TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/19 LVwG-701101/3/ER/SW

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.01.2022
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.01.2022

Norm

IntG §23 Abs3
VStG §27 Abs1
VStG §29a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seine Richterin Dr. Reitter über die Beschwerde der E D, B, E, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 9. Juni 2021, GZ: BHLL/921100045555/21, wegen Übertretung des Integrationsgesetzes (IntG)

zu Recht:

I.     Aus Anlass der Beschwerde wird das angefochtene Straferkenntnis wegen örtlicher Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

II.    Gegen diese Entscheidung ist eine Revision unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) vom 9. Juni 2021, GZ: BHLL/921100045555/21, wurde über die nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) eine Verwaltungsstrafe iHv EUR 120,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag und 16 Stunden) gemäß § 23 Abs 3 IntG wie folgt verhängt:

„Datum/Zeit: 21.04.2021

Ort:       W, B, Sprachinstitut ‘x GmbH’

Sie, als Drittstaatsangehörige (Staatsangehörigkeit: Türkei) im Sinne des § 2 Abs 1 Zif 6 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), haben am 21.04.2021 im Weiterbildungszentrum ‘x GmbH’ in W, B bei der Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung nicht erlaubte Hilfsmittel verwendet, da Sie einen vorgefertigten Brieftext bei sich hatten.“

Begründend führte die belangte Behörde – soweit für den vorliegenden Fall relevant – aus, dass aufgrund einer Mitteilung des Österreichischen Integrationsfonds vom 4. Mai 2021 bekannt geworden sei, dass die Bf die angeführte Verwaltungsübertretung begangen habe.

I.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf mit Schreiben vom 28. Juni 2021 rechtzeitig Beschwerde.

Begründend führte die Bf aus, dass sie für die Vorbereitung für die Deutschprüfung A 2 zuhause kleine Notizzettel verwendet habe, weil sie durch Lesen und Schreiben besser lernen könne. Wegen des Prüfungsstresses habe sie die Notizzettel auf dem Tisch vergessen, weil sie vor der Prüfung nochmal alles durchgelesen habe. Die Notizzettel hätten mit dem Prüfungsinhalt nichts zu tun gehabt. Es sei keine Schummelabsicht, sondern nur reine Vergesslichkeit und Unaufmerksamkeit gewesen. Die Bf beziehe Notstandshilfe iHv täglich EUR 30,00 und habe ein Kind.

I.3. Mit Schreiben vom 1. Juli 2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen.

I.4. Auf telefonische Nachfrage des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich am 17. Jänner 2022 erteilte die belangte Behörde ua die Auskunft, dass das bei ihr abgeführte Strafverfahren zu keinem Zeitpunkt bei einer anderen Behörde anhängig war und es auch keine Abtretung gibt.

I.5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Beschwerde, den bezughabenden Verwaltungsstrafakt und durch die telefonische Auskunft der belangten Behörde (bzw den dazu angefertigten Aktenvermerk). Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 44 Abs 2 VwGVG entfallen.

I.6. Es steht folgender entscheidungsrelevanter S a c h v e r h a l t fest:

Die Bf – wohnhaft in E, B – hat am 21. April 2021 im Sprachinstitut „x GmbH“ per Anschrift W, B an der Integrationsprüfung zur Erfüllung des Modul 1 teilgenommen. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 9. Juni 2021, GZ: BHLL/921100045555/21, wurde über die Bf eine Verwaltungsstrafe gemäß § 23 Abs 3 IntG verhängt, da sie bei dieser Integrationsprüfung nicht erlaubte Hilfsmittel verwendet habe. Eine Übertragung der ggst Verwaltungsstrafsache an die belangte Behörde gemäß § 29a VStG liegt nicht vor.

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich nachvollziehbar aus der Beschwerde, dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt und dem Aktenvermerk bezüglich des Telefonats mit der belangten Behörde (vgl I.4.). Insbesondere ist dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt keine Übertragung der ggst Verwaltungsstrafsache an die belangte Behörde gemäß § 29a VStG zu entnehmen. Dass es keine Delegierung im ggst Fall gibt, wurde zudem telefonisch von der belangten Behörde bestätigt.

III. Das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz – IntG), BGBl I 68/2017 idF BGBl I 42/2020, lautet auszugsweise:

„Strafbestimmungen

§ 23. (1) [...]

(3) Wer bei der Integrationsprüfung nicht erlaubte Hilfsmittel verwendet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 1 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen.

(4) [...]

(5) Strafbehörde in den Fällen der Abs. 1 bis 4 ist die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde.“

IV. In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:

Einleitend ist festzuhalten, dass keine Beschränkung der Prüf- und Entscheidungsbefugnis des erkennenden Gerichts bei einer zulässigen Beschwerde besteht, wenn es um Fragen der Zuständigkeit geht (vgl VwGH 27.3.2018, Ra 2015/06/0072). Die Unzuständigkeit ist von Amts wegen und unabhängig davon aufzugreifen, ob die Partei die Unzuständigkeit geltend gemacht hat (vgl VwGH 29.09.2016, Ra 2016/05/0080).

IV.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 9. Juni 2021, GZ: BHLL/921100045555/21, wurde über die Bf eine Verwaltungsstrafe gemäß § 23 Abs 3 IntG verhängt, da sie am 21. April 2021 bei der Integrationsprüfung zur Erfüllung des Modul 1 nicht erlaubte Hilfsmittel verwendet habe.

Gemäß § 23 Abs 3 IntG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer bei der Integrationsprüfung nicht erlaubte Hilfsmittel verwendet und ist mit Geldstrafe bis zu EUR 1.000, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen.

Gemäß § 23 Abs 5 IntG ist Strafbehörde in den Fällen der Abs 1 bis 4 die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde.

Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich gemäß § 27 Abs 1 VStG aus dem Tatort. Tatort ist in Bezug auf § 23 Abs 3 IntG der Prüfungsort (vgl Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 23 Integrationsgesetz Anm 1 [Stand 1.12.2017, rdb.at]).

Der Prüfungsort war im vorliegenden Fall das Sprachinstitut „x GmbH“ per Anschrift W, B. Zumal Wels eine Statutarstadt ist, ist daraus zu folgern, dass nach den angeführten Zuständigkeitsregelungen (§ 23 Abs 5 IntG iVm § 27 VStG) im ggst Fall der Bürgermeister der Stadt Wels (Art 116 Abs 3 B-VG iVm Art 119 Abs 2 B-VG iVm § 50 Abs 1 Statut der Stadt Wels) die sachlich und örtlich zuständige Strafbehörde ist.

IV.2. Mangels Vorliegen einer Übertragung der ggst Verwaltungsstrafsache an die belangte Behörde gemäß § 29a VStG kann keine Zuständigkeit der belangten Behörde (als Hauptwohnsitzbehörde der Bf) zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses erkannt werden.

IV.3. Ohne nähere Befassung mit dem vorgetragenen Beschwerdevorbringen war sohin das ggst Straferkenntnis wegen örtlicher Unzuständigkeit der belangten Behörde zu beheben und spruchgemäß zu entscheiden (vgl auch VwGH 17.9.2021, Ra 2021/02/0175, wonach, sofern eine unzuständige Behörde entschieden hat, das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und diese Entscheidung – lediglich – zu beheben hat).

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da die Entscheidung nicht von der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und ansonsten die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist (vgl zu Letzterem VwGH 27.11.2018, Ra 2018/08/0225).

Schlagworte

Aufhebung; örtliche Unzuständigkeit; Integrationsprüfung; Prüfungsort

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2022:LVwG.701101.3.ER.SW

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten