TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/21 95/04/0188

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Veröffentlicht am 21.05.1996
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Index

50/04 Berufsausbildung;

Norm

BAG 1969 §2a Abs1;
BAG 1969 §2a Abs2;
BAG 1969 §3a Abs3;
BAG 1969 §3a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich in Linz, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. August 1995, Zl. Ge - 550124/2 - 1995/Pan/Th, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren nach § 3a BAG (mitbeteiligte Partei: A-Ges.m.b.H. & Co KG in R), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei stellte bei der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer Oberösterreich den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 3a BAG betreffend die Ausbildung im Lehrberuf Einzelhandelskauffrau an einem näher bezeichneten Standort in Ried im Innkreis. In ihrer hiezu gemäß § 3a Abs. 3 BAG erstatteten Stellungnahme führte die Beschwerdeführerin aus, nach ihren Erhebungen sei der in Rede stehende Betrieb (Ausbildungsstätte) für die Ausbildung in dem im Antrag aufscheinenden Lehrberuf nur bei Festlegung einer ergänzenden Ausbildungsmaßnahme im Rahmen eines Ausbildungsverbundes (§ 2a BAG) geeignet. Die ergänzende Ausbildung habe eine Reihe (im einzelnen ziffernmäßig bezeichnete) Berufsbildpositionen zu umfassen.

Der von der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer Oberösterreich über diesen Antrag ergangene Bescheid vom 15. Mai 1995 hat folgenden Spruch:

"Gemäß § 3a BAG wird festgestellt, daß der Betrieb der A-Gesellschaft m.b.H. & Co in R in Verbindung mit der Zentrale in L, H-Straße 5, so eingerichtet ist und geführt wird, daß Lehrlingen die für die praktische Erlernung des Lehrberufes "Einzelhandelskaufmann/-frau" nötigen Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden können.

Der Lehrvertrag, der mit dem Lehrling ... vor Erlassung dieses Bescheides begründet wurde (Lehrzeitbeginn: 27.3.1995), wird für aufrecht erklärt (§ 3a Abs. 1, 4. Satz BAG)."

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Diese wurde mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. August 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG i. V.m. § 3a Abs. 3 BAG als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Inhaltes der Bestimmung des § 3a Abs. 3 BAG und des Verfahrensganges aus, werde die materielle Aussage der Stellungnahme der Beschwerdeführerin auf das wesentliche reduziert, so bedeute dies, daß die Erlassung eines positiven Feststellungsbescheides unter der Voraussetzung eines Ausbildungsverbundes möglich sei. Der angefochtene Bescheid beinhalte einen positiven Feststellungsbescheid mit Ausbildungsverbund in der Zentrale. Bei der Gegenüberstellung der beiden materiellen Inhalte der Aussagen müsse festgestellt werden, daß sie inhaltlich übereinstimmten. Damit widerspräche der angefochtene Bescheid nicht der Stellungnahme der Beschwerdeführerin, sodaß ihr auch kein Berufungsrecht zukomme. Daß bei der Erlassung des erstbehördlichen Bescheides Fehler i. S.d. § 2a Abs. 2 BAG und hinsichtlich der Adresse der Zentrale des Betriebes unterlaufen seien, begründe noch kein Berufungsrecht der Beschwerdeführerin.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im wesentlichen geltend, damit die Beschwerdeführerin sinnvoll von ihrem Recht auf Abgabe einer Stellungnahme Gebrauch machen könne, habe ihr die Behörde die näheren Umstände des Antrages bekanntzugeben. Dem sei die Lehrlingsstelle mit Schreiben vom 14. April 1995 auch nachgekommen, indem sie ihr mitgeteilt habe, daß die mitbeteiligte Partei i.S.d. § 3a BAG einen Feststellungsbescheid für den Lehrberuf Einzelhandelskaufmann/frau beantragt habe. Dafür, daß eine ergänzende Ausbildung in einem anderen geeigneten Betrieb oder in einer anderen geeigneten Einrichtung erfolgen solle, habe sich kein Hinweis gefunden, sodaß sich die Beschwerdeführerin in ihrer fristgerecht abgegebenen Stellungnahme ausschließlich auf den Standort Ried bezogen habe. Aus der Stellungnahme der Beschwerdeführerin habe sich selbst dann nicht, wenn dem Einwand dem Grunde nach Rechnung getragen worden wäre, also eine Ausbildungsverbundmaßnahme bescheidmäßig festgelegt worden wäre, ein Verzicht auf ein den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Verfahren ableiten lassen. Entgegen der Annahme der belangten Behörde bestehe keine Übereinstimmung zwischen der Stellungnahme der Beschwerdeführerin und dem erstbehördlichen Bescheid, weil aus letzterem eine Festlegung eines Ausbildungsverbundes, wie dies in früheren Verfahren üblich gewesen sei, nicht ersichtlich sei. Weder werde darin ausdrücklich die Auflage eines Ausbildungsverbundes ausgesprochen, noch würden die einzelnen Berufsbildpositionen, die im Rahmen dieses Ausbildungsverbundes zu vermitteln seien, aufgelistet. Im übrigen macht die Beschwerdeführerin inhaltliche Mängel des erstbehördlichen Bescheides geltend.

Gemäß § 3a Abs. 1 BAG hat die Lehrlingsstelle, bevor in einem Betrieb erstmalig Lehrlinge in einem bestimmten Lehrberuf ausgebildet werden sollen, festzustellen, ob die im § 2 Abs. 6 angeführten Voraussetzungen für diesen Lehrberuf, allenfalls nach Maßgabe des § 2a, vorliegen. Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle hat, wer ein unter Abs. 1 fallendes Ausbilden von Lehrlingen beabsichtigt, bei der Lehrlingsstelle die Erlassung eines Feststellungsbescheides zu beantragen. Vor der Erlassung dieses Bescheides ist der Kammer für Arbeiter und Angestellte bei sonstiger Nichtigkeit (§ 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950) hievon Mitteilung zu machen und ihr Gelegenheit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme innerhalb einer Frist von 3 Wochen zu geben. Auf begründetes Ersuchen hat die Lehrlingsstelle die Frist angemessen zu erstrecken. Der Kammer für Arbeiter und Angestellte ist eine Ausfertigung des Bescheides zu übermitteln. Wenn die Entscheidung ihrer fristgerecht abgegebenen Stellungnahme widerspricht, steht ihr gegen den Bescheid das Recht der Berufung und gegen den Berufungsbescheid das Recht der Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG wegen Rechtswidrigkeit zu.

Nach § 2a Abs. 1 BAG ist, wenn in einem Lehrbetrieb (einer Ausbildungsstätte) die nach den Ausbildungsvorschriften festgelegten Fertigkeiten und Kenntnisse nicht in vollem Umfang vermittelt werden können, die Ausbildung von Lehrlingen dann zulässig, wenn eine ergänzende Ausbildung durch Ausbildungsmaßnahmen in einem anderen hiefür geeigneten Betrieb oder einer anderen hiefür geeigneten Einrichtung erfolgt. Eine solche ergänzende Ausbildung ist nur dann zulässig, wenn im Lehrbetrieb die für den Lehrberuf wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse überwiegend selbst ausgebildet werden können.

Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist die ergänzende Ausbildung im Bescheid nach § 3a bezogen auf die Fertigkeiten und Kenntnisse gemäß dem Berufsbild sowie bezogen auf das Lehrjahr festzulegen.

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, daß die Beschwerdeführerin in ihrer nach § 3a Abs. 3 BAG erstatteten Stellungnahme die Eignung des in Rede stehenden Betriebes zur Ausbildung von Lehrlingen nur im Rahmen eines Ausbildungsverbundes für geeignet erklärte, wobei in dieser Stellungnahme im Detail festgelegt wurde, welche einzelne Berufsbildpositionen im Rahmen des Ausbildungsverbundes zu vermitteln seien. Die Beschwerdeführerin bestreitet allerdings, daß, wie die belangte Behörde annahm, der erstbehördliche Bescheid dieser Stellungnahme entspricht. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht.

Aus § 2a Abs. 2 BAG ergibt sich, daß der nach § 3a BAG ergehende Feststellungsbescheid bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 2a Abs. 1 leg. cit. neben der Anordnung der ergänzenden Ausbildung in einem anderen Betrieb auch im einzelnen festzulegen hat, welche Fertigkeiten und Kenntnisse in welchem Lehrjahr im Rahmen der ergänzenden Ausbildung zu vermitteln sind. Wenn in einem derartigen Fall die Kammer für Arbeiter und Angestellte in ihrer Stellungnahme nach § 3a Abs. 3 leg. cit. - wie im vorliegenden Fall - auf jene Berufsbildpositionen hinweist, die ihrer Meinung nach im Rahmen eines Ausbildungsverbundes nach § 2a leg. cit. zu vermitteln seien, so kann von einem der Stellungnahme entsprechenden Bescheid der Lehrlingsstelle nur dann gesprochen werden, wenn darin einerseits eine solche ergänzende Ausbildung angeordnet und andererseits die im Rahmen dieser ergänzenden Ausbildung zu vermittelnden Fertigkeiten und Kenntnisse übereinstimmend mit der Stellungnahme der Kammer für Arbeiter und Angestellte vorgeschrieben werden.

Da im vorliegenden Fall im erstbehördlichen Bescheid eine Festlegung der im Rahmen einer ergänzenden Ausbildung zu vermittelnden Fertigkeiten und Kenntnisse nicht enthalten ist, kann unabhängig davon, ob die Formulierung im Spruch dieses Bescheides als Vorschreibung einer ergänzenden Ausbildung in der Zentrale in L i.S.d. § 2a BAG verstanden werden kann, in diesem Bescheid nicht ein der Stellungnahme der Beschwerdeführerin entsprechender Bescheid erblickt werden.

Da somit der erstbehördliche Bescheid zumindest was die im Rahmen einer ergänzenden Ausbildung zu vermittelnden Fertigkeiten und Kenntnisse betrifft, der Stellungnahme der Beschwerdeführerin widersprach, sind somit die in § 3a Abs. 3 vorletzter Satz BAG normierten Voraussetzungen für ein Berufungsrecht der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid gegeben.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995040188.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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