TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/23 95/18/0027

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Veröffentlicht am 23.05.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. September 1994, Zl. SD 776/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. September 1994 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er "in Serbien" gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Der Beschwerdeführer habe keinerlei konkrete Angaben machen können, die seine persönliche Verfolgung im Sinne des § 37 FrG glaubhaft machen könnten. Er habe lediglich ausgeführt, im Jahre 1980 albanischsprachige Bücher über Mathematik und Elektrotechnik in sein Heimatland eingeführt zu haben und deshalb verfolgt zu werden. Dieses Delikt sei mit mehrjähriger Haftstrafe bedroht. Es sei darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer nach seinen Angaben nie inhaftiert worden sei. Sein Vorbringen, er wäre mehrmals verhört worden und bei einem dieser Verhöre auch geschlagen worden, sei nicht geeignet, seine persönliche Bedrohung im Sinne des § 37 FrG zu untermauern. Einerseits seien derartige Übergriffe als selbständige Handlungen von Einzelpersonen und nicht als staatliche Verfolgungshandlungen anzusehen, andererseits müsse die Gefahr der Verfolgung oder Bedrohung aktuell sein, also im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen. Da die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse etwa zehn Jahre zurücklägen, könne von einer aktuellen Verfolgungsgefahr nicht mehr gesprochen werden. Dies ergebe sich schon allein daraus, daß dem Beschwerdeführer - wie er behaupte - zwar im Jahre 1980 der Reisepaß entzogen worden sei, ihm aber im Jahre 1990 wieder ein Reisepaß ausgestellt worden sei. Die hiefür vom Beschwerdeführer angebotene Erklärung, die Ausstellung des Reisepasses wäre lediglich darauf zurückzuführen, daß der in der Paßstelle eingesetzte Bedienstete noch nicht "eingearbeitet" gewesen wäre, widerspreche jeglicher Lebenserfahrung und entbehre daher der Glaubwürdigkeit. Darüberhinaus sei es dem Beschwerdeführer offenbar gelungen, mit dem neuen Reisepaß sein Heimatland auf legalem Weg zu verlassen, ohne in irgendeiner Weise behelligt zu werden. Im Falle der Verfolgungsabsicht durch staatliche Behörden hätte er aber die Grenzkontrolle wohl nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten überwinden können. Bemerkenswert erscheine in diesem Zusammenhang auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer, dessen Familie (Ehegattin und zwei Kinder) nach wie vor im ehemaligen Jugoslawien lebten, bisher in Österreich noch keinen Asylantrag gestellt habe. Hätte er tatsächlich eine Verfolgung durch staatliche Behörden zu befürchten gehabt, wäre es naheliegend gewesen, unmittelbar nach der Einreise nach Österreich einen Asylantrag zu stellen. Die Erstbehörde sei daher zu Recht davon ausgegangen, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme gegeben seien, der Beschwerdeführer sei im Staatsgebiet der jugoslawischen Föderation gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todestrafe unterworfen zu werden.

Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention der Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Falle der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. April 1996, Zl. 94/18/1074, m.w.N.).

3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, es sei ihm nicht gelungen, seine konkrete Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG in der jugoslawischen Föderation glaubhaft zu machen. Eine derartige Bedrohung ergebe sich schon aus der Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe, welche im Kosovo einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sei. Die Umstände, daß er nie inhaftiert worden sei und die vorgebrachten konkreten Verfolgungshandlungen - die keineswegs nur von Einzelpersonen ausgegangen seien - schon etwa zehn Jahre zurücklägen, sprächen nicht dagegen. Die Tatsache, daß ihm im Jahre 1990 ein Reisepaß ausgestellt worden sei, sei nur auf mangelnde Routine des für die Paßausstellung zuständigen Beamten zurückzuführen. Die legale Ausreise von Albanern läge im Interesse der Behörden und sei daher gestattet worden. Einen Asylantrag habe er deshalb nicht gestellt, weil er sich in Österreich legal bei seinem Bruder aufgehalten habe und ein derartiger Antrag für ihn daher nicht notwendig gewesen sei.

3.2. Gegen die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe eine aktuelle Gefährdung und/oder Bedrohung seiner Person im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht glaubhaft gemacht, hegt der Verwaltungsgerichtshof jedoch keine Bedenken.

Das Vorbringen betreffend die Abnahme des Reisepasses im Jahre 1981 (die der Aussage des Beschwerdeführers widersprechende Annahme der belangten Behörde, der Paß sei bereits im Jahre 1980 abgenommen worden, ist für die hier zu lösenden Fragen nicht relevant) und die Mißhandlungen anläßlich der kurz danach erfolgten erstmaligen polizeilichen Befragung - auch wenn es sich hiebei nicht um Übergriffe von Einzelpersonen gehandelt haben sollte - ist aufgrund des bis zur Ausreise des Beschwerdeführers im Jahre 1990 und des seither verstrichenen Zeitraumes nicht geeignet, eine aktuelle Bedrohungssituation darzutun. An konkreten Verfolgungshandlungen im Zeitraum bis zu seiner Ausreise brachte der Beschwerdeführer lediglich vor, er habe sich in regelmäßigen (größer werdenden) Abständen bei der Polizei melden müssen, wobei er nicht mehr mißhandelt worden sei. Bei der bloßen Verpflichtung zur regelmäßigen Meldung bei der Polizei handelt es sich jedoch um keine Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG.

Als weiteres Indiz für das Nichtbestehen einer Verfolgungssituation hat die belangte Behörde zu Recht gewertet, daß dem Beschwerdeführer im Jahre 1990 (über seinen Antrag) ein neuer Reisepaß ausgestellt wurde, er mit diesem Paß legal ausreiste und in Österreich keinen Asylantrag stellte.

Selbst wenn die Ausstellung des Passes tatsächlich nur auf die Unerfahrenheit eines Beamten zurückzuführen sein sollte, zeigt doch die bloße Beantragung des Passes und der legale Grenzübertritt, daß der Beschwerdeführer keine Bedenken hatte, mit den Behörden seines Heimatlandes in Kontakt zu treten und deren Leistungen in Anspruch zu nehmen.

Gegen die Version des Beschwerdeführers, er habe wegen des legalen Aufenthalts in Österreich (bei seinem Bruder) - trotz angeblich aktueller Bedrohung in seinem Heimatland - keinen Asylantrag gestellt, spricht schon der Umstand, daß er nach Ausweis der Verwaltungsakten erst sieben Monate nach seiner Einreise erstmals einen Sichtvermerk beantragte, in der Folge nur befristete Sichtvermerke erhielt und daher nicht von Anfang an damit rechnen konnte, auf Dauer in Österreich bleiben zu dürfen.

Daß der Beschwerdeführer seine Heimat nicht wegen einer Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG verlassen hat, zeigt sich im übrigen auch deutlich darin, daß er bei seiner Vernehmung durch die Erstbehörde angab, zu seinem Bruder nach Wien gereist zu sein, weil er nach wie vor keine Arbeit habe finden können. Die belangte Behörde kam somit aufgrund schlüssiger Überlegungen zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer sei in seiner Heimat (zumindest seit den Vorfällen im Zusammenhang mit der Abnahme des Reisepasses) von keiner Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG betroffen. Aufgrund des Umstandes, daß der Beschwerdeführer somit vor seiner Ausreise in seiner Heimat jedenfalls fast zehn Jahre ohne relevante, gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlungen leben konnte, kann eine aktuelle, seine Person betreffende Verfolgung auch unter Berücksichtigung der behaupteten allgemeinen Situation der Albaner im Kosovo nicht angenommen werden.

4. Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen 3.2. ist der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe die allgemeine Situation der Albaner im Kosovo und den Umstand, daß sich der Beschwerdeführer in Österreich bei seinem Bruder aufhalte, nicht festgestellt, der Boden entzogen.

5. Der Vorwurf, die belangte Behörde habe es unterlassen, "den Beschwerdeführer mit den im angefochtenen Bescheid angeführten Vorwürfen (kein Asylantrag gestellt, nicht verhaftet worden, neuer Paß ausgestellt, legale Ausreise aus dem Kosovo etc.) zu konfrontieren", geht schon deswegen ins Leere, weil sich die genannten Umstände aus den Angaben des Beschwerdeführers ergeben und auch in der Beschwerde nicht bestritten werden.

6. Da nach dem Gesagten der Beurteilung der belangten Behörde, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung oder Bedrohung des Beschwerdeführers in der jugoslawischen Föderation im Sinne des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG, Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Von der begehrten mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995180027.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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