TE Vwgh Beschluss 2022/4/26 Ra 2022/05/0068

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Veröffentlicht am 26.04.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VwGG §34 Abs4
VwGG §46
ZustG §17 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr.in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache der B B in W, vertreten durch Dr. Manfred Sommerbauer und DDr. Michael Dohr, LL.M., LL.M., Rechtsanwälte in 2700 Wiener Neustadt, Babenbergerring 5a/3. OG, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 22. Dezember 2021, VGW-111/V/055/13375/2021-21, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und Zurückweisung einer Beschwerde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bauausschuss der Bezirksvertretung für den 19. Bezirk; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - erstens den Antrag der Revisionswerberin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gegen einen Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 19. Bezirk ab und zweitens die gegen den genannten Bescheid erhobene Beschwerde als verspätet zurück. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für nicht zulässig.

2        Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass der angefochtene Bescheid nach einem erfolglosen Zustellversuch an die Revisionswerberin am 17. Mai 2021 an ihrem Hauptwohnsitz hinterlegt und ab dem 18. Mai 2021 zur Abholung in der zuständigen Postgeschäftsstelle bereitgehalten worden sei. Die Verständigung über die Hinterlegung sei vom Zustellorgan in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden. Zum Zeitpunkt des Zustellversuches wäre weder eine Ortsabwesenheitsmeldung noch ein Nachsendeauftrag bekannt gegeben worden. Der Einwurf von Briefen in den Postkasten der Revisionswerberin sei durch einen Schlitz an dessen Oberseite möglich. Nur die Revisionswerberin und ihr Ehemann würden über den Schlüssel zum Postkasten verfügen; der Postkasten werde täglich durch die Revisionswerberin entleert. In der Vergangenheit sei es an dieser Adresse zu keinen Problemen mit der Postzustellung gekommen. Dabei stützte sich das Verwaltungsgericht auf den unbedenklichen Zustellnachweis und die glaubhafte Aussage des Postzustellers, während es der Darstellung der Revisionswerberin, wonach sie die Hinterlegungsanzeige nicht erhalten habe, nicht folgte.

3        Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, dass von einer wirksamen Zustellung auszugehen sei und die bloße „Unerklärlichkeit“ des Verschwindens eines in die Gewahrsame des Wiedereinsetzungswerbers gelangten amtlichen Schriftstücks (z.B. Hinterlegungsanzeige) für eine Wiedereinsetzung nicht ausreiche. Zwar werde eine Partei den konkreten Vorgang, wie es zur Entfernung einer Hinterlegungsanzeige gekommen ist, nur in den seltensten Fällen beschreiben können, sondern sich auf die Darlegung von Umständen beschränken müssen, die die Entfernung der Hinterlegungsanzeige als nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen. Das Vorbringen der Revisionswerberin entbehre aber einer substantiierten Darlegung, wie es zur mangelnden Kenntnisnahme über den Zustellvorgang gekommen sei, sowie der Geltendmachung von Bescheinigungsmitteln und stelle folglich keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund dar. Die Beschwerde sei daher verspätet eingebracht worden und zurückzuweisen.

4        Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit geltend macht, dass es an einer einheitlichen Rechtsprechung fehle, wie ein Wiedereinsetzungswerber tatsächlich nachzuweisen habe, dass er keine Hinterlegungsanzeige erhalten habe.

5        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat eine Partei, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist stellt, den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur im Rahmen der Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers zu untersuchen.

Die Revisionswerberin stützt ihr Wiedereinsetzungsbegehren auf die Behauptung, sie hätte keine Hinterlegungsanzeige erhalten. Sie macht damit einen Zustellmangel (nämlich die Nichteinhaltung des § 17 Abs. 2 Zustellgesetz) geltend. Ein Zustellmangel bildet aber keinen Wiedereinsetzungsgrund (vgl. etwa VwGH 10.9.2020, Ra 2020/14/0230 bis 0234, mwN; 16.12.2009, 2009/12/0031).

Abgesehen davon ist auf Folgendes hinzuweisen:

9        Das Verwaltungsgericht Wien hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausführlich begründet, warum das Vorbringen der Revisionswerberin nicht glaubhaft und den Angaben des Zustellorgans zu folgen sei. Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung hat das Verwaltungsgericht keinen „Gegenbeweis“ der Revisionswerberin über den Verbleib der Hinterlegungsanzeige gefordert, sondern nur ein substantiiertes Vorbringen zu den näheren Umständen, die die Entfernung einer Hinterlegungsanzeige als nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen. Die Revisionswerberin erstattete aber kein substantiiertes Vorbringen zur mangelnden Kenntnis vom Zustellvorgang, das einem Wiedereinsetzungsantrag zu Grunde gelegt werden könnte. Wie auch vom Verwaltungsgericht ausgeführt, liegt zu dieser Frage Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor (vgl. etwa VwGH 21.7.2011, 2007/18/0827, 0828; 10.9.2020, Ra 2020/14/0230 bis 0234, mwN). In dem von der Revisionswerberin zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 2020, Ra 2020/18/0288, war der Grad des Versehens eines Zustellempfängers im Zusammenhang mit Zustellungen während der Covid-19-Pandemie zu beurteilen. Die Entscheidung ist nicht einschlägig.

10       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 26. April 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022050068.L00

Im RIS seit

18.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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