TE Lvwg Beschluss 2021/1/4 VGW-107/032/13191/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.01.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.01.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §54b Abs1

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer über die Beschwerde des A. B. gegen den in der behördlichen Erledigung des Magistrats der Stadt Wien vom 9. September 2020, Zl. MBA/.../2020, enthaltenen Ausspruch einer "Mahnung" iSd § 54b Abs. 1 VStG, den

BESCHLUSS

gefasst:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

1.       Gegenüber dem Beschwerdeführer erging eine Erledigung der belangten Behörde vom 9. September 2020, Zl. MBA/.../2020, in welcher I. eine Mahnung für einen aushaftenden Strafbetrag in der Höhe von € 100,— samt der zugehörigen Verfahrenskosten, II. ein Rückstandsausweis für die Mahngebühr und III. eine Vollstreckungsverfügung hinsichtlich des aushaftenden Strafbetrags samt Verfahrenskosten und Mahngebühr ausgesprochen wurde.

2.       Gegen diese Erledigung richtet sich das an die belangte Behörde adressierte E-Mail des Beschwerdeführers vom 1. Oktober 2020, welches im Betreff "Mahnung Einspruch" anführt und in welchem der Beschwerdeführer ausführt, er erhebe "Einspruch auf die o.a. Mahnung" und sei sich keines Delikts bewusst.

3.       In Hinblick auf diesen Beschwerdewortlaut wies das Verwaltungsgericht Wien den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23. November 2020 darauf hin, dass sich sein Rechtsmittel seinem Wortlaut nach ausschließlich auf den Ausspruch der Mahnung in der behördlichen Erledigung beziehe; dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit eingeräumt binnen 14 Tagen bekannt zu geben, ob sich seine Beschwerde ausschließlich auf diese Mahnung oder auch auf die anderen Aussprüche in diesem Schreiben beziehe. Die Aufforderung des Verwaltungsgerichts Wien wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 1. Dezember 2020 zugestellt und von ihm nicht behoben. Die Aufforderung blieb in der Folge unbeantwortet.

4.       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht verpflichtet, den Sinn eines mehrdeutigen Parteienantrags durch Herbeiführung einer entsprechenden Parteienerklärung festzustellen. Ist der Umfang eines von einer Partei gestellten Antrags unklar, dann ist die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht verpflichtet, den Antragsteller zu einer Präzisierung des nicht eindeutigen Umfangs seines Begehrens aufzufordern (vgl. VwGH 21.5.1997, 95/19/1137, und zur Rechtslage ab Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz VwGH 28.5.2019, Ra 2018/15/0036).

5.       Für das Verwaltungsgericht Wien erwies sich das in Gesamtschau als Beschwerde zu wertende Schreiben des Beschwerdeführers vom 1. Oktober 2020 gegen die behördliche Erledigung vom 9. September 2020 als potentiell mehrdeutig, als die bekämpfte behördliche Erledigung ihrem Aufbau nach in drei getrennte Aussprüche unterteilt ist, von welchen nur der erste mit "Mahnung" übertitelt ist und sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde ausdrücklich nur auf eine "Mahnung" bezieht, gleichzeitig der Beschwerdeführer aber in seiner Beschwerde nicht ausdrücklich erkennen lässt, dass er die anderen beiden Aussprüche der angefochtenen Erledigung unbekämpft lassen will. Um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einzuräumen, seine Beschwerdeerklärung zu präzisieren, hat das Verwaltungsgericht Wien den Beschwerdeführer um entsprechende Klarstellung ersucht. Der Beschwerdeführer hat von der Möglichkeit, seine Parteienerklärung zu präzisieren, nicht Gebrauch gemacht. Folglich orientiert sich das Verwaltungsgericht Wien am Wortlaut der Beschwerdeerklärung, welche sich ausdrücklich auf die "Mahnung" bezieht und geht im Weiteren davon aus, dass der Beschwerdeführer einzig den in der behördlichen Erledigung vom 9. Septembers 2020 enthaltenen Ausspruch einer Mahnung bekämpft.

6.       In der Folge ist zu prüfen, ob es sich bei der vom Beschwerdeführer bekämpften Mahnung iSd § 54b Abs. 1 VStG um eine bescheidmäßige Erledigung handelt:

6.1.    Gemäß § 54b Abs. 1 VStG sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen und sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Nachfrist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen. Gemäß § 54b Abs. 1a VStG ist im Fall einer Mahnung gemäß Abs. 1 ein pauschalierter Kostenbeitrag in der Höhe von fünf Euro zu entrichten. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat. Gemäß dem (durch die Novelle BGBl. I 57/2018 eingefügten und am 1. Jänner 2019 in Kraft getretenen) § 54b Abs. 1b VStG ist als Grundlage für die Einbringung der vollstreckbar gewordenen Mahngebühr ein Rückstandsausweis anzufertigen, der den Namen und die Anschrift des Bestraften, den pauschalierten Kostenbeitrag und den Vermerk zu enthalten hat, dass der Kostenbeitrag vollstreckbar geworden ist. Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel im Sinne des § 1 der Exekutionsordnung, RGBl. 79/1896.

6.2.    Aus den Bestimmungen des § 54b Abs. 1, 1a und 1b VStG lässt sich nicht ableiten, dass es sich bei der Mahnung gemäß § 54b Abs. 1 VStG und einer darin enthaltenen Vorschreibung von Mahngebühren um einen Bescheid handelt. Vielmehr ergibt sich aus einer Zusammenschau der Bestimmungen, dass eine gesetzmäßig ausgesprochene Mahnung gemäß § 54b Abs. 1 VStG die Verpflichtung zur Zahlung des Kostenbeitrags gemäß § 54b Abs. 1a VStG auslöst. Ginge man davon aus, dass bereits die Vorschreibung der Mahnung samt Mahngebühr in Bescheidform erfolgte, wäre die Ausstellung eines Rückstandsausweises für die Einbringung der Mahngebühr nicht erforderlich, da es sich bei Bescheiden von Verwaltungsbehörden gemäß § 1 Z 12 EO ohnedies um Exekutionstitel im Sinne der Exekutionsordnung bzw. um vollstreckbare Titel im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 VVG handelt. Ginge man davon aus, dass es sich bei der Mahnung gemäß § 54b Abs. 1 VStG um einen vor dem Verwaltungsgericht bekämpfbaren Bescheid handelte, würde dies zudem eine Verzögerung des Vollstreckungsverfahrens mit sich bringen, die dem vom Gesetzgeber mit der Einführung der Mahnung verfolgten Ziel der Kostenersparnis zuwiderlaufen würde (vgl. ErläutRV 2009 BlgNr XXIV. GP 22).

Auch Rechtsschutzerwägungen sprechen nicht für die Auffassung, dass es sich bei der Mahnung gemäß § 54b Abs. 1 VStG und einer darin enthaltenen Aufforderung zur Zahlung des pauschalierten Kostenersatzes gemäß § 54b Abs. 1a VStG um einen Bescheid handelt. Der Beschwerdeführer kann nämlich Einwendungen gegen den Rückstandsausweis im Sinne des § 54b Abs. 1b VStG erheben, über die die Behörde dann mit Bescheid zu entscheiden hat (vgl. Kolonovits/Musak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 [2014], Rz. 1307).

6.3.    Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei der Mahnung im Sinne des § 54b Abs. 1 VStG um keinen Bescheid, sondern um eine Verfahrensanordnung handelt (so auch Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 [2014], Rz. 1238 und Raschauer/Wessely, Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz², Rz. 4 zu § 54b VStG).

Da es sich bei der von der belangten Behörde in ihrer Erledigung vom 9. September 2020 ausgesprochenen Mahnung um keinen Bescheid handelt, ist die gegen diese Mahnung gerichtete Beschwerde mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen.

7.       Im Lichte dieses Ergebnisses ist die Beschwerdeerklärung nicht anders zu deuten. Parteienerklärungen sind zwar im Zweifel nicht so auszulegen, dass ein von vorneherein aussichtsloses Rechtsschutzbegehren unterstellt wird (VwGH 31.3.2009, 2007/06/0235), der Wortlaut der vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde lässt jedoch nach Durchführung weiterer Ermittlungsschritte keine andere Deutung als die ausschließliche Bekämpfung der "Mahnung" zu (vgl. auch zum objektiven Erklärungswert einer Eingabe aus der ständigen Rechtsprechung VwGH 9.6.2020, Ra 2019/10/0048, und VwGH 26.2.2020, Ra 2019/05/0061, zum Erfordernis weiterer Ermittlungen bei Zweifeln über den Anfechtungsgegenstand einer Beschwerde).

8.       Die Durchführung einer – im Übrigen von keiner Verfahrenspartei beantragten öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien konnte entfallen, da – wie dargelegt – die Beschwerde bereits auf Grund der Aktenlage zurückzuweisen ist.

9.       Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Bereits bisher hat der Verwaltungsgerichtshof einer Mahnung keinen Bescheidcharakter zuerkannt (VwGH 22.6.1988, 88/02/0075). Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von dieser bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die Auslegung der Beschwerdeerklärung stellt eine Frage des Einzelfalls dar und wirft regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Mahnung; Bescheidcharakter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.107.032.13191.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten