TE Vwgh Beschluss 2022/4/5 Ra 2020/08/0143

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.04.2022
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §243 Abs1 Z1
ASVG §314
ASVG §5 Abs1 Z7
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der Pensionsversicherungsanstalt in Wien, vertreten durch Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in 1050 Wien, Schönbrunner Straße 42/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juli 2020, L503 2215294-1/6E, betreffend Beitragsgrundlagen nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: A R), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 23. Jänner 2019 stellte die revisionswerbende Pensionsversicherungsanstalt die Höhe der Beitragsgrundlagen und Sonderzahlungen des Mitbeteiligten nach dem ASVG für die Jahre 1995 bis 2001 mit näher angeführten Beträgen fest. Begründend führte sie aus, Beitragsgrundlage sei gemäß § 44 Abs. 1 ASVG der im betreffenden Zeitraum gebührende Arbeitsverdienst, somit das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 ASVG. Die Ermittlung des Entgelts (Geld- und Sachbezüge) sei anhand der „Einstufungshilfe“ der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs vom 9. Oktober 2011 erfolgt, in der sowohl der Wert der erhaltenen Sachbezüge als auch die Bezüge nach der Dienst- und Besoldungsordnung für Angestellte der Diözese X ausgewiesen seien.

2        In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte der Mitbeteiligte im Wesentlichen vor, die Ermittlung der Beitragsgrundlagen sei unrichtig erfolgt, weil nicht auf das tatsächlich bezogene Gehalt (Geld- und Sachbezüge), sondern gemäß § 243 Abs. 1 Z 1 ASVG auf einen fiktiven Arbeitsverdienst eines gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten abzustellen sei.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und stellte die Beitragsgrundlagen des Mitbeteiligten für die verfahrensgegenständlichen Zeiträume neu - mit höheren Beträgen - fest. Es sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, der Mitbeteiligte sei im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Ordensangehöriger im Geistlichen Stand der Katholischen Kirche - zunächst Novize, dann Diakon und nach Abschluss seines Theologiestudiums Priester - gewesen und damit gemäß § 5 Abs. 1 Z 7 ASVG von der Vollversicherung nach dem ASVG ausgenommen. Für diesen Zeitraum sei von der Erzabtei Z ein Überweisungsbetrag gemäß § 314 ASVG an die Pensionsversicherungsanstalt geleistet worden. Das Bundesverwaltungsgericht stellte weiters - auf Grundlage eines im Auftrag des Landesgerichtes Salzburg (als Arbeits- und Sozialgericht) erstatteten Gutachtens eines berufskundlichen Sachverständigen - fest, was ein körperlich und geistig gesunder Versicherter von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten wie der Mitbeteiligte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum hätte üblicherweise ins Verdienen bringen können.

5        In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, Beitragsgrundlage sei aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 243 Abs. 1 Z 1 fünfter Fall ASVG ein Betrag in Höhe des in der betreffenden Zeit üblichen Arbeitsverdienstes eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten und nicht wie von der Pensionsversicherungsanstalt vertreten, der Anspruchslohn des Mitbeteiligten.

6        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende (außerordentliche) Amtsrevision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, zur Rechtsfrage, wie § 243 Abs. 1 Z 1 fünfter Fall ASVG auszulegen sei, liege bislang keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich inhaltlich nicht mit der maßgeblichen Frage auseinandergesetzt, wie das Tatbestandsmerkmal „ein Betrag in Höhe des in der betreffenden Zeit üblichen Arbeitsverdienstes eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten“ auszulegen sei. Unter der Überschrift „III. Rechtsansicht der Pensionsversicherungsanstalt“ wird ergänzend dazu - auf das Wesentliche zusammengefasst - vorgebracht, es sei entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht auf einen fiktiven Verdienst, sondern auf den Anspruchslohn abzustellen.

11       Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. VwGH 21.10.2021, Ra 2019/07/0120, mwN).

12       Der Verwaltungsgerichtshof hat die in der Zulässigkeitsbegründung der Revision einzige aufgeworfene Rechtsfrage mit Erkenntnis vom heutigen Tag zu Ra 2021/08/0047, auf dessen ausführlichen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, geklärt. Demnach ist bei der Bildung der für die Pensionsbemessung maßgeblichen Beitragsgrundlage gemäß § 243 Abs. 1 Z 1 fünfter Fall ASVG - nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut - nicht auf einen allenfalls tatsächlich bestehenden Entgeltanspruch oder auf eine bestimmte, im Orden ausgeübte Tätigkeit abzustellen, sondern - im Wege einer abstrakten Betrachtung - auf den Verdienst, der bei einer auf Grund der vorhandenen Ausbildung, Kenntnisse und Fähigkeiten möglichen Beschäftigung „üblich“ wäre.

13       Da somit nunmehr eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur geltend gemachten Rechtsfrage besteht, wonach die von der PVA vertretene Sichtweise nicht zutrifft, werden in der Revision keine Rechtsfragen mehr aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 5. April 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020080143.L00

Im RIS seit

05.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten