TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/22 95/14/0121

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Veröffentlicht am 22.05.1996
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §27 Abs1 Z4;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/14/0122

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde 1. der E R in W, und 2. des P R in W, beide vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide (Berufungsentscheidungen) 1. der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 20. Juli 1995, Zl. 14/19/1-BK/Hp-1995, und 2. der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat III) vom 20. Juli 1995, Zl. 14/20/1-BK/Hp-1995, betreffend Einkommensteuer 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Jeder der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind Ehegatten. Am 28. Jänner 1981 schlossen sie (als Kaufanwärter) mit der Gemeinnützigen Welser Heimstättengenossenschaft (im folgenden Genossenschaft) einen "Anwartschaftsvertrag". Aus diesem Vertrag ergibt sich, daß die Genossenschaft auf einer in ihrem Eigentum befindlichen Liegenschaft mit Hilfe eines Förderungsdarlehens des Landes Oberösterreich und Kapitalmarktdarlehen ein Einfamilienreihenhaus errichten werde. Der Kaufpreis für dieses Haus setze sich aus den Grundkosten samt Aufschließungs- und Grundstücksnebenkosten und den Baukosten zusammen. Sowohl die Grundkosten als auch die Baukosten könnten erst nach Bauendabrechnung nach den Richtlinien des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes endgültig festgesetzt werden. Die vorläufigen Grundkosten würden 249.724 S betragen und seien innerhalb von 30 Tagen nach Vertragsabschluß an die Genossenschaft zu überweisen. Unter Punkt IV. des Vertrages wurde festgehalten, daß die Genossenschaft zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt sei. Dies gelte insbesondere, wenn die Kaufanwärter mit den Eigenmitteln oder der monatlichen Nutzungsgebühr in Zahlungsverzug gerate, wenn die Förderungvoraussetzungen der Kaufanwärter wegfielen oder wenn sich die Bauausführung als unmöglich oder unzweckmäßig erweisen würden. In Punkt V. des Vertrages wurde festgehalten, daß nach Vorliegen der Endabrechnung und Erfüllung der Leistungen der Kaufanwärter ein "grundbuchsgültiger" Kaufvertrag errichtet werde.

Der vorläufige Grundkostenanteil von insgesamt 249.724 S wurde von den Beschwerdeführern einbezahlt.

Mit Schreiben vom 13. September 1990 teilte die Genossenschaft dem Zweitbeschwerdeführer mit, bei Auflösung des Anwartschaftsvertrages würde dieser abgerechnet und die einbezahlte Summe (249.724 S) zuzüglich Zinsen zurückbezahlt.

Mit Schreiben vom 6. Februar 1991 teilte die Genossenschaft dem Zweitbeschwerdeführer mit, es sei zwar geplant gewesen, ein Reihenhaus unter Zuhilfenahme von Förderungsmitteln zu errichten; durch verschiedene Einflüsse, nicht zuletzt durch die gravierende Veränderung der Reihenhausförderung im Jahr 1989, sei die Gesamtanlage in der geplanten Form nicht mehr durchführbar. Die Genossenschaft erkläre daher unter Hinweis auf Punkt IV. des Anwartschaftsvertrages den Rücktritt von diesem Vertrag. Die Genossenschaft werde die von den Beschwerdeführern geleistete Zahlung zuzüglich einer Verzinsung wie folgt abrechnen und je zur Hälfte an die Erstbeschwerdeführerin und an den Zweitbeschwerdeführer auszahlen:

"Geleistete Grundzahlung                  249.724,-- S

Verzinsung                               121.491,-- S

Summe                                    371.215,-- S"

Sowohl bei Festsetzung der Einkommensteuer für 1991 gegenüber der Erstbeschwerdeführerin als auch bei Festsetzung der entsprechenden Einkommensteuer gegenüber dem Zweitbeschwerdeführer setzte das Finanzamt aufgrund dieser Zahlung der Genossenschaft (zusätzliche) Einkünfte aus Kapitalvermögen von ca. 60.000 S an.

Die Beschwerdeführer brachten im wesentlichen wortgleiche Berufungen gegen die Bescheide ein. Sie beantragten, daß die Zahlung der Genossenschaft nicht zu den Einkünften gerechnet werde. Sie führten aus, mit Unterfertigung des Anwartschaftsvertrages und Einzahlung des Grundkostenanteiles hätten sie das Recht auf Errichtung eines Reihenhauses durch die Genossenschaft erworben. Nach Ablauf von mehr als zehn Jahren sei auf dieses Recht verzichtet worden, weshalb die Rückzahlung von insgesamt 371.215 S erfolgt sei. Diese Rückzahlung könne nicht zu Einkünften im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen führen, weil es sich nicht um Zinsen aus Darlehen, Anleihen, Einlagen oder Guthaben bei Banken handle. Da auf ein Recht verzichtet worden und die Spekulationfrist abgelaufen gewesen sei, lägen keine steuerpflichtigen Einnahmen vor. Sollte man dieser Auffassung nicht folgen, lägen eventuell Einkünfte iSd § 32 Z. 1 lit. b EStG vor, die gemäß § 37 Abs. 2 Z. 4 EStG dem ermäßigten Steuersatz unterlägen.

In der Berufungsverhandlung erklärten die Beschwerdeführer, ein Anwartschaftsvertrag würde die Kaufanwärter nur berechtigen, in Zukunft einen Kaufvertrag abzuschließen. Nach den Vertragsbestimmungen sei die Genossenschaft nur bei Zahlungsverzug, bei Fehlen der Förderungsvoraussetzungen oder im Falle der Unmöglichkeit oder Unzweckmäßigkeit der Bauausführung zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt gewesen. Da keiner dieser Punkte vorgelegen sei, sei die Genossenschaft nicht zum Rücktritt berechtigt gewesen. Infolge der Androhung einer Klage sei es zur Einigung gekommen und habe sich die Genossenschaft zu einer Abschlagszahlung verpflichtet. Der Verzicht auf einen Rechtsanspruch gegen Abfindung unterliege aber nicht der Steuerpflicht. Auf die Frage, wie die Differenz zwischen dem seinerzeit eingezahlten und dem rückgezahlten Betrag ermittelt worden sei, brachten die Beschwerdeführer vor, die Genossenschaft habe irgendeinen Prozentsatz angenommen, über den dann wochenlang verhandelt worden sei. Wie der Prozentsatz ermittelt worden sei, sei den Beschwerdeführern nicht bekannt.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Erstbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Zweitbeschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wird in den Bescheiden im wesentlichen wortgleich ausgeführt, gemäß § 17 Abs. 6 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes seien im Falle der Vertragsauflösung geleistete Zahlungen zurückzuerstatten und mit dem Eckzinssatz zu verzinsen. Das geplante Bauprojekt sei im gegenständlichen Fall nicht verwirklicht worden, weshalb die Genossenschaft gesetzlich verpflichtet gewesen sei, den Grundkostenanteil verzinst zurückzuzahlen. Da die Anwartschaft "verlorenging", hätten die Beschwerdeführer Anspruch auf Auszahlung des Grundkostenanteiles samt den gesetzlich vorgeschriebenen Zinsen gehabt. Die Zinsen seien als Entgelt für die Überlassung der Nutzung des Geldkapitals anzusehen. Der ausbezahlten Zinsenbetrag entspreche einer jährlichen Verzinsung von 5%. Der Tatbestand des § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988 erfasse grundsätzlich sämtliche Zinsen (aus Kapitalforderungen) als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Zinsen seien keinesfalls Entschädigungen iSd § 32 Z. 1 lit. b EStG, weil weder eine Tätigkeit noch eine Anwartschaft auf Gewinnbeteiligung aufgegeben worden sei.

Gegen diese Bescheide wenden sich die vorliegenden, im wesentlichen inhaltsgleichen Beschwerden. In den Beschwerden wird vorgetragen, die Auffassung der belangten Behörde, daß eine Kapitalforderung (in Höhe von 249.724 S) gegenüber der Genossenschaft bestanden habe, sei unrichtig; es sei nämlich ein Anwartschaftsvertrag und nicht ein Darlehensvertrag abgeschlossen worden. Von diesem Vertrag habe die Genossenschaft nur bei Vorliegen bestimmter Gründe zurücktreten können; diese Gründe seien nicht vorgelegen. Um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden, habe die Genossenschaft daher einer einvernehmlichen Einigung zustimmen müssen, im Rahmen derer eine Entschädigungssumme für die Beschwerdeführer vereinbart worden sei. Es sei ein Verzicht auf die Rechte aus dem Anwartschaftsvertrag vorgelegen. Dieser führe nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen, sondern stelle wirtschaftlich die Veräußerung von Privatvermögen dar. Im übrigen wird in den Beschwerden gerügt, daß die angefochtenen Bescheide den Grundkostenanteil statt mit 249.724 S mit 294.724 S beziffern.

Die belangte Behörde erstattete in jedem der Beschwerdeverfahren eine Gegenschrift und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden erwogen:

Zinsen und andere Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, zum Beispiel aus Darlehen, Anleihen, Einlagen, Guthaben bei Banken und aus Ergänzungskapital im Sinne des Kreditwesengesetzes oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes sind gemäß § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988, sofern sie nicht zu den Einkünften des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 4 leg. cit. gehören, Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des Punktes IV. des Anwartschaftsvertrages vom 28. Jänner 1981 stand der Genossenschaft ein uneingeschränktes Rücktrittsrecht zu und ist die Aufzählung der in diesem Punkt genannten Rücktrittsfälle bloß demonstrativ. Im Hinblick auf dieses uneingeschränkte Rücktrittsrecht traf die Genossenschaft die alternative Verpflichtung, entweder die nicht in Geld ausgedrückte Leistung zu erbringen - sei es die Lieferung des Kaufgegenstandes oder sei es erst der Abschluß des Kaufvertrages - oder den eingezahlten Kaufpreisanteil zurückzuzahlen. Bei dieser Vertragslage sieht es der Verwaltungsgerichtshof als das Ergebnis schlüssiger Beweiswürdigung an, wenn die belangte Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon ausgegangen ist, die strittige Zahlung stelle kein Entgelt für die Aufgabe des Rechtes auf Lieferung der Liegenschaft an die Beschwerdeführer sondern Zins für den eingezahlten Kaufpreisanteil dar, zumal die Genossenschaft in ihren Schreiben vom 13. September 1990 und vom 6. Februar 1991 von "Zinsen" bzw von "Verzinsung" spricht.

Die Genossenschaft hat sich im Rahmen des bestehenden Vertragsverhältnisses zur Rückzahlung des Kaufpreisanteiles entschlossen. Diese Alternativschuld der Genossenschaft stellt auf seiten der Beschwerdeführer als Gläubiger eine Kapitalforderung dar. Daß die belangte Behörde die Zinsen, die aufgrund dieser Kapitalforderung an die Beschwerdeführer - aus welchem Rechtsgrund immer - gezahlt worden sind, als Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988 qualifiziert hat, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig erkennen.

Es trifft zu, daß die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden den Grundkostenanteil - offensichtlich aufgrund eines Ziffernsturzes - mit 294.724 S angegeben hat. Dieser Umstand hatte jedoch auf den Spruch der angefochtenen Bescheide keine Auswirkung. Mit den auf Abweisung der Berufung lautenden angefochtenen Bescheiden wurde der Inhalt der erstinstanzlichen Bescheide übernommen, denen die Berechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen auf der Basis des Grundkostenanteiles von 249.724 S zugrundelag; gegen die betragsmäßige Höhe der Einkünfte haben sich die Beschwerdeführer aber in ihrer Berufung nicht gewendet. Auch in den Beschwerden werden die strittigen Einkünfte nicht der Höhe nach bekämpft.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide im Rahmen des Beschwerdepunktes nicht in ihren Rechten verletzt worden sind. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995140121.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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