TE Lvwg Erkenntnis 2021/11/18 VGW-031/069/15462/2021

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Veröffentlicht am 18.11.2021
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Entscheidungsdatum

18.11.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ZustG §17 Abs1
ZustG §17 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag. Hillisch über die Beschwerde der Frau A. B. gegen den Zurückweisungsbescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 3.9.2021, Zl. VStV/.../2021, mit welchem der Einspruch vom 26.8.2021 gegen die Strafverfügung vom 2.6.2021 gemäß § 49 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG als verspätet zurückgewiesen wurde, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Zurückweisungsbescheid bestätigt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Angefochtener Bescheid, Beschwerde und Verfahrensgang

1.       Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch der Beschwerdeführerin vom 26. August 2021 gegen die Strafverfügung vom 2. Juni 2021, GZ: VStV/.../2021, als verspätet zurück.

Begründend wurde hierzu ausgeführt, dass die Strafverfügung am 9. Juni 2021 laut Zustellnachweis zugestellt worden sei; die zweiwöchige Einspruchsfrist habe daher am 9. Juni 2021 begonnen und am 23. Juni 2021 geendet. Der Einspruch sei – trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung – erst am 26. August 2021 eingebracht worden.

2.       In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin vor, dass sie "die Straftat" nicht begangen habe. Vorbringen zur Verspätung ihres Einspruchs erstattete sie nicht.

3.       Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien unter Anschluss des verwaltungsbehördlichen Akts vor.

II. Sachverhalt

1.       Die Strafverfügung vom 2. Juni 2021 enthielt eine richtige und vollständige Rechtsmittelbelehrung. Nach einem Zustellversuch am 8. Juni 2021 wurde der RSb-Brief, mit welchem die Strafverfügung übermittelt wurde, bei der Post-Geschäftsstelle XY Wien hinterlegt und dort ab 9. Juni 2021 zur Abholung bereitgehalten. Die Beschwerdeführerin holte den Brief am 11. Juni 2021 ab. Mit E-Mail vom 26. August 2021 erhob die Beschwerdeführerin Einspruch gegen die Strafverfügung vom 2. Juni 2021.

2.       Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt. Die Feststellung, dass die Strafverfügung vom 2. Juni 2021 ab 9. Juni 2021 in der Postfiliale XY für die Beschwerdeführerin hinterlegt wurde und von ihr am 11. Juni 2021 abgeholt wurde, ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, dem der Zustellnachweis inne liegt, und blieb überdies unbestritten.

III. Rechtliche Beurteilung

1.       Vorauszuschicken ist, dass im Falle der – hier vorliegenden – Zurückweisung eines Rechtsmittels (hier: Einspruch gegen eine Strafverfügung) Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Rechtsmittels ist. Das Verwaltungsgericht kann daher nicht über die zugrundeliegenden Verwaltungsübertretungen (hier: fünf Übertretungen nach § 38 Abs. 5 StVO iVm § 38 Abs. 1 lit. a StVO, eine Übertretung nach § 52 lit. b Z 15 StVO, eine Übertretung nach § 102 Abs. 1 iVm § 36 lit. a KFG, eine Übertretung nach § 36 lit. b KFG und eine Übertretung nach § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG) entscheiden (vgl. etwa VwGH 19.12.2018, Ra 2016/06/0063; 30.1.2019, Ro 2018/10/0045; uva.).

Gemäß § 17 Abs. 1 ZustG ist das Dokument zu hinterlegen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG gelten hinterlegte Dokumente mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Sie gelten nur dann nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.

Eine etwaige Abwesenheit von der Abgabestelle hat die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht. Die Strafverfügung vom 2. Juni 2021 wurde der Beschwerdeführerin daher am 9. Juni 2021 durch Hinterlegung zugestellt. Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist, die gemäß § 33 Abs. 4 AVG nicht erstreckbar ist, begann daher mit dem ersten Tag der Abholfrist, somit am Mittwoch, 9. Juni 2021, und endete am Mittwoch, 23. Juni 2021. Der gegenständliche, erst am 26. August 2021 eingebrachte Einspruch erweist sich somit als verspätet.

Ist der Einspruch gegen eine Strafverfügung verspätet, so ist die Strafverfügung mit Ablauf der Einspruchsfrist in Rechtskraft erwachsen und der Einspruch als verspätet eingebracht zurückzuweisen. Der Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, ist es daher untersagt, ein ordentliches Verfahren einzuleiten und auf das Einspruchsvorbringen einzugehen (vgl. VwGH 4.5.1988, 87/03/0218).

Aus diesem Grund war auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sie "die Straftat" nicht begangen habe, nicht weiter einzugehen. Die Zurückweisung des Einspruches mit dem angefochtenen Bescheid ist daher zu Recht erfolgt, die gegen den Zurückweisungsbescheid erhobene Beschwerde ist abzuweisen.

Im Hinblick darauf, dass der angefochtene Bescheid die entscheidungswesentlichen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben hat, schadet es im vorliegenden Fall auch nicht, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin vor Erlassung des Zurückweisungsbescheides die Verspätung ihres Einspruchs nicht im Wege des Parteiengehörs vorgehalten hat. Eine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erfolgte Verletzung des Parteiengehörs kann nämlich dann durch die mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden, wenn der damit bekämpfte Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben hat (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0104).

2.       Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 3 Z 4 VwGVG entfallen.

3.       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfasst der Begriff der "Verwaltungsstrafsache" iSd § 25a VwGG auch rein verfahrensrechtliche Entscheidungen (wie Zurückweisungen), die in einem Verwaltungsstrafverfahren ergehen (vgl. etwa VwGH 24.2.1993, 93/02/0016; VwGH 10.10.2014, Ra 2014/02/0093, ua). Daher ist § 25a Abs. 4 VwGG für die Zulässigkeit der Rechtsmittel auch im konkreten Zusammenhang relevant, in dem nur über die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Einspruchs gegen eine Strafverfügung zu entscheiden ist. Weil in der vorliegenden Verwaltungsstrafsache betreffend die Spruchpunkte 1. bis 6. der Strafverfügung vom 2. Juni 2021 jeweils eine Geldstrafe von bis zu € 726,– und keine (primäre) Freiheitsstrafe verhängt werden durfte, und lediglich Geldstrafen von höchstens € 140,– verhängt wurden, ist insoweit eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG iVm § 25a Abs. 4 VwGG) nicht zulässig. Im Übrigen ist die ordentliche Revision unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Hinterlegung; Abholfrist; Abwesenheit von der Abgabestelle; Parteiengehör; Verwaltungsstrafsache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.031.069.15462.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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