TE Lvwg Erkenntnis 2022/4/26 LVwG-2022/49/0551-1

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Veröffentlicht am 26.04.2022
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Entscheidungsdatum

26.04.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §44a Z1
VO BH Lienz vom 10.08.2021, LZ-BL-211/10-2021, Bote für Tirol 274/2021

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Außerlechner über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 21.01.2022, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem Epidemiegesetz 1950,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 16.08.2021, um 18:20 Uhr, in X, B*** im Bereich KM 0,362, wie anlässlich der nachfolgenden Anhaltung in **** Y, auf Höhe Einfahrt W (B***, KM 0,758), festgestellt wurde, entgegen § 2 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 10.08.2021, Zl ***, mit der für die Gemeinden V und X zusätzliche Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, beim Überschreiten der Gebietsgrenze von X nach außen auf der B*** im Bereich KM 0,362 über die gesperrte Straße (Knoten X) keinen Nachweis einer lediglich geringen epidemiologischen Gefahr erbringen können, obwohl Personen, die sich in einem Gebiet nach § 1 (Gemeinde X) aufhalten, dessen Grenzen nach außen hin nur überschreiten dürfen, wenn sie den Nachweis einer lediglich geringen epidemiologischen Gefahr erbringen. Einen derartigen Nachweis konnte der Beschwerdeführer nicht erbringen.

Dadurch habe der Beschwerdeführer die Rechtsvorschriften der §§ 40 Abs 1 lit b iVm 24 und 43a Epidemiegesetz 1950 iVm der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 10.08.2021, Zl ***, verletzt, weshalb über ihn gemäß § 40 Abs 1 lit b Epidemiegesetz 1950 eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 300,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 5 Tage und 19 Stunden) verhängt wurde.

Den Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens hat die Bezirkshauptmannschaft Y mit Euro 30,00 bestimmt.

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschwerdeführer mittels E-Mail am 20.02.2022 rechtzeitig Beschwerde erhoben und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass laut seinen Erkundigungen die B*** in Y auf Höhe der Adresse 2 beginne. Demnach befinde sich KM 0,362 in der Adresse 3 im Ortsgebiet von Y und nicht wie beschrieben in X.

Mit Schriftsatz vom 23.02.2022, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y dem Landesverwaltungsgericht Tirol den Akt zur Entscheidung über die Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 21.01.2022, Zl ***, vorgelegt.

Dieser Beschwerde kommt bereits aus formalen Gründen Berechtigung zu.

II.      Rechtslage:

Die entscheidungswesentliche Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl Nr 52/1991, in der Fassung BGBl I Nr 58/2018, lautet wie folgt:

㤠44a.

Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.“

V.       Erwägungen:

Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, „die als erwiesen angenommene Tat“ zu enthalten. Das heißt, dass jene Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muss, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist (VwGH 05.12.1983, 82/10/0125).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Kernbestimmung des Verwaltungsstrafrechtes eine sehr strenge Judikatur entwickelt. Auf Grund des Erkenntnisses des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.06.1984, Zl 82/03/0265, ist die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und die Identität unverwechselbar feststeht.

Dieser Vorschrift ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (VwGH 23.04.2008, 2005/03/0243).

Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Begründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechts nicht aus (VwGH 13.01.1982, 81/03/0203).

Was die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphmäßige Zitierung von Gebots- und Verbotsnormen ersetzt werden können. Soweit die Strafbarkeit das Vorliegen bestimmter in der Person des Täters gelegener besonderer Merkmale voraussetzt, sind insbesondere auch diese Merkmale zu bezeichnen. Dies bedeutet, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein muss, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann. Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht, dass ihm einerseits die als erwiesen angenommene Tat und andererseits die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten wird (VwGH verstärkter Senat 08.05.1987, 85/18/0257).

Der Umstand allein, dass im Spruch des Straferkenntnisses ein unrichtiger Tatort genannt wurde, rechtfertigt noch nicht die Einstellung des Verfahrens (vgl VwGH 20.05.2015, Ra 2014/09/0033). Im hier vorliegenden Sachverhalt ergibt sich aber, dass bei inhaltlicher Würdigung keiner der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten möglichen Tatorte, bezogen auf die Straßenbezeichnung, im Gemeindegebiet von X liegt, sondern alle möglichen Tatorte in der Gemeinde Y liegen (Anhalteort: B*** bei KM 0,758; Ort des Überschreitens der Gebietsgrenze von X nach außen auf der B*** bei KM 0,362).

Daran ändert gegenständlich auch der Umstand nichts, dass beim Tatort ergänzend auch „X“ angeführt wird. In Zusammenschau mit der weiteren Tatortpräzisierung „B*** KM 0,362“ und der Anführung „Knoten X“ im Spruch genügt eine Tatortumschreibung, die mehrere Auslegungsmöglichkeiten zulässt, nicht den Anforderungen des § 44a VStG (VwGH 25.09.1991, 91/02/0051). Der Straßenkilometer 0,362 existiert sowohl im Ortsgebiet von Y auf der B*** als auch im Ortsgebiet von X („Knoten X“), jedoch dort auf der L***. Im angefochtenen Straferkenntnis werden die einzelnen tatortbezogenen Elemente hinsichtlich Gemeinde, Straßenbezeichnung und Straßenkilometer vielmehr vermischt und dadurch ein Tatort, der eindeutig und keiner Auslegung bedarf, nicht festgelegt („X, B*** im Bereich KM 0,362“ bzw. „Überschreiten der Gebietsgrenze von X nach außen auf der B*** im Bereich KM 0,362“).

Die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tathandlung bildet entsprechend den vorigen Ausführungen, nachdem sich beide möglichen Tatorte bezogen auf die Straßenbezeichnung in Y befinden bzw diesbezüglich Auslegungsmöglichkeiten bestehen, keine Verwaltungsübertretung und war daher das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen und spruchgemäß zu entscheiden.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen ist, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Außerlechner

(Richter)

Schlagworte

Tatort
Überschreiten Gebietsgrenze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.49.0551.1

Zuletzt aktualisiert am

06.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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