TE Vwgh Beschluss 2022/4/15 Ra 2022/09/0026

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Veröffentlicht am 15.04.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

AVG §1
B-VG Art130 Abs1 Z2
B-VG Art130 Abs2
B-VG Art133 Abs4
EpidemieG 1950 §14
EpidemieG 1950 §28a
EpidemieG 1950 §28a Abs1
EpidemieG 1950 §43 Abs3
EpidemieG 1950 §5 Abs1
EpidemieG 1950 §7
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A AG in B, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 23. Dezember 2021, Zl. KLVwG-559/12/2021, betreffend Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt-Land), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen, Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten wurde der von der revisionswerbenden Partei gestellte Antrag auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für das an ihren Arbeitnehmer X während dessen Heimquarantäne fortbezahlte Entgelt als unbegründet abgewiesen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2        Begründend führte das Verwaltungsgericht - im Wesentlichen und soweit von Bedeutung - aus, die revisionswerbende Partei habe ihren Antrag auf Ersatz der Vergütung des Verdienstentganges auf § 32 EpiG gestützt. Ein auf diese Bestimmung gestützter Ersatzanspruch setze nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut voraus, dass ein Verdienstentgang durch eine in Abs. 1 Z 1 bis 7 angeführte Maßnahme eingetreten sei. Die Bestimmung verlange sohin eine Absonderung gemäß §§ 7 oder 17 EpiG, diese müsse mittels Bescheid erfolgen. Eine solche behördlich angeordnete Quarantäne liege im Revisionsfall aber nicht vor. Vielmehr habe sich X nach seiner Rückreise aus Ägypten nach einem Anruf bei der Gesundheitshotline 1450 am 20. März 2020 gesund und beschwerdefrei in einer 14-tägigen Heimquarantäne befunden und danach wieder seine Tätigkeit bei der revisionswerbenden Partei aufgenommen.

3        Zur rechtlichen Bedeutung seines Anrufs bei der Gesundheitshotline 1450, bei dem X mitgeteilt worden sei, er müsse sich nach seiner Rückreise aus dem Ausland in Heimquarantäne begeben, führte das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 2021, E 221/2021, aus, dass die Einrichtung „Gesundheitsberatung 1450“ weder gesetzlich mit Hoheitsgewalt betraut sei noch ihre Mitarbeiter nach dem Gesamtbild der Umstände den zu Absonderungen nach § 7 EpiG zuständigen Organen oder Behörden zugeordnet oder zurechenbar seien. Die Erlassung hoheitlicher, iSd § 32 Abs. 1 Z 1 EpiG vergütungsfähiger Anordnungen durch Mitarbeiter der „Gesundheitsberatung 1450“, die sohin keine zu Anordnungen befugte Behörde sondern vielmehr eine Einrichtung des „Bürgerservice“ sei, scheide daher von vornherein aus.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5        Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Dementsprechend erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben. Auf Vorbringen zur Revisionsbegründung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist nicht einzugehen, selbst wenn es als Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision bezeichnet ist (vgl. VwGH 26.2.2021, Ra 2021/09/0007; 25.4.2019, Ra 2019/09/0048).

8        In den gesondert vorzubringenden Gründen ist sohin konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 12.3.2018, Ra 2018/09/0008, mwN).

9        Ein Revisionswerber, der eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, muss konkret anführen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Dabei hat er konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einem der von ihm ins Treffen geführten hg. Erkenntnisse gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hätte und damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre (vgl. VwGH 19.7.2021, Ra 2021/09/0164, mwN). Die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes reicht nicht aus (vgl. VwGH 9.9.2021, Ra 2021/09/0184, mwN).

10       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu beurteilen, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. VwGH 18.5.2021, Ra 2021/09/0125, mwN).

11       Die revisionswerbende Partei wirft in der Zulässigkeitsbegründung die Rechtsfrage auf, ob eine Absonderung iSd § 7 EpiG in der Form eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auch durch „einen im EpiG nicht ausdrücklich dazu Ermächtigten“ mit der Wirkung gesetzt werden könne, dass daraus - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - ein Vergütungsanspruch nach § 32 EpiG entstehe. Hierzu fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

12       Konkret zielt die revisionswerbende Partei mit ihrem Vorbringen offenbar darauf ab, ob Mitarbeiter der „Gesundheitsberatung 1450“ und der österreichischen Vertretungsbehörden (Botschaften) Absonderungsmaßnahmen gemäß § 7 EpiG in der Form eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzen können, denn der Frage, ob irgendwelchen „sonstigen“ Personen derartige Befugnisse zukommen, mangelt es schon an der Relevanz (vgl. VwGH 25.6.2020, Ra 2019/09/0157, mwN).

13       Hinsichtlich der Frage, ob eine Absonderung iSd § 7 EpiG in der Form eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch einen Mitarbeiter der „Gesundheitsberatung 1450“ gesetzt werden könne, gleicht der Revisionsfall in den entscheidungswesentlichen Punkten, jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit hg. Beschluss vom 21. März 2022, Ra 2022/09/0002, entschieden wurde. Aus den in diesem Beschluss dargelegten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird, erweist sich auch die hier vorliegende Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig:

14       In diesem Beschluss ist der Verwaltungsgerichtshof mit näherer Begründung und unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. November 2021, Ra 2021/09/0173, zum Ergebnis gekommen, dass § 7 EpiG keine Ermächtigung für die zuständige Verwaltungsbehörde enthält, bei „Gefahr im Verzug“ verfahrensfreie Verwaltungsakte zu setzen. Derartige, näher dargestellte Ermächtigungen enthalten lediglich § 28a Abs. 1 und § 43 Abs. 3 EpiG, jedoch nur für Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. für im öffentlichen Sanitätsdienst stehende Ärzte „an Ort und Stelle“. Eine Befugnis der zuständigen Verwaltungsbehörde selbst zum Setzen von Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, die ihr zurechenbaren Verwaltungshelfern übertragen werden könnte, kann darin jedoch nicht erblickt werden. Da der Behörde somit gesetzlich keine Befugnisse zur Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt eingeräumt wurden, verfügt sie nicht einmal abstrakt über entsprechende Befugnisse, die sie in der Folge - weder an Mitarbeiter der „Gesundheitsberatung 1450“ noch an Botschaftsmitarbeiter - übertragen könnte.

15       Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung, kann dem Verwaltungsgericht auch nicht entgegengetreten werden, wenn es zum Ergebnis kommt, dass die revisionswerbende Partei keinen Ersatzanspruch nach § 32 EpiG hat. Dass eine Absonderung gegenüber X von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder von im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Ärzten ausgesprochen worden wäre, wird von der revisionswerbenden Partei nicht vorgebracht und ist auch nicht ersichtlich.

16       Ein (behauptetes) Abweichen von Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes begründet im Übrigen schon dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des Art. 133 Abs. 4 B-VG zufolge keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung (vgl. noch einmal VwGH 9.9.2021, Ra 2021/09/0184).

17       Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

18       Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 15. April 2022

Schlagworte

sachliche Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022090026.L00

Im RIS seit

09.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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