TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/30 95/19/1516

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Veröffentlicht am 30.05.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §39 Abs2;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Dolp als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der EB in W, vertreten durch ihre Mutter SB als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. September 1995, Zl. 303.228/2-III/11/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit der Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.520,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. September 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. Mai 1995, mit dem ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz abgewiesen wurde, gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß Berufungen gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen seien. Da die Zustellung (des in Berufung gezogenen Bescheides) rechtswirksam am 10. Mai 1995 erfolgt und die Berufung erst am 26. Juni 1995 und daher verspätet eingebracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird und über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, daß entgegen der Annahme der belangten Behörde ihr der erstbehördliche Bescheid erst am 12. Juni 1995 zugestellt worden sei.

In den von der belangten Behörde übermittelten Verwaltungsakten erliegt eine von der Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin, erstattete, mit 21. März 1995 datierte und an den Hilfsapparat (Amt der Wiener Landesregierung) der Erstbehörde gerichtete "Vollmachtsvorlage", in der u.a. ausdrücklich um "Zustellung an meinen Rechtsanwalt Dr. W" ersucht wird. Dieses Schriftstück trägt keinen Einlaufstempel, doch ist diesem ein vom Postamt 1210 Wien am 23. März 1995 ausgefertigter Aufgabeschein beigeschlossen, sodaß - ausgehend von der allgemeinen Erfahrung mit der Postzustellung in Österreich - davon ausgegangen werden kann, daß der Erstbehörde diese Vollmachtsvorlage (der 23. März 1995 war ein Donnerstag) spätestens am 27. März 1995 zugegangen ist. Dieser Schriftsatz trägt keine Unterschrift; eine dem einschreitenden Rechtsanwalt erteilte Vollmacht erliegt nicht in den von der belangten Behörde übermittelten Verwaltungsakten. Aufgrund dieser Formgebrechen hätte die belangte Behörde iS des § 13 Abs. 3 AVG klären müssen, ob dem einschreitenden Rechtsfreund tatsächlich Zustellvollmacht nach § 9 Abs. 1 Zustellgesetz erteilt wurde. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte die Erstbehörde nach § 9 Abs. 1 Zustellgesetz rechtswirksam an die Beschwerdeführerin nur zuhanden ihres Vertreters zustellen dürfen (vgl. die bei Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I, 240 und 863 f, angeführte Rechtsprechung).

Dadurch, daß die belangte Behörde die Frage des Zeitpunktes und der Rechtswirksamkeit der Zustellung durch die Erstbehörde an die Beschwerdeführerin iS des § 9 Abs. 1 Zustellgesetz ungeklärt gelassen hat, hat sie den Bescheid mit einem Verfahrensfehler belastet, bei dessen Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, wurde doch der Bescheid der Erstbehörde dem nunmehr einschreitenden, angeblich bevollmächtigten Rechtsanwalt - wie sich aus den vorgelegten Akten ergibt - erst am 12. Juni 1995 zugestellt. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die Beschwerdeschrift lediglich in zwei Ausfertigungen zu erstatten war.

Schlagworte

Formgebrechen behebbare Unterschrift Formgebrechen behebbare Vollmachtsvorlage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995191516.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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