TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/23 96/07/0031

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Veröffentlicht am 23.05.1996
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Index

L66503 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Niederösterreich;
80/06 Bodenreform;

Norm

FlVfGG §39;
FlVfGG §4 Abs2;
FlVfGG §40;
FlVfGG §41;
FlVfLG NÖ 1975 §101 Abs1;
FlVfLG NÖ 1975 §101 Abs3;
FlVfLG NÖ 1975 §101;
FlVfLG NÖ 1975 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der J in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Obersten Agrarsenates vom 6. Dezember 1995, Zl. 710.806/04-OAS/95, betreffend Zusammenlegungsverfahren K II, Zusammenlegungsplan, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 12. Februar 1987 erließ die Niederösterreichische Agrarbezirksbehörde (ABB) den Zusammenlegungsplan K. II. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung (LAS) vom 19. April 1988 dahingehend abgeändert, daß im nordöstlichen Teil des Abfindungsgrundstückes Nr. 1223 wegen ständig wiederkehrender Verschlämmung eine 300 m2 große Fläche um 37 Punkte abgewertet wurde; im übrigen wurde jedoch die Berufung abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Obersten Agrarsenates (OAS) vom 5. Oktober 1988 als unbegründet abgewiesen.

Mit hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1989, Zl. 88/07/0139, wurde der von der Beschwerdeführerin angefochtene Bescheid des OAS wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes deshalb aufgehoben, da bei der Abfindung der Beschwerdeführerin eine deutliche Bonitätsverschiebung in schlechtere Klassen erfolgt ist. Der OAS habe daher hinsichtlich der Zuteilung von Grundstücken "tunlichst gleicher Beschaffenheit" an die Beschwerdeführerin die Rechtslage verkannt, zumal ein gleicher wirtschaftlicher Erfolg in der Regel nur bei einem vermehrten Einsatz an Arbeitskraft, Zeit und finanziellen Mitteln zu erreichen sei.

Mit Bescheid vom 4. April 1990 gab hierauf der OAS der Berufung der Beschwerdeführerin Folge, behob den bekämpften Bescheid des LAS vom 19. April 1988 und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die ABB zurück. Die ABB erließ in der Folge mit Bescheid vom 12. September 1991 hinsichtlich der Grundabfindungen der Beschwerdeführerin und anderer betroffener Parteien neuerlich den Zusammenlegungsplan K. II, in welchem u.a. bezüglich der Abfindung der Beschwerdeführerin die erste Bonitätsklasse gegenüber dem bisherigen Zusammenlegungsplan um etwas über 82 a vergrößert wurde; die Anzahl der Abfindungsgrundstücke erhöhte sich jedoch von zwei auf drei.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Im Zuge des Verfahrens vor dem LAS gab die Beschwerdeführerin in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 3. Jänner 1995 folgende Erklärung ab:

"Ich bin nunmehr bereit, die ursprünglich mit Bescheid vom 12.2.1987 festgelegte Zusammenlegung zu akzeptieren.

...

Diese Zusammenlegung entspricht dem derzeitigen Besitzstand und

derzeitigen Bewirtschaftung.

...

Ich bin daher bereit, eine Regelung zu akzeptieren, bei der vom ursprünglichen Zusammenlegungsplan vom 12.2.1987 ausgegangen wird."

In der vom LAS am 17. Jänner 1995 durchgeführten mündlichen Verhandlung gab der Vertreter der Beschwerdeführerin die Erklärung ab, daß die Beschwerdeführerin "jetzt jene Lösung akzeptieren (wolle), die bereits im ursprünglichen Zusammenlegungsplan erlassen wurde".

Mit Bescheid des LAS vom 4. April 1995 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin "stattgegeben und der angefochtene Zusammenlegungsplan gemäß den einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Beilagen A bis H abgeändert". Aus Beilage H ergibt sich, daß die Grundabfindung der Beschwerdeführerin nunmehr dem Bescheid der ABB vom 12. Februar 1987 in der Fassung des Bescheides des LAS vom 19. April 1988 entspricht.

In der dagegen erhobenen Berufung vom 19. Mai 1995 führt die Beschwerdeführerin aus, die Neuzuteilung sei so erfolgt, daß genau der Zustand wieder hergestellt worden sei, wie er vor dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1989 bestanden habe. Es werde der OAS "um eine, dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes entsprechende Lösung" ersucht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 101 des Niederösterreichischen Flurverfassungslandesgesetzes (FLG) dürften die während des Verfahrens vor oder gegenüber der Agrarbehörde abgegebenen Erklärungen und die mit Genehmigung der Agrarbehörde abgeschlossenen Vergleiche nur mit Zustimmung der Agrarbehörde widerrufen werden und seien auch für die Rechtsnachfolger bindend. Die Beschwerdeführerin habe wiederholt eine Erklärung abgegeben, wonach sie mit der Wiederzuteilung der Flächen wie im ursprünglichen Zusammenlegungsplan vorgesehen und in der Natur noch gegeben einverstanden sei. Eine Bedingung sei an diese Erklärung nicht geknüpft. Daraus sei ableitbar, daß sich die Beschwerdeführerin ausdrücklich mit der ursprünglichen Abfindung einverstanden erklärt habe. Durch diese Zustimmungserklärung sei die Beschwerdeführerin durch die getroffene Lösung nicht mehr beschwert. Die rechtsgestaltende Erklärung der Beschwerdeführerin binde auch die Behörde. Eine agrarbehördliche Zustimmung zum Widerruf der Zustimmungserklärung sei nicht erteilt worden. Die Bindungswirkung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1989 bestehe auf Grund der nunmehr geänderten Sach- und Rechtslage nicht mehr.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Zuerkennung einer gesetzmäßigen Abfindung verletzt. Sie habe eine pauschale Zustimmungserklärung zur ursprünglichen Aufteilung nicht abgegeben. Trotz ihrer Erklärung habe sie eine durchaus geeignete Abfindungsmaßnahme erwartet; sie habe nur die weitere Aufsplitterung der Abfindungsgrundstücke verhindern wollen. Aus der Formulierung ihrer Stellungnahme vom 3. Jänner 1995 gehe hervor, daß sie den Zusammenlegungsplan vom 12. Februar 1987 nicht pauschal akzeptiert habe, sondern eine Regelung erwartet habe, welche zwar von der grundsätzlichen Zuteilung des Zusammenlegungsplanes aus dem Jahre 1987 ausgehe, aber doch eine inhaltliche Verbesserung gegenüber diesem darstelle. Aus den verwendeten Formulierungen gehe hinreichend hervor, daß die Beschwerdeführerin unter Zugrundelegung des seinerzeitigen Planes weitere Vorschläge erwartet habe, und es lasse sich daraus ableiten, daß der Zusammenlegungsplan nur als ein Fixpunkt einer Regelung angesehen werde, daß aber die Gesamtregelung für die Beschwerdeführerin nach wie vor offen gewesen sei. Dies ergebe sich in weiterer Folge eindeutig aus den folgenden Eingaben und Stellungnahmen. Es müsse nicht zwangsläufig die für die Beschwerdeführerin ungünstigste Interpretation vorgenommen werden. Durch die irrige Annahme einer so nicht zustandegekommenen Prozeßerklärung hätten sich die belangte Behörde und der LAS der Möglichkeit begeben, ein gesetzeskonformes Erkenntnis zu erlassen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 101 Abs. 1 FLG 1. Satz bedürfen die während des Verfahrens vor der Agrarbehörde oder gegenüber der Agrarbehörde abgegebenen Erklärungen und die mit Genehmigung der Agrarbehörde abgeschlossenen Vergleiche keiner Genehmigung durch andere Behörden und dürfen nur mit Zustimmung der Agrarbehörde widerrufen werden.

Unter "Erklärungen" im Sinne des § 101 Abs. 1 FLG sind solche zu verstehen, die rechtsgestaltende Wirkung haben (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, Zl. 90/07/0135, zur gleichlautenden Bestimmung des § 90 Oö FLG). § 101 FLG räumt den Parteien im Rahmen des Zusammenlegungsverfahrens rechtserhebliche Erklärungsbefugnisse mit rechtsgestaltender Wirkung bezüglich der durch das FLG eingeräumten Rechtsansprüche, insbesondere den Abfindungsanspruch, ein. Der Partei eines Zusammenlegungsverfahrens kommt daher bezüglich ihres Abfindungsanspruches eine Dispositionsbefugnis zu, welche sie durch eine mit rechtsgestaltender Wirkung ausgestatteten Erklärung im Sinne des § 101 FLG ausüben kann. Allein der Partei obliegt in Ausübung ihres Erklärungsrechtes die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 11. März 1980, Slg. Nr. 10063/A). Die Bindung der Partei an eine abgegebene Erklärung wird durch § 101 FLG ausdrücklich festgeschrieben, da ein Widerruf nur mit Zustimmung der Agrarbehörde erfolgen kann.

Aus der von der Beschwerdeführerin in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 3. Jänner 1995 dem LAS als Berufungsbehörde gegenüber abgegebenen Erklärung ergibt sich zweifelsfrei, daß sie eine Abfindung - wie bereits im Bescheid der ABB vom 12. Februar 1987 zuerkannt - "akzeptiere". Diese Erklärung hat die Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor dem LAS am 17. Jänner 1995 wiederholt. Aus welchen Gründen diese Erklärungen abgegeben worden sind, ist für deren Wirkung unerheblich. Mit der Abgabe derselben vor und gegenüber der Agrarbehörde wurden sie verbindlich. Daß sie ihre Erklärungen widerrufen wollte, wird von der Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet, vielmehr möchte sie diesen einen anderen - durch deren Wortlaut aber nicht gedeckten - Erklärungsinhalt beimessen.

Mit ihren gegenüber dem LAS abgegebenen, hier zu beurteilenden Erklärungen im Sinne des § 101 Abs. 1 FLG hat also die Beschwerdeführerin in für sie bindender Weise über ihr vom Gesetz eingeräumte Rechtsansprüche zulässig disponiert, weshalb die Agrarbehörden nicht mehr gehalten waren, die im § 17 FLG normierten Voraussetzungen für eine Abfindung im Zusammenlegungsverfahren bezüglich der Beschwerdeführerin weiter zu prüfen. Die Beschwerdeführerin wurde somit durch die Zuerkennung der von ihr als gesetzmäßig aktzeptierten Abfindung nicht in dem von ihr vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemachten subjektiven Recht verletzt.

Die unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996070031.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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