TE Vwgh Beschluss 1996/5/23 96/15/0052

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Veröffentlicht am 23.05.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §308 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/15/0076

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, 1. über den Antrag der M in L, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die unterlassene Mängelbehebung im

hg. Beschwerdeverfahren 95/15/0180 und 2. über die dem Verwaltungsgerichtshof als Beilage zu dem unter 1. genannten Wiedereinsetzungsantrag neuerlich vorgelegte Beschwerde den Beschluß gefaßt:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2. Die mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgelegte Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. März 1995, Zl. 17-94/4076/11, betreffend Einkommensteuer 1988 bis 1990, fristgerecht Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Nachdem der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde abgelehnt hatte und sie dem Antrag der Beschwerdeführerin entsprechend gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung abgetreten hatte, forderte der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 24. November 1995, zugestellt am 22. Jänner 1996, u.a. zur Vorlage einer weiteren Ausfertigung der Beschwerde (für den Bundesminister für Finanzen) auf. Da dem Mängelbehebungsauftrag nicht ordnungsgemäß entsprochen wurde, stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 27. März 1996, 95/15/0180, das Beschwerdeverfahren gemäß § 33 Abs. 1 und § 34 Abs. 2 VwGG ein. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den zitierten Beschluß verwiesen.

Am 6. März 1996 brachte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein und legte als Beilage zum Antrag eine weitere Ausfertigung der Beschwerde, auf welche sich der Ergänzungsauftrag vom 24. November 1995 bezogen hatte, vor.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird vorgebracht, am 9. Februar 1996 sei in der Kanzlei des die Beschwerdeführerin vertretenden Rechtsanwaltes der Schriftsatz fertiggestellt worden, mit welchem dem mit hg. Verfügung vom 24. November 1995 erteilten Auftrag zur Behebung von Mängeln entsprochen werden sollte. Der Vertreter der Beschwerdeführerin habe diesen Schriftsatz genehmigt und der Kanzleileiterin, Frau FR, aufgetragen, die erforderliche Anzahl von Ausfertigungen herzustellen und ihm den Schriftsatz zur Unterfertigung vorzulegen. Aus einer als weitere Beilage zum Wiedereinsetzungsantrag vorgelegten eidesstättigen Erklärung von Frau FR ergibt sich, daß der Vertreter der Beschwerdeführerin auch Anweisung gegeben habe, daß ihm die Beschwerde mit allen Ausfertigungen und Beilagen zur Unterfertigung vorgelegt werde. Durch ein nicht mehr rekonstruierbares Versehen - so die weiteren Ausführungen des Wiedereinsetzungsantrages - habe Frau FR die Eingabe nach Komplettierung dem Rechtsanwalt nicht mehr zur Unterfertigung vorgelegt und noch am 9. Februar 1996 ununterfertigt in der Kanzlei des Verwaltungsgerichtshofes eingereicht.

Noch am 9. Februar 1996 sei der Irrtum aufgeklärt worden. Da die Frist noch offen gewesen sei, habe der Vertreter der Beschwerdeführerin seine Kanzleileiterin beauftragt, am 12. Februar 1996 die Eingabe zwecks Unterfertigung zurückzuholen bzw. den Anweisungen des zuständigen Beamten gemäß alle notwendigen Vorkehrungen zur Behebung des Mangels zu treffen. Der Beamte in der Kanzlei des Verwaltungsgerichtshofes habe Frau FR erklärt, er könne der Beschwerde nicht nachgehen; allerdings könne nichts passieren, weil die Beschwerde jedenfalls zur Verbesserung zurückgestellt werde. Der Vertreter der Beschwerdeführerin habe erst durch einen Anruf beim Verwaltungsgerichtshof am 6. März 1996 davon Kenntnis erlangt, daß eine Fristsetzung zur Verbesserung nicht erfolgen werde. Somit sei durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis die Frist für die Verbesserung der Beschwerde versäumt worden.

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei gemäß § 46 Abs. 1 VwGG auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die Beschwerdeführerin hat am 6. März 1996 als Beilage zum Wiedereinsetzungsantrag die weitere Ausfertigung der Beschwerde (samt dem ebenfalls mit Ergänzungsauftrag vom 24. November 1995 aufgetragenen ergänzenden Schriftsatz) vorgelegt. Bereits daraus ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch die am 9. Februar 1996 erfolgte Wiedervorlage der ursprünglich eingebrachten Beschwerdeausfertigungen - im Hinblick auf den an diesem Tag aufgeklärten "Irrtum" - nicht gehindert war, dem Ergänzungsauftrag vom 24. November 1995 bis zum Ablauf der Frist (12. Februar 1996) zu entsprechen. Nach dem Vorbringen des Wiedereinsetzungsantrages habe das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, welches zur unvollständigen Mängelbehebung geführt habe, in der Auskunft des Beamten der Kanzlei (richtig: Einlaufstelle) des Verwaltungsgerichtshofes bestanden.

Die Beschwerdeführerin hat im gegenständlichen Fall dem Ergänzungsauftrag vom 24. November 1995 auf Vorlage einer weiteren Beschwerdeausfertigung nicht ordnungsgemäß entsprochen, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die bei Dolp, die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 255 Abs. 4 zitierte hg. Judikatur) unter Ausfertigung der Beschwerde im Sinne der §§ 24 Abs. 1 und 29 VwGG nur ein mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehenes Schriftstück zu verstehen ist. Die Beschwerdeführerin führt im Wiedereinsetzungsantrag nicht an, aus welchen Gründen sie annehmen habe können, daß ein in der Einlaufstelle des Verwaltungsgerichtshofes tätiger Bediensteter zur Erteilung von Auskünften über die Rechtsfrage zuständig sei, ob der Verwaltungsgerichtshof bei Nichterfüllung eines auf § 34 Abs. 2 VwGG gestützten Ergänzungsauftrages die in § 34 Abs. 2 letzter Halbsatz VwGG vorgesehene Rechtsfolge durch Erteilung eines neuerlichen Ergänzungsauftrages abwenden werde. Damit ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht, daß eine allfällige unrichtige Rechtsauskunft eines derartigen Bediensteten zu der genannten - offenkundig nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden - Rechtsfrage ein unvorhergesehenes Ereignis darstellt.

Als unabwendbar gilt ein Ereignis, wenn sein Eintritt von der Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht verhindert werden kann, auch wenn sie dieses Ereignis voraussah (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2983). Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung zur Frage der neuerlichen Erteilung eines Ergänzungsauftrages (vgl. Dolp, die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 524) liegt im gegenständlichen Fall ein unabwendbares Ereignis nicht vor.

Da sohin aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin nicht von einem unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignis, welches zur unvollständigen Mängelbehebung geführt habe, ausgegangen werden kann, konnte dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgegeben werden.

Die als Beilage zum Wiedereinsetzungsantrag dem Verwaltungsgerichtshof (mit dem ergänzenden Schriftsatz) vorgelegte Beschwerde war im Hinblick auf den in dieser Beschwerdesache ergangenen hg. Beschluß vom 27. März 1996, 95/15/0180, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996150052.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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