TE Vwgh Beschluss 2022/4/7 Ra 2022/14/0051

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Veröffentlicht am 07.04.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §11
BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache I O in W, vertreten durch Mag. Jakob Mahringer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2021, I401 2245278-1/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Nigerias, stellte am 24. Februar 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den sie mit einer Bedrohung durch Fulani-Hirten begründete.

2        Mit Bescheid vom 8. Juli 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Revisionswerberin ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revisionswerberin wendet sich in ihrer Zulassungsbegründung gegen das Unterbleiben einer Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Sie bringt dazu vor, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe den Sachverhalt weder hinsichtlich der Gruppe der Verfolger und den Verletzungen der Revisionswerberin noch im Hinblick darauf, wie die Revisionswerberin - als alleinstehende Frau - im Fall der Rückkehr das Leben in Nigeria finanzieren solle, ordnungsgemäß ermittelt.

8        Ausgehend vom Inhalt der Beschwerde zeigt die Revisionswerberin eine zur Zulässigkeit der Revision führende Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht auf. Auch wenn die Revisionswerberin die Erwägungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in der Beschwerde als unzutreffend erachtet hat, ist dieser nicht zu entnehmen, dass sie dazu ein solches Vorbringen erstattet hätte, sodass das Bundesverwaltungsgericht nach den hier maßgeblichen Bestimmungen (vgl. grundlegend zur Verhandlungspflicht VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018, sowie aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 23.2.2022, Ra 2021/14/0408, mwN) infolge der der Behörde unterlaufenen maßgeblichen Ermittlungsmängeln verpflichtet gewesen wäre, eine Verhandlung durchzuführen.

9        Die Revision bringt dazu weiters vor, das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Beweiswürdigung, anders als die Behörde, auch auf die Einvernahme vom 27. Mai 2021 Bezug genommen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes löst das Aufzeigen weiterer, von der Verwaltungsbehörde nicht aufgegriffener und somit erstmals thematisierter Aspekte die Verhandlungspflicht jedoch nur dann aus, wenn damit die tragenden verwaltungsbehördlichen Erwägungen nicht bloß unwesentlich ergänzt werden (vgl. VwGH 18.12.2019, Ra 2019/14/0452, mwN). Der Revision ist zwar zuzugestehen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Einvernahme vom 27. Mai 2021 in seinen beweiswürdigenden Überlegungen erwähnt hat. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin hat sich das Verwaltungsgericht aber - wie schon die Behörde - tragend auf andere Aspekte gestützt, so dass es sich somit nicht um eine wesentliche Ergänzung handelt.

10       Soweit die Revision mangelhafte Ermittlungen bei der Prüfung des Fluchtgrundes als auch bei der bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative, wonach sich das Verwaltungsgericht nicht ausreichend mit den persönlichen Umständen der Revisionswerberin auseinandergesetzt habe, anspricht, macht sie Verfahrensfehler geltend. Werden solche Mängel - wie hier Feststellungs-, Begründungs- und Ermittlungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 4.11.2021, Ra 2021/14/0333 bis 0334, mwN). Eine entsprechende Darstellung jener Tatsachen, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten, lässt die Revision vermissen. Mit dem bloß kursorischen Vorbringen, es hätte erhoben werden müssen, ob bestimmte Umstände vorlägen, wird über weite Strecken nicht konkret dargetan, welche Feststellungen - allenfalls nach welchen weiteren Erhebungen - hätten getroffen werden können.

11       Wenn die Revision die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der Revisionswerberin die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Nigeria zumutbar ist, angreift und diese als widersprüchlich im Hinblick auf die Verneinung einer Verfolgungsgefahr sieht, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage der Sicherheit des Asylwerbers in dem als innerstaatliche Fluchtalternative geprüften Gebiet des Herkunftsstaates wesentliche Bedeutung hat. Es muss mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der Asylwerber in diesem Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigten, findet. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein (vgl. dazu VwGH 9.11.2021, Ra 2020/14/0450, mwN). Dass das Bundesverwaltungsgericht von diesen Leitlinien abgewichen wäre, zeigt die Revision, die sich auch von den dazu getroffenen Feststellungen entfernt, nicht auf.

12       Mit dem Verweis, es läge eine Scheinbegründung vor, wendet sich die Revisionswerberin zur Begründung der Zulässigkeit der Revision auch gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts, womit ihrem Vorbringen zu einer asylrelevanten Verfolgung im Heimatland nicht gefolgt wurde.

13       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 13.1.2022, Ra 2021/14/0386 bis 0390, mwN). Dass dies hier der Fall wäre, wird mit dem bloß pauschal gehaltenen Vorbringen in der Revision nicht dargetan. Wenn die Revision in diesem Zusammenhang rügt, die von der Revisionswerberin vorgenommenen Korrekturen ihrer Aussage anlässlich der Rückübersetzung der Niederschrift seien zu ihren Lasten gewürdigt worden, ist ihr zu entgegnen, dass auch mit diesem Vorbringen keine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aufgezeigt wird.

14       Soweit sich die Revision lediglich zur Demonstration der Mangelhaftigkeit des Verfahrens auch auf eine vorerst „gescheiterte“ Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses per Telefax, welches letztlich postalisch zugestellt wurde, beruft, wird damit nicht aufgezeigt, dass das Schicksal der Revision von der Lösung einer grundsätzlichen Rechtsfrage abhinge.

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 7. April 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022140051.L00

Im RIS seit

06.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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