TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/18 VGW-031/077/17223/2021, VGW-031/077/17224/2021, VGW-031/077/17225/2021,

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.03.2022
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Entscheidungsdatum

18.03.2022

Index

23/04 Exekutionsordnung

Norm

Erklärung von Verstößen gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zu Verwaltungsübertretungen §1 Abs1
EO §382g Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Oppel über die Beschwerden des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 18.11.2021, Zl. VStV/.../2020, wegen Übertretung des Art. 2 § 1 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz-Novelle (SPG) iVm mit dem im Spruch angeführten Paragraphen der Exekutionsordnung (EO) idF Gewaltschutzgesetz 2019 (GewSchG), gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 18.11.2021, Zl. VStV/.../2020, wegen Übertretung des Art. 2 § 1 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz-Novelle (SPG) iVm mit dem im Spruch angeführten Paragraphen der Exekutionsordnung (EO) idF Gewaltschutzgesetz 2019 (GewSchG), gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 18.11.2021, Zl. VStV/.../2020, wegen Übertretung des Art. 2 § 1 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz-Novelle (SPG) iVm mit dem im Spruch angeführten Paragraphen der Exekutionsordnung (EO) idF Gewaltschutzgesetz 2019 (GewSchG), gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 18.11.2021, Zl. VStV/.../2020, wegen Übertretung des 1) - 3) Art. 2 § 1 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz-Novelle (SPG) iVm mit dem im Spruch angeführten Paragraphen der Exekutionsordnung (EO) idF Gewaltschutzgesetz 2019 (GewSchG), gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 18.11.2021, Zl. VStV/.../2020, wegen Übertretung des 1) - 6) Art. 2 § 1 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz-Novelle (SPG) iVm mit dem im Spruch angeführten Paragraphen der Exekutionsordnung (EO) idF Gewaltschutzgesetz 2019 (GewSchG), gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 18.11.2021, Zl. VStV/.../2020, wegen Übertretung des 1) und 2) Art. 2 § 1 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz-Novelle (SPG) iVm mit dem im Spruch angeführten Paragraphen der Exekutionsordnung (EO) idF Gewaltschutzgesetz 2019 (GewSchG), und gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 18.11.2021, Zl. VStV/.../2020, wegen Übertretung des 19 bis 5) Art. 2 § 1 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz-Novelle (SPG) iVm mit dem im Spruch angeführten Paragraphen der Exekutionsordnung (EO) idF Gewaltschutzgesetz 2019 (GewSchG),

zu Recht e r k a n n t :

I.     Gemäß § 50 VwGVG werden die Straferkenntnisse dahingehend abgeändert, dass die verhängte Geldstrafe pro Tat von jeweils EUR 150,-- auf jeweils EUR 20,-- und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Freiheitsstrafe auf jeweils 4 Stunden herabgesetzt werden. Der gemäß § 64 VStG zu zahlende Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens beträgt je Tat jeweils EUR 10,--, das ist jeweils der gesetzliche Mindestbeitrag. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen und werden die Straferkenntnisse bestätigt.

II.    Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu zahlen.

III.   Die ordentliche Revision ist unzulässig.

Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer hat gegen die im Spruch angeführten Straferkenntnisse rechtzeitig Beschwerde erhoben im Wesentlichen vorgebracht, er habe die ihm angelasteten Taten nicht begangen.

Es wurde zunächst der Akt des Bezirksgerichtes C., ..., angefordert und sodann am 14.03.2022 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet. Der Beschwerdeführer hat rechtzeitig eine schriftliche Vollausfertigung des Erkenntnisses verlangt.

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Taten zwar begangen hat, ihm aber aufgrund einer von ihm selbst belegten psychischen Erkrankung gewichtige Milderungsgründe zugutekommen. Wegen dieser Milderungsgründe sowie wegen der ungünstigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers waren die verhängten Strafen spruchgemäß herabzusetzen.

Im Detail ist dazu auszuführen:

Die in der mündlichen Verhandlung einvernommene Zeugin hat in einer dem Gericht glaubwürdigen und überzeugenden Weise dargelegt, dass sie Frau D. regelmäßig in den Hobbyraum begleitet und sich mit Frau D. im Hobbyraum aufgehalten hat. Grund für diese regelmäßige Begleitung sei das Verhalten des Beschwerdeführers gewesen. Die Zeugin habe selbst durch den Türspion des Hobbyraums die dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten wahrgenommen. Ebenso habe sie selbst wahrgenommen, dass der Beschwerdeführer bei diesen Gelegenheiten den Türspion mit Klebestreifen überklebt habe.

Die Einvernahme der Zeugin durch das Verwaltungsgericht war dabei sehr ausführlich. Aufgrund der Pandemie hatte die Zeugin durchgehend einen Mund/Nasen-Schutz zu tragen, welcher es dem Gericht unmöglich machte, die Mimik der Zeugin während ihrer Aussage vollständig zu verfolgen. Die Mimik der Zeugin konnte dabei nur insoweit verfolgt werden, als insbesondere die Augenpartie der Zeugin nicht verdeckt war. Aufgrund des unmittelbaren Eindrucks der Zeugin im Zuge ihrer Vernehmung erschien ihre Aussage glaubwürdig. Insbesondere erschien die Aussage in sich widerspruchsfrei sowie in sich schlüssig und erweckte die Zeugin dabei durchaus den Eindruck, ihre Angaben aus ihrer Erinnerung abzurufen.

Die Angaben der Zeugin standen dabei im Einklang mit den aktenkundigen bisherigen Angaben der Frau D..

Im Akt des Bezirksgerichtes C., ..., liegt unter ONR 18 im Anschluss an das Protokoll vom 30.06.2020 ein ärztlicher Befundbericht auf, in welchem die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. F. bescheinigt, dass der Beschwerdeführer seit vielen Jahren an einer Depression leidet, welche mit reduziertem Antrieb und massivem Rückzug verbunden ist und mit den aus dieser Bescheinigung ersichtlichen Medikamenten behandelt wird. Der Beschwerdeführer ist demnach weder kursfähig noch rehafähig. Das Bezirksgericht C. hat sich mit diesem fachärztlichen Befund umfassend auseinandergesetzt und diesen im Wesentlichen als nicht glaubwürdig erachtet, weil der Beschwerdeführer ein Verhalten an den Tag legen würde, welches dem in diesem Befundbericht dem Beschwerdeführer bescheinigten Depression mit massivem Rückzug gegenläufig sei.

Der Beschwerdeführer ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen und hat bis zur mündlichen Verkündung auch nicht angegeben, warum er zur Verhandlung nicht erschienen ist.

Das Verwaltungsgericht ist zumindest im Zweifel davon ausgegangen, dass der vom Beschwerdeführer dem Bezirksgericht C. vorgelegte Befundbericht sehr wohl den Tatsachen entspricht und der Beschwerdeführer die in diesem Befundbericht angeführte psychiatrische Erkrankung tatsächlich hat.

Es ist amtsbekannt, dass Depressionen, wie sie dem Beschwerdeführer fachärztlich bescheinigt wurden, den Patienten in eine Lage versetzen können, der er depressionsbedingt nicht mehr in der Lage ist, Gerichts- und Behördentermine wahrzunehmen. Nach Kenntnisstand des Gerichts ist dies bei derartigen Erkrankungen dann der Fall, wenn die Erkrankung in eine depressive Phase tritt bzw. wenn die Depression akut wird. Das Nichterscheinen des Beschwerdeführers wurde deshalb im Zweifel auf diese Erkrankung zurückgeführt.

Es ist dem Gericht weiters bekannt, dass Erkrankungen des depressiven Erkrankungsspektrums in der Regel nicht bedeuten, dass der Erkrankte stets depressiv ist und stets ein Rückzugsverhalten an den Tag legt. Derartige Erkrankungen weisen in vielen Fällen ein bipolares Erscheinungsbild auf, in welchem depressive Phasen mit Rückzugsverhalten und großer Passivität mit manischen Phasen, die von Überaktivität und zwanghaftem Verhalten geprägt sind, einander abwechseln.

Der fachärztliche Befundbericht ist nicht detailliert genug, um diesem entnehmen zu können, ob die Erkrankung des Beschwerdeführers auch manische Phasen einschließt. Nach den Erfahrungen des Gerichtes mit derartigen Erkrankungen ist es jedoch eher die Regel als die Ausnahme, dass depressive Erkrankungen auch manische Phasen beinhalten.

In der einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes C. vom 21.07.2020, ..., hat das Bezirksgericht gewürdigt, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegte fachärztliche Bestätigung betreffend seine Depression mit reduziertem Antrieb erstaunen würde, weil der Beschwerdeführer seit vielen Jahren beim Bezirksgericht in Erscheinung trete und dabei niemals den Eindruck eines depressiven Verhaltens erweckt habe, sondern stets sehr offensiv und kämpferisch auftreten würde.

Das Verwaltungsgericht erblickt darin keinen Widerspruch, sondern vielmehr ein gewichtiges Indiz dafür, dass beim Beschwerdeführer die depressiven Phasen mit manischen Phasen abwechseln, wie dies bei Depressionen eher die Regel als die Ausnahme ist. Zumindest wurde im Zweifel zugunsten des Beschwerdeführers von einem derartigen Verlauf seiner fachärztlich bestätigten psychischen Erkrankung ausgegangen.

Die in der mündlichen Verhandlung vom Verwaltungsgericht vernommene Zeugin hat auf Befragen durch das Gericht glaubwürdig und überzeugend dargelegt, dass der Beschwerdeführer offenbar der Ansicht sei, der Türspion sei in Wahrheit Teil einer Kamera und der Beschwerdeführer werde unzulässiger Weise mit dieser gefilmt. Es hätten offenbar auf Veranlassung des Beschwerdeführers wiederholt Überprüfungen durch Wiener-Wohnen dahingehend stattgefunden, ob der Türspion die Linse einer Kamera sei bzw. ob unzulässiger Weise eine Kamera im Türbereich installiert sei. Auch aus der Aktenlage und aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers geht hervor, dass der Beschwerdeführer der Ansicht ist, es sei unzulässiger Weise eine Kamera installiert.

Für das Verwaltungsgericht besteht außer der diesbezüglichen Überzeugung des Beschwerdeführers kein Indiz dafür, dass tatsächlich eine Kamera installiert wäre. Im Hinblick auf den Inhalt insbesondere des Aktes des Bezirksgerichtes C. und dem als erwiesen angenommenen Verhalten des Beschwerdeführers besteht jedoch zumindest die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer der vollen Überzeugung ist, über eine im Türbereich des Hobbyraums installierte Kamera laufend gefilmt zu werden. Eine solche Überzeugung des Beschwerdeführers wäre auch eine in sich schlüssige Erklärung dafür, warum der Beschwerdeführer den Türspion wiederholt mit einem Klebestreifen überklebt hat. Im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer selbst bescheinigten psychischen Erkrankung vermag eine solche Überzeugung, unzulässiger Weise gefilmt zu werden, einen erheblichen Leidensdruck für den Beschwerdeführer aufzubauen.

Festzuhalten ist jedoch, dass dem Beschwerdeführer durchaus bekannt und bewusst ist, psychisch erkrankt zu sein, zumal er selbst, jedenfalls dem Bezirksgericht C. gegenüber, seine psychische Erkrankung vorgebracht und durch einen fachärztlichen Befundbericht belegt hat.

Rechtlich hat das Verwaltungsgericht erwogen, dass der Beschwerdeführer der Wegweisung durch das Bezirksgericht C. wiederholt zuwidergehandelt und damit die ihm zur Last gelegten Taten begangen hat.

Wäre der Beschwerdeführer psychisch gesund und insoweit voll zurechnungsfähig, so wären die verhängten Strafen sowohl tatangemessen als auch schuldangemessen und hätten die verhängten Strafen nur vollinhaltlich bestätigt werden können. Dem Beschwerdeführer hätten in diesem Fall zusätzlich noch jeweils 20 % der verhängten Geldstrafen als Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt werden müssen.

Das Gericht ist jedoch im Zweifel zugunsten des Beschwerdeführers davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer unter der von ihm belegten psychischen Erkrankung leidet und das Krankheitsbild auch manische Phasen einschließt, in denen der Beschwerdeführer unter der zwanghaften Vorstellung leidet, von einer versteckten Videokamera gefilmt zu werden, und aufgrund von gesteigerter Aktivität gegen diese Bedrohungen vorgeht. Es kann zwar nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob dies so zutrifft, jedoch war im Zweifel der für den Beschwerdeführer günstigere Sachverhalt anzunehmen.

Unter diesen Annahmen sind empfindliche Geldstrafen nicht das geeignete Mittel, den Beschwerdeführer zu einer rechtskonformen Beachtung der erfolgten Wegweisung zu veranlassen. Die Erkrankung des Beschwerdeführers vermag jedoch die ihm angelasteten Taten nicht zu entschuldigen. Das Gericht geht weiters davon aus, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf das Wissen von seiner psychischen Erkrankung durchaus in der Lage gewesen wäre, sich rechtskonformen zu verhalten, indem er zeitgerecht fachärztliche Unterstützung in Anspruch nimmt und sich nicht dazu hinreißen lässt, vermeintliche Videokameras, bei denen es sich tatsächlich lediglich um einen Türspion handelt, zu verkleben sowie dabei der Wegweisung durch das Bezirksgericht zuwiderzuhandeln.

Im Hinblick auf die ausgeführten Entscheidungsgründe, die zugunsten des Beschwerdeführers anzunehmen waren, waren die verhängten Strafen spruchgemäß herabzusetzen.

Schlagworte

Zuwiderhandeln gegen einstweilige Verfügungen; Schutz vor Gewalt; fachärztlicher Befund; psychische Erkrankung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.031.077.17223.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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