TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/22 95/01/0305

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Veröffentlicht am 22.05.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Mag. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Februar 1995, Zl. 4.345.074/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Februar 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines algerischen Staatsangehörigen, der am 18. August 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 14. September 1994 den Asylantrag gestellt hat, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. September 1994, mit dem der Asylantrag abgewiesen worden war, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung im erstinstanzlichen Verfahren am 14. September 1994 im wesentlichen folgendes angegeben:

Er sei in seiner Heimat durch islamische Fundamentalisten, nämlich Angehörige der "FIS", mit dem Tod bedroht worden. Er habe als Zollwachebeamter während des Dienstes eine Uniform tragen müssen. Alle Uniformträger in Algerien seien jedoch erklärtes Angriffsziel der "FIS"; so sei der Generaldirektor der Zollabteilung von Angehörigen dieser Partei ermordet worden. Sechs Kollegen des Beschwerdeführers seien 1993 anläßlich der Erstürmung eines Zollagers durch die "FIS" ermordet worden. Insbesondere in Algier sei die Verfolgung von Uniformierten durch die "FIS" besonders arg. Es sei praktisch jeder, der mit dem Staat zusammenarbeite, "zum Tod verurteilt". In seiner Familie sei der Beschwerdeführer der einzige Uniformträger, die Bedrohungen richteten sich daher nur gegen ihn. Anfang 1994 hätten mehrere bewaffnete Männer in seiner Wohnung die Türe eingetreten und seinen Bruder nach seinem Aufenthalt befragt. Seinem Bruder sei mitgeteilt worden, daß der Beschwerdeführer seinen Dienst bei der Zollwache quittieren solle. Die "FIS" sei aufgrund eingesetzter Spitzel in der Lage, die Namen jener zu kennen, welche der Aufforderung zum Verlassen des Staatsdienstes keine Folge geleistet hätten. Der Beschwerdeführer habe daher aus Angst im letzten Jahr nicht mehr zu Hause geschlafen. Die "FIS" kenne kein Erbarmen, es werde jeder ausnahmslos getötet. Vor drei oder vier Tagen habe er von seinen Eltern telephonisch erfahren, daß ein weiterer seiner Kollegen vor einigen Tagen getötet worden sei. Als Zollwachebeamter sei er zwar während der Dienstzeit bewaffnet, nach Dienstende müsse er die Waffe abgeben und sei den Angriffen ausgeliefert. Der Staat sei nicht mehr in der Lage, die Bürger vor den Fundamentalisten zu schützen.

In seiner rechtzeitig erhobenen Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen dieses Vorbringen und führte zusätzlich aus, gegen die Übergriffe der Fundamentalisten vergeblich bei seinen Dienstvorgesetzten und bei der Sicherheitsbehörde Abhilfe gesucht zu haben.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid - zu Recht - ausgeführt, für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei erforderlich, daß die Verfolgungshandlungen entweder von staatlichen Stellen des Heimatlandes ausgingen oder der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Sie vertrat die Ansicht, das Vorbringen des Beschwerdeführers, von der "FIS" mit dem Tod bedroht worden zu sein, stelle keine den staatlichen Stellen zuzurechnende Verfolgung dar. Zur Behauptung des Beschwerdeführers, der algerische Staat sei nicht mehr in der Lage, vor den Fundamentalisten Schutz zu bieten, führte sie aus, daß es außerhalb der Möglichkeit jedes Staates liege, jeden denkbaren Übergriff Dritter präventiv zu verhindern. Es könne somit auch von keinem Staat verlangt werden, daß er jeden Staatsbürger jederzeit umfassend schütze.

Die Beschwerde macht geltend, die Erstbehörde habe es unterlassen, den Beschwerdeführer anzuleiten, ein Vorbringen in der Richtung zu erstatten, daß er hinsichtlich der Verfolgung durch die Fundamentalisten vergeblich Abhilfe bei staatlichen Stellen gesucht habe. Aufgrund dieser Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, auch auf das diesbezügliche Berufungsvorbringen Bedacht zu nehmen. Jedenfalls wären auch aufgrund des Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren Feststellungen darüber zu treffen gewesen, inwiefern der algerische Staat in der Lage sei, die Übergriffe zu verhindern.

Auf dieses Vorbringen braucht nicht eingegangen zu werden, wäre doch für den Standpunkt des Beschwerdeführers selbst dann nichts zu gewinnen, wenn feststünde, daß die vom Beschwerdeführer geschilderte Verfolgung durch die "FIS" vom Staat nicht verhindert werden könnte.

Wie oben dargestellt, hat der Beschwerdeführer - sowohl bei seiner Vernehmung im erstinstanzlichen Verfahren als auch in der Berufung - vorgebracht, als Zollwachebeamter von einer nur gegen alle Uniformträger gerichteten Verfolgung betroffen zu sein, wobei er aufgefordert worden sei, den Dienst zu quittieren.

Selbst wenn man diese behauptete Verfolgung rechtlich als "Gruppenverfolgung" (siehe zu diesem Begriff etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1994, Zl. 93/01/1449) aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Gründe qualifizierte, hätte sie nicht die für die Asylgewährung erforderliche Intensität. Es könnte nämlich vom Beschwerdeführer verlangt werden, sich dieser Verfolgung durch Quittierung seines Dienstes als Zollwachebeamter (mit Verbleib in seinem Heimatland) zu entziehen. Er wäre diesfalls nicht schlechter gestellt, als jemand, der aufgrund einer staatlichen Verfolgungsmaßnahme seinen Arbeitsplatz verliert. Der Verlust des Arbeitsplatzes reicht aber nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 17. Juni 1992, Zl. 91/01/0207, und vom 7. Oktober 1993, Zl. 93/01/0616) ohne massive Bedrohung der Lebensgrundlage - wofür sich im vorliegenden Fall weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus dem Inhalt der Verwaltungsakten ein Anhaltspunkt ergibt - für die Bejahung der Flüchtlingseigenschaft nicht aus.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995010305.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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