Vereins DERAD explizit aus, und er erläuterte, dass die Therapieintervalle verlängert worden seien, nachdem zunächst ideologische Aspekte abzuklären gewesen seien und sich dann gezeigt habe, dass der Revisionswerber diese ideologischen Aspekte „nicht in der Form“ vertrete.

14       Insgesamt gab das Bundesverwaltungsgericht die für und gegen den Revisionswerber sprechenden Aussagen in der mündlichen Verhandlung einseitig wieder. So wurde in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses etwa auch nicht erwähnt, dass der Revisionswerber angegeben hatte, für Religionsfreiheit zu stehen, vom politischen Islam und der Scharia keine Ahnung zu haben und gegen die Einrichtung eines Systems mit Gewalt gegen Menschen zu sein. Letztlich maß das Bundesverwaltungsgericht auch dem vom Revisionswerber ins Treffen geführten Familienleben - abweichend von der Einschätzung des Betreuers beim Verein DERAD - keinen entscheidenden stabilisierenden Effekt zu, obwohl der Revisionswerber nach Begehung der Straftaten Vater geworden war. Schließlich entbehrt der Vorwurf, dass der Revisionswerber mit der wahrheitsgemäßen Darstellung früherer Straftaten von der aktuellen Straftat ablenken wollte, jeder Nachvollziehbarkeit.

15       Zusammengefasst zeigt sich, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Gefährdungsprognose auf teilweise unschlüssige und dem Inhalt der Verhandlung nicht gerecht werdende Erwägungen gründete und sich nicht ausgewogen mit den für und gegen eine vom Revisionswerber ausgehende Gefahr sprechenden Aspekten auseinandersetzte; insbesondere, indem es der positiven Prognose des Betreuers beim Verein DERAD trotz dessen Expertise keine ersichtliche Bedeutung beizumessen schien. Damit wird das Bundesverwaltungsgericht jedoch dem Anspruch einer das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht ziehenden Gefährdungsprognose im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gerecht (vgl. etwa VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0091, Rn. 9, mwN).

16       Zudem wäre vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG auch dem Familienleben des schon seit seinem achten Lebensjahr in Österreich lebenden Revisionswerbers mit der Lebensgefährtin und dem im Entscheidungszeitpunkt knapp über einjährigem Kind, die beide österreichische Staatsbürger sind, ein größeres Gewicht beizumessen gewesen. Insbesondere die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, das Wohl des Kindes sei durch eine Trennung vom Vater nicht beeinträchtigt, wurde mit dem nur generellen Hinweis auf eine „Vielzahl alleinerziehender Mütter“ nicht nachvollziehbar begründet. Die Rechtfertigung für eine solche Trennung könnte zwar in einer vom Vater ausgehenden aktuellen hohen Gefährdung liegen; die Begründung einer solchen Gefährdung durch das Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall aber, wie oben gezeigt, mangelhaft geblieben.

17       Angesichts der ausgeprägten privaten und familiären Verankerung des Revisionswerbers in Österreich und der grundsätzlich positiven Prognose des Betreuers beim Verein DERAD erweist sich jedenfalls die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes als unzulässig (vgl. etwa VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0009, Rn. 36/37).

18       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen der vorrangig wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

19       Von der in der Revision beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 VwGG abgesehen werden.

20       Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. April 2022

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021210048.L00

Im RIS seit

18.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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