TE Vfgh Erkenntnis 2022/3/7 V54/2021 (V54/2021-11)

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Veröffentlicht am 07.03.2022
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Index

L3730 Aufenthaltsabgabe, Nächtigungstaxe, Ortstaxe

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
Tir FreizeitwohnsitzabgabeG §4 Abs3
Tir AufenthaltsabgabeG 2003 §6
FreizeitwohnsitzabgabeV des Gemeinderates der Gemeinde Wörgl vom 12.11.2019 §1
FAG 2017 §16 Abs1 Z4
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der Verordnung der Stadtgemeinde Wörgl betreffend die Höhe von Freizeitwohnsitzabgaben; Ermächtigung der Gemeinde zur Erhebung einer Freizeitwohnsitzabgabe innerhalb von Mindest- und Höchstsätzen zur Abdeckung von durch Zweitwohnsitzen entstehende Aufwendungen, soweit diese nicht durch Benützungsgebühren oder Fremdenverkehrsabgaben abgedeckt sind; keine Ausführungen betreffend die Verwendung des Höchstsatzes zur Deckung überdurchschnittlicher Aufwendungen sowie die Art der – nicht durch Benützungsgebühren und das Freizeitwohnsitzabgabepauschale abgedeckten – finanziellen Belastungen für die Gemeinde; Wahl des höchsten Abgabensatzes kann nicht allein auf die Höhe des Verkehrswerts des Freizeitwohnsitzes gestützt werden

Spruch

I. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wörgl vom 12. November 2019 über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol, "der Verfassungsgerichtshof möge ein Verordnungsprüfungsverfahren in Bezug auf die in der Sitzung des Gemeindesrates der Gemeinde Wörgl vom 12.11.2019 beschlossene Verordnung, mit welcher auf Grund des §4 Abs3 des Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetzes, LGBl Nr 79/2019, die Abgabenhöhe der jährlichen Freizeitwohnsitzabgabe für das gesamte Gemeindegebiet festgelegt wurde, gemäß Art139 Abs3 iVm Abs4 B-VG einleiten und feststellen, dass die gesamte Verordnung gesetzwidrig ist."

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes vom 8. Mai 2019 über die Erhebung einer Freizeitwohnsitzabgabe (Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetz – TFWAG) idF LGBl 79/2019 lauten:

"§1

Abgabengegenstand

(1) Für die Verwendung eines Wohnsitzes als Freizeitwohnsitz ist eine Freizeitwohnsitzabgabe zu erheben.

(2) Freizeitwohnsitze sind Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden.

(3) Die Freizeitwohnsitzabgabe ist eine ausschließliche Gemeindeabgabe.

§2

Ausnahmen

(1) Nicht als Freizeitwohnsitze im Sinn des Gesetzes gelten:

a) Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen; dies jedoch nur dann, wenn

1. Gemeinschaftsräume mit einer Gesamtfläche, bei der auf jedes der Beherbergung von Gästen dienende Bett zumindest eine Fläche von 0,5 m² entfällt, vorhanden sind,

2. gewerbetypische Dienstleistungen, zu denen insbesondere die Raumreinigung in regelmäßig wiederkehrenden Zeitabständen und das regelmäßige Wechseln der Wäsche zählen, erbracht werden und weiters

3. die ständige Erreichbarkeit einer Ansprechperson seitens des Betriebes gewährleistet ist;

nicht als Gemeinschaftsräume im Sinn der Z1 gelten Wellness-Bereiche, Schiräume und sonstige Abstellräume, Sanitärräume und dergleichen,

b) Kur- und Erholungsheime, die von öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtungen oder Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erhalten werden,

c) Gebäude mit höchstens drei Wohnungen mit insgesamt höchstens zwölf Betten, die während des Jahres jeweils kurzzeitig an wechselnde Personen vermietet werden (Ferienwohnungen); entsprechende Neubauten, für die die Baubewilligung erst nach dem 1. Februar 1996 rechtskräftig erteilt worden ist, gelten jedoch nur dann nicht als Freizeitwohnsitze, wenn der Vermieter der Ferienwohnungen im betreffenden Gebäude seinen Hauptwohnsitz hat; Ferienwohnungen in Gebäuden, die in einem räumlichen Naheverhältnis stehen und eine einheitliche Gesamtplanung aufweisen, sind zusammenzuzählen,

d) Wohnräume, die der Privatzimmervermietung dienen.

Sind in einem Gebäude oder in Gebäuden, die in einem räumlichen Naheverhältnis stehen und eine einheitliche Gesamtplanung aufweisen, Ferienwohnungen und Wohnräume, die der Privatzimmervermietung dienen, untergebracht, so darf die Zahl der Betten insgesamt zwölf nicht überschreiten.

(2) Im Rahmen der Vorschriften über Freizeitwohnsitze nach den Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016, LGBl Nr 101/2016, in der jeweils geltenden Fassung sind Gastgewerbebetrieben zur Beherbergung von Gästen jene Räumlichkeiten nicht zuzurechnen, an denen

a) Wohnungseigentum besteht, sofern diese vom Eigentümer oder von seiner Familie selbst genutzt werden, oder

b) Verfügungsrechte bestehen, die über den üblichen Inhalt gastgewerblicher Beherbergungsverträge hinausgehen.

§3

Abgabenschuldner

(1) Abgabenschuldner ist der Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der Freizeitwohnsitz befindet. Miteigentümer schulden die Abgabe zur ungeteilten Hand; dies gilt nicht im Fall von Wohnungseigentum.

(2) Abweichend vom Abs1 ist bei Freizeitwohnsitzen auf fremdem Grund der Eigentümer des Freizeitwohnsitzes, im Fall eines Baurechtes der Bauberechtigte Abgabenschuldner.

(3) Wird ein Freizeitwohnsitz unbefristet oder für einen längeren Zeitraum als einem Jahr an ein und dieselbe Person vermietet, verpachtet oder sonst überlassen, so ist der Inhaber des Freizeitwohnsitzes Abgabenschuldner. Der Eigentümer bzw Bauberechtigte haftet neben dem Inhaber des Freizeitwohnsitzes als Gesamtschuldner.

(4) Änderungen in Bezug auf die Person des Abgabenschuldners sind von diesem der Gemeinde binnen eines Monats ab dem Eintritt der Änderung zu melden.

§4

Bemessungsgrundlage und Höhe der Abgabe

(1) Die Freizeitwohnsitzabgabe ist nach der Nutzfläche des Freizeitwohnsitzes zu bemessen.

(2) Die Nutzfläche ist die gesamte Bodenfläche abzüglich der Wandstärken und der im Verlauf der Wände befindlichen Durchbrechungen und Ausnehmungen. Bei der Berechnung der Nutzfläche sind Keller- und Dachbodenräume, soweit sie ihrer Ausstattung nach nicht für Wohn- oder Geschäftszwecke geeignet sind, Treppen, offene Balkone, Loggien, Terrassen sowie für landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke spezifisch ausgestattete Räume innerhalb eines Freizeitwohnsitzes nicht zu berücksichtigen. Die Nutzfläche ist nach den der Baubewilligung bzw -anzeige und allfälligen Änderungen zugrunde liegenden Unterlagen zu berechnen, außer das tatsächliche Ausmaß weicht um mehr als 3 v. H. davon ab. Änderungen der Nutzfläche des Freizeitwohnsitzes sind für die Bemessung der Freizeitwohnsitzabgabe ab dem Zeitpunkt des Einlangens der Anzeige über die Bauvollendung nach §44 der Tiroler Bauordnung 2018, LGBl Nr 28/2018, in der jeweils geltenden Fassung, zu berücksichtigen.

(3) Die Höhe der jährlichen Abgabe ist abhängig von der Nutzfläche des Freizeitwohnsitzes mit Verordnung des Gemeinderates festzulegen wie folgt:

a) bis 30 m² mit mindestens 100,– Euro und höchstens 240,– Euro,

b) von mehr als 30 m² bis 60 m² mit mindestens 200,– Euro und höchstens 480,– Euro,

c) von mehr als 60 m² bis 90 m² mit mindestens 290,– Euro und höchstens 700,– Euro,

d) von mehr als 90 m² bis 150 m² mit mindestens 420,– Euro und höchstens 1.000,– Euro,

e) von mehr als 150 m² bis 200 m² mit mindestens 590,– Euro und höchstens 1.400,– Euro,

f) von mehr als 200 m² bis 250 m² mit mindestens 760,– Euro und höchstens 1.800,– Euro,

g) von mehr als 250 m² mit mindestens 920,– Euro und höchstens 2.200,– Euro.

Bei der Festlegung der Abgabe ist auf den Verkehrswert der Liegenschaften in der Gemeinde und auf die finanziellen Belastungen der Gemeinde durch Freizeitwohnsitze Bedacht zu nehmen. Die Abgabe kann für bestimmte Teile des Gemeindegebietes in unterschiedlicher Höhe festgesetzt werden, wenn die Gewichtung der für die Festlegung maßgeblichen Umstände sich erheblich auf die Höhe der Abgabe auswirken."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes vom 2. Juli 2003 über die Erhebung einer Aufenthaltsabgabe (Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003), LGBl 85/2003, idF LGBl 114/2019 lauten:

"§1

Zweck und Art der Abgabe

(1) Zur Förderung des Tourismus in Tirol wird eine Aufenthaltsabgabe erhoben.

(2) Die Aufenthaltsabgabe – in der Folge kurz 'Abgabe' genannt – ist eine ausschließliche Landesabgabe.

§2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes ist/sind:

a) - d) […]

e) 'Freizeitwohnsitze' Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden;

f) - k) […]

§3

Abgabepflicht

(1) Abgabepflichtig sind alle Nächtigungen im Rahmen des Tourismus

a) […]

b) in Freizeitwohnsitzen, die nicht oder nicht nur wechselnden Gästen überlassen werden,

soweit im §4 Abs1 nichts anderes bestimmt ist.

(2) […]

§6

Höhe der Abgabe

(1) - (5) […]

(6) Die Höhe des Freizeitwohnsitzpauschales ergibt sich aus der Vervielfachung der im Gebiet des Tourismusverbandes am 1. Mai eines jeden Jahres zu entrichtenden Abgabe mit der Nächtigungszahl. Die Nächtigungszahl beträgt bei einer Wohnnutzfläche bis zu 30 m² 120, bis zu 100 m² 240 und darüber 360. Bei einer Staffelung der Abgabe nach Gebietsteilen ist jener Betrag heranzuziehen, der für die Nächtigung in dem Gebietsteil, in dem der Freizeitwohnsitz liegt, zu entrichten ist. Die Verpflichtung des über einen Freizeitwohnsitz Verfügungsberechtigten zur Abfuhr der von anderen Personen als seinen Angehörigen für Nächtigungen im Freizeitwohnsitz zu entrichtenden Abgaben wird durch das Freizeitwohnsitzpauschale nicht berührt. Das Freizeitwohnsitzpauschale vermindert sich jeweils um die Hälfte jenes Betrages, der von den anderen Personen im vorangegangenen Jahr als Abgabe entrichtet worden ist, höchstens jedoch auf ein Viertel.

(7) - (8) […]"

3. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wörgl vom 12. November 2019 über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe lautet:

"Aufgrund des §4 Abs3 des Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetzes, LGBl Nr 79/2019 wird verordnet:

§1

Festlegung der Abgabenhöhe

Die Stadtgemeinde Wörgl legt die Höhe der jährlichen Freizeitwohnsitzabgabe einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet

a) bis 30 m² Nutzfläche mit 240,00 Euro,

b) von mehr als 30 m² bis 60 m² Nutzfläche mit 480,00 Euro,

c) von mehr als 60 m² bis 90 m² Nutzfläche mit 700,00 Euro,

d) von mehr als 90 m² bis 150 m² Nutzfläche mit 1.000,00 Euro,

e) von mehr als 150 m² bis 200 m² Nutzfläche mit 1.400,00 Euro,

f) von mehr als 200 m² bis 250 m² Nutzfläche mit 1.800,00 Euro,

g) von mehr als 250 m² Nutzfläche mit 2.200,00 Euro fest.

§2

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2020 in Kraft."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Beim Landesverwaltungsgericht Tirol ist eine Beschwerde gegen einen Bescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Wörgl vom 6. August 2020 anhängig. Mit diesem Bescheid wurde den Beschwerdeführern des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol eine Freizeitwohnsitzabgabe in Höhe von € 410,– als Restbetrag vorgeschrieben, da zuvor bereits ein Betrag von € 290,– bezahlt worden war.

1.2. Im Zuge der Behandlung der Beschwerde sind beim Landesverwaltungsgericht Tirol Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wörgl vom 12. November 2019 über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe entstanden, weshalb das Landesverwaltungsgericht Tirol den vorliegenden Antrag nach Art139 Abs1 Z1 B-VG gestellt hat.

2. Das Landesverwaltungsgericht Tirol legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bewogen haben, zusammengefasst wie folgt dar:

2.1. Die Stadtgemeinde Wörgl habe mit der angefochtenen Verordnung jeweils den gesetzlich vorgesehenen Höchstbetrag für die Freizeitwohnsitzabgabe festgelegt, obwohl sie mit einer Freizeitwohnsitzquote von 0,2 % beispielsweise im Vergleich mit Kitzbühel, das eine Freizeitwohnsitzquote von 17,6 % aufweise, über einen überaus geringen Anteil an Freizeitwohnsitzen verfüge. Für die Stadtgemeinde Wörgl seien daher mit Zweitwohnsitzen keine besonderen Belastungen verbunden. Dies sei von der belangten Behörde vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol trotz entsprechender Einwendungen in der Beschwerde und im Vorlageantrag auch nicht dargetan worden. Ebenso fehlten Ausführungen dazu, dass das konkrete Objekt der Beschwerdeführer des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol nicht ganzjährig nutzbar sei und weder über eine öffentliche Zufahrt noch über einen Kanalanschluss verfüge.

2.2. Die belangte Behörde habe in ihrer Stellungnahme unter Verweis auf den Immobilien-Preisspiegel der Wirtschaftskammer ausgeführt, dass der Verkehrswert der Liegenschaften innerhalb des Gemeindegebietes nicht erheblich abweiche. Dabei verkenne sie aber, dass bei der Bezugnahme auf den Verkehrswert der Liegenschaften nach der Absicht des Gesetzgebers in erster Linie darauf abzustellen sei, wie sich die Verkehrswerte im Gemeindegebiet im Vergleich zu anderen Gemeinden darstellen. Eine Festlegung der Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe mit dem Höchstbetrag sei lediglich dann zulässig, wenn der Verkehrswert der Liegenschaften in der Gemeinde im Landesvergleich besonders hoch liege. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn in einer Gemeinde eine besondere Nachfrage nach Immobilien und insbesondere solcher zur Freizeitnutzung bestehe und die Gemeinde über eine entsprechende, vor allem auch touristische Infrastruktur verfüge oder aus anderen Gründen eine besondere Attraktivität aufweise. Von einem besonders hohen Verkehrswert der Liegenschaften könne jedoch im Fall der Stadtgemeinde Wörgl nicht ausgegangen werden, da dieser in der Stadtgemeinde Wörgl unter den Spitzenwerten der Liegenschaften in anderen Gemeinden (insbesondere des Nachbarbezirkes Kitzbühel) liege. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts des Umstandes, dass die in Wörgl befindlichen 16 Freizeitwohnsitze zu keinen besonderen Belastungen der Gemeinde führten, ergäben sich – auch vor dem Hintergrund mehrerer Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 18.792/2009, 19.003/2010, 19.069/2010) – Bedenken, dass die angefochtene Verordnung den Kriterien des §4 Abs3 TFWAG nicht entspreche und sohin gesetzwidrig sei.

3. Die Tiroler Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der dem Antrag Folgendes entgegengehalten wird:

3.1. Die Basispreise für unbebaute Grundstücke nach dem Grundstücksrasterverfahren lägen in der Stadtgemeinde Wörgl deutlich im oberen Bereich und im landesweiten Vergleich weit über dem Mittelwert. Die Basispreise der beiden Katastralgemeinden Wörgl-Rattenberg und Wörgl-Kufstein unterschieden sich auch nicht wesentlich voneinander, weshalb eine Differenzierung bezüglich der Abgabenhöhe innerhalb des Gemeindegebietes der Stadtgemeinde Wörgl nicht geboten erscheine.

3.2. Dem Hinweis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, dass die Freizeitwohnsitzabgabe nur dann mit dem in §4 Abs3 TFWAG angeordneten Höchstbetrag festgelegt werden dürfe, wenn der Verkehrswert der Liegenschaften in der betreffenden Gemeinde im landesweiten Vergleich besonders hoch liege, was bei der Stadtgemeinde Wörgl nicht der Fall sei, sei zu entgegnen, dass die Höhe der Verkehrswerte in der Stadtgemeinde Wörgl zwar unter den Spitzenwerten liege, sich im landesweiten Vergleich jedoch deutlich im oberen Bereich befinde. Außerdem sei auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum der Gemeinde hinzuweisen, der ihr bei der Bemessung der genauen Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe innerhalb der gesetzlichen Vorgaben zustehe und der es der Gemeinde erlaube, die Obergrenzen des §4 Abs3 TFWAG selbst dann auszuschöpfen, wenn die Grundstückspreise landesweit gesehen zwar im oberen Bereich, aber doch unterhalb der Höchstgrenze liegen. Es sei der Stadtgemeinde Wörgl daher nicht verwehrt, die Freizeitwohnsitzabgabe mit dem gesetzlich vorgesehenen Höchstbetrag festzusetzen. Die Darlegung der spezifischen finanziellen Belastungen, die der Stadtgemeinde Wörgl durch Freizeitwohnsitze entstünden, obliege der Stadtgemeinde Wörgl selbst.

4. Die Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Wörgl, die belangte Behörde vor dem antragstellenden Landesverwaltungsgericht und als solche beteiligte Partei im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof, hat die Akten betreffend das Zustandekommen der zur Prüfung gestellten Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:

4.1. Die Kriterien des §4 Abs3 TFWAG seien im Rahmen der Grundlagenerhebung zur Festsetzung der Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe sehr wohl berücksichtigt worden. Ein landesweiter Vergleich der Durchschnittspreise für Immobilien ergebe, dass diese im Bezirk Kufstein auf einem hohen Niveau angesiedelt seien. Der Durchschnittspreis für Liegenschaften in Wörgl entspreche nahezu dem Bezirksdurchschnitt. Im landesweiten Vergleich lägen die Immobilienpreise sohin im höheren Bereich. Verglichen mit den angrenzenden Gemeinden ergebe sich auch anhand des Grundstücksrasterverfahrens ein höherer Basispreis für die Katastralgemeinden Wörgl-Kufstein und Wörgl-Rattenberg. In Wörgl liege zudem eine Knappheit an Bauland vor, wodurch die Immobilienpreise weiter steigen. Freizeitwohnsitze stellten sohin eine zusätzliche Belastung für den Wohnungsmarkt dar. Im Vergleich zum Tourismusort Kitzbühel habe sich Wörgl in den Bereichen Handel, Gewerbe und Industrie etabliert und zähle zu den am stärksten wachsenden Gemeinden Westösterreichs. Außerdem sei Wörgl ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Diese Faktoren machten den Standort sehr attraktiv, was sich wiederum auf die Nachfrage von Immobilien in der Gemeinde auswirke. Die Verkehrswerte und die Nachfrage nach Immobilien seien sohin im Vergleich mit anderen Gemeinden so hoch, dass die Festsetzung der gesetzlich vorgesehenen Höchstbeträge gerechtfertigt sei.

4.2. Die Verkehrswerte der Liegenschaften seien im gesamten Gemeindegebiet nahezu ident, weshalb keine Differenzierung nach der Lage der Liegenschaften innerhalb der Gemeinde vorgenommen worden sei. Weder die von den Beschwerdeführern des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol monierte mangelnde ganzjährige Nutzbarkeit des Objektes noch dessen Erschließungsgrad seien bei der Festsetzung der Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe nach dem TFWAG zu berücksichtigen. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wörgl vom 12. November 2019 über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe sei daher nicht gesetzwidrig.

5. Die Beschwerdeführer des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol haben als beteiligte Parteien eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Tirol anschließen.

Die verordnungserlassende Behörde hat keine Äußerung erstattet.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil der Bestimmung nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

1.3. Im Ausgangsverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol ist über eine Beschwerde gegen die Vorschreibung einer Freizeitwohnsitzabgabe zu entscheiden. Der verfahrensgegenständliche Freizeitwohnsitz weist eine Nutzfläche von 67,50 m² auf. Für den Verfassungsgerichtshof bestehen daher keine Zweifel, dass das Landesverwaltungsgericht Tirol §1 litc der angefochtenen Verordnung in dem bei ihm anhängigen Verfahren anzuwenden hat. Diese Bestimmung steht mit den übrigen Bestimmungen der angefochtenen Verordnung in einem derart engen Regelungszusammenhang, dass von einem untrennbaren Zusammenhang auszugehen ist. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag somit insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist begründet.

2.3. Im Rahmen der Prüfung der angefochtenen Verordnung ist folgender Regelungszusammenhang zu beachten:

2.3.1. Die vom Landesverwaltungsgericht Tirol angefochtene Verordnung der Stadtgemeinde Wörgl stützt sich auf §4 Abs3 TFWAG. Mit dem TFWAG hat der Landesgesetzgeber in §1 Abs1 festgelegt, dass für die Verwendung eines Freizeitwohnsitzes eine Freizeitwohnsitzabgabe zu erheben ist. Als Freizeitwohnsitz werden in Abs2 leg.cit. – der Legaldefinition des §13 Abs1 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 folgend – Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden bestimmt, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden. Nach §1 Abs3 TFWAG ist die Abgabe eine ausschließliche Gemeindeabgabe. §4 Abs3 leg.cit. ermächtigt die Gemeinden die Abgabe durch Verordnung festzulegen, wobei in Abhängigkeit von der Nutzfläche des Freizeitwohnsitzes Mindest- und Höchstsätze durch den Landesgesetzgeber festgelegt sind. Die Vorschrift bestimmt ferner, dass die Gemeinde innerhalb dieser Bandbreiten bei der Festlegung der Abgabe auf den Verkehrswert der Liegenschaften in der Gemeinde und auf die finanziellen Belastungen der Gemeinde durch Freizeitwohnsitze Bedacht zu nehmen hat.

2.3.2. Nach ihrer gesetzlichen Konzeption ist die Tiroler Freizeitwohnsitzabgabe als Zweitwohnsitzabgabe iSd §16 Abs1 Z4 FAG 2017 zu qualifizieren (Erläuternde Bemerkungen zum Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung einer Freizeitwohnsitzabgabe [Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetz – TFWAG], Tiroler Landtag, GZ 167/19, 1 f.). Zweitwohnsitzabgaben sind als Aufwandsteuern einzuordnen, die einerseits die in der Einkommensverwendung (im Aufwand) für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit, die die Innehabung eines Zweitwohnsitzes indiziert, belasten (VfSlg 18.792/2009). Andererseits sollen diese Abgaben den Gemeinden ermöglichen, jene Aufwendungen abzudecken, die durch Zweitwohnsitze in Gemeinden entstehen und nicht durch Benützungsgebühren oder Fremdenverkehrsabgaben (Ferienwohnungsabgaben) abgegolten werden, ohne dass diesen Kosten Einnahmen aus – an den Hauptwohnsitz anknüpfenden – Ertragsanteilen gegenüberstehen (RV zum nachmaligen FAG 1993 867 BlgNR 18. GP, 20). Dabei unterliegt die Zweitwohnsitzabgabe nicht einem derart strengen Äquivalenzprinzip, dass ihre Höhe strikt von bestimmten Aufwendungen der Gemeinde abhängig und durch diese begrenzt ist (VfSlg 18.792/2009).

Der Landesgesetzgeber bringt in §4 Abs3 TFWAG zweifelsfrei zum Ausdruck, dass bei der Festlegung der Abgabe auf den Verkehrswert der Liegenschaften in der Gemeinde und die finanziellen Belastungen der Gemeinde durch Freizeitwohnsitze Bedacht zu nehmen ist. Dabei liegt es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers, wenn er innerhalb des überlassenen Besteuerungsbereiches das Besteuerungsobjekt präzisiert und wie im vorliegenden Fall die Zweitwohnsitzabgabe auf Freizeitwohnsitze im Sinne §1 Abs2 TFWAG beschränkt (Ruppe, Zweitwohnungssteuern, in: Funk [Hrsg.], Grundverkehrsrecht, 1996, 229 [241]).

2.3.3. Freizeitwohnsitze unterliegen in Tirol neben der Freizeitwohnsitzabgabe auch dem Freizeitwohnsitzpauschale, das nach dem Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003 als ausschließliche Landesabgabe erhoben wird: Diese Abgabe orientiert sich weder an den Belastungen der Gemeinden noch an den Verkehrswerten, sondern wird nach einer in Abhängigkeit von der Wohnnutzfläche pauschal festgelegten Nächtigungszahl festgelegt (§6 Abs6 Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003) und belastet damit – vergleichbar mit der von Beherbergungsbetrieben je Person und Nächtigung eingehobenen Abgabe – jenen Nutzen, der aus Fremdenverkehrseinrichtungen gezogen wird.

2.3.4. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der Landesgesetzgeber berechtigt, neben einer Fremdenverkehrsabgabe gemäß §16 Abs1 Z6 FAG 2017 in Gestalt des als Aufenthaltsabgabe erhobenen Freizeitwohnsitzpauschales eine Zweitwohnsitzabgabe gemäß §16 Abs1 Z4 leg.cit. in Gestalt der als ausschließliche Gemeindeabgabe erhobenen Freizeitwohnsitzabgabe vorzusehen (VfSlg 15.973/2000), zumal die Abgaben nach ihren Tatbestandsmerkmalen nicht als gleichartige Abgaben einzuordnen sind (zur Gleichartigkeit von Abgaben vgl VfSlg 10.827/1986, 14.688/1996).

2.4. Bei Festlegung der Abgabenhöhe der im hier anhängigen Verfahren zu beurteilenden Freizeitwohnsitzabgabe hat sich die Gemeinde innerhalb der vom Landesgesetzgeber vorgegebenen Bandbreite an den durch Freizeitwohnsitze verursachten Belastungen, soweit diese nicht durch Benützungsgebühren oder Fremdenverkehrsabgaben abgedeckt werden, und dem Verkehrswert der Liegenschaften in der Gemeinde zu orientieren (vgl Rz 27).

2.5. Zu den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Tirol ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:

2.5.1. Die Bedenken richten sich gegen die mit 12. November 2019 beschlossene Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wörgl, mit der gestützt auf §4 Abs3 TFWAG die Freizeitwohnsitzabgabe mit dem gesetzlich vorgesehenen Höchstbetrag festgesetzt wurde. Die Stadtgemeinde verfüge über eine überaus geringe Zahl von Freizeitwohnsitzen, woraus ableitbar sei, dass für die Stadtgemeinde mit Zweitwohnsitzen keine besonderen Belastungen verbunden seien. Dass derartige besondere Belastungen vorlägen, sei von der belangten Behörde trotz entsprechender Einwendungen in der Beschwerde und im Vorlageantrag nicht dargetan worden. Für das konkrete Objekt der im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol beschwerdeführenden Parteien fehlten Anhaltspunkte für besondere Belastungen. Auch könne im Fall der Stadtgemeinde Wörgl nicht von einem besonders hohen Verkehrswert der Liegenschaften ausgegangen werden. Da der Verkehrswert deutlich unter den Spitzenwerten in anderen Gemeinden liege und auch nicht erkennbar sei, dass die 16 in Wörgl befindlichen Freizeitwohnsitze zu besonderen Belastungen führten, ergäben sich Bedenken dahingehend, dass die in Rede stehende Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wörgl nicht den Kriterien des §4 Abs3 TFWAG entspreche.

2.5.2. §4 Abs3 TFWAG stellt eine vom Gleichheitssatz determinierte Rechtsgrundlage dar, die abhängig von der Nutzfläche des Freizeitwohnsitzes jeweils eine Bandbreite für die Freizeitwohnsitzabgabe festlegt. Innerhalb dieser Bandbreite hat die Gemeinde die Höhe der Abgabe durch Verordnung festzulegen, wobei sie auf die Belastungen durch Freizeitwohnsitze unter Berücksichtigung der erhobenen Benützungsgebühren und Fremdenverkehrsabgaben und auf die Verkehrswerte der Freizeitwohnsitze Bedacht zu nehmen hat.

2.5.3. Vor diesem Hintergrund treffen die Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Tirol insoweit nicht zu, als es aus der geringen Anzahl von Freizeitwohnsitzen auf das Vorliegen geringer Aufwendungen schließt und in diesem Zusammenhang auch ausführt, dass für das konkrete Objekt im zugrunde liegenden Verfahren keine Anhaltspunkte für besondere Belastungen vorlägen.

Zu bedenken ist nämlich, dass die Freizeitwohnsitzabgabe als Zweitwohnsitzabgabe nicht eine nach dem Äquivalenzprinzip zu erhebende Gebühr ist und daher hinsichtlich der Belastungen nicht auf die für einen bestimmten Freizeitwohnsitz konkret anfallenden Aufwendungen abzustellen ist, sondern es auf die Belastung der Gemeinde insgesamt ankommt (vgl VfSlg 18.792/2009). Entgegen der Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol kann auch nicht aus dem Umstand einer im Vergleich geringen Freizeitwohnsitzquote abgeleitet werden, dass die Festsetzung der Abgabe im Höchstausmaß schon deshalb gesetzwidrig sei: Eine die Festlegung mit dem Höchstsatz rechtfertigende Belastung mit besonderen durch Freizeitwohnsitze bedingten Aufwendungen kann auch in Gemeinden mit niedriger Freizeitwohnsitzquote nicht von vornherein ausgeschlossen werden, zumal Aufwendungen auch unabhängig von der Anzahl an Freizeitwohnsitzen anfallen können.

2.5.4. Soweit das Landesverwaltungsgericht Tirol seine Bedenken unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu den Zweitwohnsitzabgaben darauf stützt, dass von der belangten Behörde trotz Einwendungen in der Beschwerde und im Vorlageantrag besondere Belastungen nicht dargetan worden seien, treffen diese zu:

2.5.4.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten hat, muss im Fall der Festlegung der Abgabe mit dem Höchstsatz erkennbar sein, dass es sich bei den darzulegenden Aufwendungen um überdurchschnittliche Aufwendungen handelt. Dabei haben Aufwendungen, die durch Benützungsgebühren oder Fremdenverkehrsabgaben finanziert werden, außer Betracht zu bleiben. Allgemeine Ausführungen etwa zur regionalen oder wirtschaftlichen Stellung einer Gemeinde und den Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen reichen dagegen nicht hin, den Höchstsatz zu begründen (VfSlg 18.792/2009).

2.5.4.2. Weder dem Verordnungsakt noch den im Verfahren erstatteten Äußerungen sind Ausführungen dazu zu entnehmen, welcher Art die nicht durch Benützungsgebühren und das Freizeitwohnsitzpauschale abgegoltenen finanziellen Belastungen sind, auf die von der Gemeinde im Rahmen der Festlegung der Höhe der Abgabe Bedacht zu nehmen ist. Die Verordnung ist daher schon aus diesem Grund gesetzwidrig.

2.5.5. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die zu den Verkehrswerten vorgebrachten Bedenken zutreffen: Zwar befindet sich nach der Äußerung der Tiroler Landesregierung die Höhe der Grundstückspreise "[i]m tirolweiten Vergleich […] in der Stadtgemeinde Wörgl […] deutlich im oberen Bereich und weit über dem Medianwert […]." Auch teilt der Verfassungsgerichtshof die Auffassung, dass der Umstand, dass Verkehrswerte unterhalb der Höchstpreise liegen, der Ausschöpfung des Höchstsatzes nicht entgegensteht. Eine Ausschöpfung im Höchstsatz kann allerdings nicht allein auf die Höhe der Verkehrswerte gestützt werden, ohne die durch Freizeitwohnsitze bedingten überdurchschnittlichen Belastungen der Gemeinde durch Freizeitwohnsitze darzulegen.

V. Ergebnis

1. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wörgl vom 12. November 2019 über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe ist daher wegen Verstoßes gegen §4 Abs3 TFWAG als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 litj Tiroler Landes-Verlautbarungsgesetz 2021.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Wohnsitz Freizeit-, Wohnsitz Zweit-, Abgaben, Gebühr, Fremdenverkehr, Finanzausgleich, VfGH / Gerichtsantrag, Verordnungserlassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:V54.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.05.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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