TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/21 93/08/0144

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Veröffentlicht am 21.05.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §1;
ASVG §529 Abs5;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des W in V, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. April 1993, Zl. VII/2-5372/3-1993, betreffend Erstattungsbetrag gemäß § 529 Abs. 5 ASVG (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles sei auf folgendes verwiesen:

Der Beschwerdeführer wurde mit Wirksamkeit vom 1. Juni 1947 nach § 7 des Beamten-Überleitungsgesetzes in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis aufgenommen. Mit Bescheid des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich vom 23. September 1981 wurde er gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 wegen dauernder Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 30. November 1981 in den Ruhestand versetzt. In der Zeit seines (aktiven) öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses übte der Beschwerdeführer vom 1. Jänner 1956 bis 3. März 1962 eine versicherungspflichtige Nebenbeschäftigung (als Buchhalter und Geschäftsführer) bei der Raiffeisenkasse G aus

(74 Beitragsmonate).

Mit Bescheid vom 1. Februar 1982 sprach die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt nach der Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers über Antrag des öffentlich-rechtlichen Dienstgebers aus, daß dem Dienstgeber gemäß § 529 ASVG ein Überweisungsbetrag für 9 Beitragsmonate und dem Beschwerdeführer ein Erstattungsbetrag für 4 Beitragsmonate aus dem Jahre 1946 geleistet würde.

In einem Schreiben vom 1. Februar 1982 ersuchte der Beschwerdeführer bei der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt um Aufklärung, wie es sich mit den in der Berechnung fehlenden 74 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung (Zeitraum 1956 bis 1962) verhalte. Die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt teilte dem Beschwerdeführer daraufhin mit, daß sämtliche Versicherungszeiten, die er vor seiner Pragmatisierung erworben habe, bei der Bemessung des Ruhebezuges hätten herangezogen werden können, nicht jedoch solche NACH der Pragmatisierung.

Mit Bescheid vom 26. Februar 1982 wies die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension mangels ausreichender Zeiten ab.

Ein Antrag des Beschwerdeführers vom 11. Mai 1982 auf Abspruch über Schulzeiten wurde mit Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom 4. Juni 1982 dahin entschieden, daß gemäß § 529 Abs. 5 ASVG für die Beitragszeit vom 20.4.1946 bis 28.5.1946 und vom 26.6.1946 bis 14.8.1946 (insgesamt vier Monate) ein Erstattungsbetrag an den Beschwerdeführer geleistet worden sei. Für weitere Versicherungszeiten werde eine Erstattung abgelehnt. Nach der Begründung komme eine Erstattung gemäß § 529 Abs. 5 lit. a ASVG nur für Zeiten vor der Übernahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis in Frage; für Schulzeiten könne überhaupt kein Erstattungsbetrag geleistet werden.

Mit Bescheid vom 24. Juni 1992 lehnte die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt einen weiteren Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension ab.

2. Mit Schreiben vom 25. Juni und 13. Juli 1992 stellte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 308 ASVG einen neuerlichen Antrag auf Erstattung der in der Zeit vom 1. Jänner 1956 bis 3. März 1962 geleisteten Beiträge.

Mit Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 5. Oktober 1992 wurden die Anträge des Beschwerdeführers auf Leistung eines Erstattungsbetrages gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Über die Anträge des Beschwerdeführers sei bereits mit rechtskräftigem Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom 4. Juni 1982 entschieden worden. Seit dieser Entscheidung hätten sich weder Änderungen in der Sach- noch in der Rechtslage ergeben.

Der Beschwerdeführer erhob Einspruch, wobei er im wesentlichen vorbrachte, daß im Bescheid vom 4. Juni 1982 bloß Zeiten nach § 529 ASVG aufschienen, die ohnehin abgegolten worden seien, und Ersatzzeiten (Schulbesuch), für die ein Überweisungsbetrag abgelehnt worden sei. Von Zeiten neben dem pragmatisierten Dienstverhältnis sei hingegen keine Rede.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch keine Folge gegeben und der Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt bestätigt. Nach der Begründung sei mit dem Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom 4. Juni 1982 unter anderem eine Erstattung für weitere Versicherungszeiten abgelehnt worden. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer nachweislich zugestellt worden und in Rechtskraft erwachsen. Für eine Erstattung von Zeiten neben dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis bestehe gemäß § 529 Abs. 5 ASVG keine Grundlage. Diese Bestimmung regle die Erstattung von Beiträgen in taxativ aufgezählten Fällen. Eine Erstattung von Beitragszeiten der Pflichtversicherung, die NACH der Aufnahme in das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis lägen, sei nicht vorgesehen. Eine Änderung der Rechtslage sei bisher nicht eingetreten. Die rechtskräftige Entscheidung vom 4. Juni 1982 stehe der Erlassung eines neuen Bescheides entgegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt - eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 529 ASVG lautet auszugsweise:

"§ 529. (1) Der im Zeitpunkt der Aufnahme in ein öffentlich-rechtliches oder diesem gleichgestelltes Dienstverhältnis leistungszuständige Versicherungsträger (§§ 245 und 246) hat an den Dienstgeber auf Antrag für jeden Monat (§ 231) einer angerechneten Beitrags- beziehungsweise Ersatzzeit einen Überweisungsbetrag zu leisten, wenn

a)

der Dienstnehmer vor dem 1. April 1952 in ein öffentlich-rechtliches oder diesem gleichgestelltes Dienstverhältnis als Angehöriger des Dienststandes aufgenommen worden ist (§ 11 Abs. 5) oder nach dem 31. März 1952 in ein solches Dienstverhältnis aufgenommen worden ist und eine Leistung aus der Pensions(Renten)versicherung vor dem 30. September 1955 angefallen ist,

b)

der Dienstgeber nach den für ihn geltenden dienstrechtlichen Vorschriften bereits erworbene Beitrags- beziehungsweise Ersatzzeiten des Dienstnehmers für die Begründung des Anspruches auf einen Ruhe(Versorgungs)genuß und dessen Ausmaß ganz oder teilweise angerechnet hat oder anrechnet,

c)

der Dienstnehmer aus dem Dienststand des Dienstgebers mit dem Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)genuß nach dem 9. April 1945 ausgeschieden ist oder ausscheidet und

d)

ein Anspruch auf Leistung nach Abs. 7 beziehungsweise nach Abs. 9 nicht besteht.

Zur Stellung des Antrages ist sowohl der Dienstgeber als

auch der Dienstnehmer berechtigt.

...

(5) Ist nach Abs. 1 ein Überweisungsbetrag zu leisten, so hat der leistungszuständige Versicherungsträger dem Versicherten

a) für jeden vor der Aufnahme in das Dienstverhältnis nach Abs. 1 liegenden Monat einer Beitragszeit der Pflichtversicherung, der nicht in der Pensionsversorgung angerechnet worden ist, 7 v.H. einer Bemessungsgrundlage von 1.000 S, soweit aber eine Teilanrechnung stattgefunden hat, nur den im Überweisungsbetrag nicht berücksichtigten Teilbetrag, ...

zu erstatten. Abs. 3 letzter Satz und § 108 sind anzuwenden. Unabhängig davon, ob ein Überweisungsbetrag nach Abs. 1 zu leisten ist, sind auf Antrag des Versicherten sämtliche nach der Aufnahme in das Dienstverhältnis nach Abs. 1 entrichteten Beiträge zur Weiterversicherung jederzeit, sonst gleichzeitig mit der Leistung des Überweisungsbetrages - es sei denn, diese Beiträge wurden nach einer

pensions(renten)versicherungspflichtigen Nebenbeschäftigung entrichtet - aufgewertet mit dem für das Jahr ihrer Entrichtung geltenden Aufwertungsfaktor (§ 108 c) zu erstatten."

1. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist zunächst die Frage strittig, ob mit dem Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom 4. Juni 1982 über die Nichterstattungsfähigkeit der Zeit vom 1. Jänner 1956 bis 3. März 1962 entschieden worden ist, in der der Beschwerdeführer neben seinem aktiven öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis eine versicherungspflichtige Nebenbeschäftigung bei der Raiffeisenkasse ausgeübt hat.

"Sache" (Gegenstand) einer rechtskräftigen Entscheidung ist der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit (§ 59 Abs. 1 AVG), die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei dem Bescheid gestützt hat. Die Begründung des Bescheides spielt für die Festlegung seiner objektiven Grenzen lediglich insoweit eine Rolle, als sie zu der (nach den für Gesetze maßgebenden Regeln vorzunehmenden) Auslegung des Spruches heranzuziehen ist; d.h. insoweit, als sich aus ihr der von der Behörde angenommene maßgebende (das ist der als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung dienende) Sachverhalt ergibt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/08/0207, mit weiteren Judikaturhinweisen).

"Sache" des Bescheides der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom 4. Juni 1982 war vor diesem rechtlichen Hintergrund auch die Nichterstattungsfähigkeit der strittigen Versicherungszeiten des Beschwerdeführers, kann doch der Spruch dieses Bescheides, wonach jede weitere Erstattung abgelehnt werde, im Zusammenhang mit der Begründung, wonach eine Erstattung nur für Zeiten vor Übernahme ins öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis in Frage komme, nur auf die strittige Zeit vom 1. Jänner 1956 bis 3. März 1962 bezogen werden.

Ob der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erstattung (auch) dieser Zeiten bei der mitbeteiligten Pensionsversicherung gestellt hat, könnte zwar allenfalls für die Rechtmäßigkeit dieses (umfassenden) Abspruches von Bedeutung sein. Im Hinblick darauf, daß dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist, kann darauf aber im Beschwerdefall nicht mehr eingegangen werden.

2. Wenn in der Beschwerde gerügt wird, daß eine Entscheidung nach § 308 ASVG nicht erfolgt sei, so ist darauf zu erwidern, daß "Sache" die "Erstattung" war, wobei § 308 ASVG nur eine von zwei in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen darstellte, sodaß die Rechtskraft auch einer neuerlichen Entscheidung iS des § 308 ASVG - der im übrigen auf den Beschwerdeführer gar nicht anwendbar ist - im Wege steht.

3. Zum Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer strebe "eine Gleichbehandlung an und insbesondere kein Recht, für erbrachte Leistungen in erheblichem Umfang auch eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten", ist zu sagen, daß die Nichterstattung der geleisteten Beiträge auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, weil das Wesen der Sozialversicherung in der Schaffung von Riskengemeinschaften besteht, die die gegenseitige Verbundenheit des einzelnen und der Gemeinschaft und ihr wechselseitiges Eintreten füreinander in den Notfällen des Lebens bezwecken, wobei keineswegs jeder Beitragsleistung des einzelnen eine Gegenleistung der Gesamtheit der Versicherten an diesen gegenüberstehen muß (vgl. schon das Erkenntnis vom 13. März 1964, VwSlg. Nr. 6270/A).

4. Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete Sozialversicherung Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Spruch Diverses Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1993080144.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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