TE OGH 2022/3/9 15Os21/22k

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Veröffentlicht am 09.03.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Nordmeyer und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Mag. Wagner als Schriftführerin in der Strafsache gegen * S* wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 17 U 175/20d des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 16. September 2021, GZ 17 U 175/20d-27, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, und des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

In der Straf-(vollzugs-)sache des * S* verletzt der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 16. September 2021, GZ 17 U 175/20d-27, § 156d Abs 1 iVm §§ 156b Abs 4 und 99 StVG.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien aufgetragen, den Antrag des Verurteilten auf Haftunterbrechung (ON 26) der Justizanstalt Simmering zur Entscheidung zuzuleiten.

Text

Gründe:

[1]       Mit rechtskräftigem und gekürzt ausgefertigtem Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 29. September 2020, GZ 17 U 175/20d-11, wurde der am 5. März 2001 geborene * S* mehrerer Vergehen schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt.

[2]       Gleichzeitig widerrief das erkennende Gericht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die zu zwei früheren Verfahren jeweils gewährte und Freiheitsstrafen von fünf und zwei Monaten betreffende bedingte Strafnachsicht (ON 9 und ON 11 S 5).

[3]       Nachdem die Aufforderung zum Strafantritt dem Verurteilten am 21. Oktober 2020 zugestellt worden war (ON 13 Anhang), stellte dieser am 18. November 2020 einen Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest gemäß §§ 156b ff StVG, der – nach mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 24. November 2020 verfügter vorläufiger Hemmung der Anordnung des Strafvollzugs (ON 16) – in der Folge bewilligt wurde (vgl ON 18, 20, 21, 22).

[4]       Im April 2021 stellte der Genannte unter Hinweis auf die für ihn zwischenzeitlich entstandene Möglichkeit, eine Facharbeiterausbildung zu absolvieren, ferner einen Antrag auf Haftaufschub gemäß § 52 JGG (ON 18).

[5]       Diesen Antrag wies das Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit Beschluss vom 26. Mai 2021 (hinsichtlich der mit Urteil dieses Gerichts vom 29. September 2020 verhängten Freiheitsstrafe von acht Monaten) ab (ON 19), woraufhin der Verurteilte am 10. Juni 2021 die Strafe(n) antrat (ON 20, 21, 22).

[6]       Hinsichtlich der zufolge Widerrufs der bedingten Strafnachsichten zu verbüßenden Freiheitsstrafen wurde der Antrag auf Haftaufschub mit Beschluss vom 25. Juni 2021 abgewiesen (ON 23).

[7]       Am 6. September 2021 stellte der im Strafvollzug (im elektronisch überwachten Hausarrest) befindliche Verurteilte beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien einen Antrag auf Haftunterbrechung (durch Abnahme seiner elektronischen Fußfessel) für den dreijährigen Ausbildungszeitraum (ON 26).

[8]       Diesen Antrag wies das Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit – unbekämpft gebliebenem – Beschluss vom 16. September 2021 ab (ON 27).

Rechtliche Beurteilung

[9]       Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht der erwähnte Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 16. September 2021 (ON 27) mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[10]     Während die Anordnung des Vollzugs und die Entscheidungen über einen Aufschub des Strafvollzugs nach §§ 4 bis 6 StVG dem Vorsitzenden (bzw Einzelrichter) des erkennenden Gerichts zustehen (§ 7 Abs 1 StVG), kommt die Entscheidung über eine Unterbrechung einer Freiheitsstrafe dem Anstaltsleiter zu (§ 99 Abs 5 StVG). Gleiches gilt im Fall einer Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest (§ 156d Abs 1 iVm §§ 156b Abs 4 und 99 StVG).

[11]     Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien war demnach für die Entscheidung über den Antrag des Verurteilten auf Unterbrechung der Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest nicht zuständig.

[12]     Sein dennoch gefasster Beschluss vom 16. September 2021 greift in Verletzung der diesbezüglichen Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes und im Widerspruch zu dem in Art 94 B-VG verankerten Grundsatz der Trennung der Gerichtsbarkeit von der Verwaltung in die dem Anstaltsleiter zugewiesene Kompetenz ein.

[13]           Schon weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser – infolge fehlender gerichtlicher Entscheidungskompetenz – das Gesetz verletzende Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien dem Verurteilten zum Nachteil gereicht – war er gemäß § 292 letzter Satz StPO zu beseitigen (vgl 12 Os 100/08k; vgl auch RIS-Justiz RS0116267).

Textnummer

E134671

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00021.22K.0309.000

Im RIS seit

10.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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