TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/30 95/06/0011

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Veröffentlicht am 30.05.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §62 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des Josef und der Annemarie W in O, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 7. Dezember 1994, Zl. Ve1-550-2171/1-2, betreffend Baubewilligung und Baueinstellung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Oberlienz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Gesuch vom 18. Jänner 1994 beantragten die Beschwerdeführer beim Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die Erteilung der baubehördlichen Genehmigung für einen westseitigen Terrassenaufbau bis zur Dachgleiche, eine Dachgaupenänderung an der Südseite und zwei zusätzliche Gaupen auf der Nordseite eines im Gemeindegebiet bestehenden Hotelgebäudes. Im Zubau geplante Zimmer sollten als Erweiterung des Hotelbestandes dienen. In der Bauverhandlung vom 22. Februar 1994 erklärte der bautechnische Sachverständige, es erscheine für die "Bescheiderstellung" erforderlich, brandschutztechnische Bedingungen durch einen entsprechenden Sachverständigen "einzuholen" und gegebenenfalls Auflagen in den Bescheid aufzunehmen. In weiterer Folge schlug die Tiroler Landesstelle für Brandverhütung schriftlich eine Reihe von brandschutztechnischen Bedingungen vor. Diese Stellungnahme ist zu Beginn mit "Oberlienz am 9.4.94" und am Schluß mit "Oberlienz am 9.3.94" datiert. In einer (ebenfalls) mit 9. März 1994 datierten Erledigung der mitbeteiligten Gemeinde an die Bezirkshauptmannschaft Lienz heißt es, "daß am heutigen Tag" der brandschutztechnische Sachverständige ein Gutachten erstellt habe, das beiliege.

Mit Bescheid vom 10. März 1994 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die Baubewilligung für den geplanten Zubau mit zahlreichen Vorschreibungen; in diesem Bescheid heißt es insbesondere, daß die angeschlossenen Vorschreibungen der Landesstelle für Brandverhütung einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bildeten.

Noch am selben Tag übernahm die Zweitbeschwerdeführerin sowohl die für sie als auch die für ihren Ehemann, den Erstbeschwerdeführer, bestimmte Ausfertigung des Baubewilligungsbescheides. Die Zustellungen an Nachbarn erfolgten am 15. März 1994.

In einem Schriftsatz vom 21. März 1994 nahm der Erstbeschwerdeführer mit näheren Ausführungen Stellung zu den Vorschreibungen der Landesstelle für Brandverhütung im Baubewilligungsbescheid vom 10. März 1994. Dieser Schriftsatz wurde von den Gemeindeorganen nach Rückfrage bei der belangten Behörde als Berufung gewertet. Am 25. März 1994 kam es zu einer Unterredung zwischen dem Erstbeschwerdeführer und dem Bürgermeister.

Mit Bescheid vom 30. März 1994 untersagte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die Fortsetzung der Arbeiten "am derzeitigen in Bau befindlichen Zubau zum Hotelgebäude", wie sie mit Bescheid vom 10. März 1994 bewilligt worden waren, "bis zu jenem Zeitpunkt, bis einwandfrei festgestellt wird, daß eine rechtskräftige Baubewilligung hiefür vorliegt". Werde innerhalb eines Monates nach Erlassung dieses Bescheides nicht nachträglich um die Baubewilligung angesucht oder werde sie versagt, so habe die Behörde die Beseitigung des ohne Baubewilligung ausgeführten Bauvorhabens aufzutragen. In der Rechtsmittelbelehrung heißt es, einer Berufung komme keine aufschiebende Wirkung zu. Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern am 31. März 1994 zugestellt. Die Zweitbeschwerdeführerin bezog in einem Schriftsatz vom selben Tag Stellung.

In einem Schriftsatz vom 1. April 1994 führte der Erstbeschwerdeführer zunächst aus, daß er den Bescheid vom 10. März 1994 "schon aus schwerwiegenden formellen, inhaltlichen und besonders von Vertragsverhältnissen im Innenverhältnis beeinspruchen" habe müssen; es folgt die Darstellung der Gründe. Weiters heißt es, daß der Baueinstellungsbescheid vom 30. März 1993 daher wider besseren Wissens ergangen sei und dem ganzen Inhalt nach angefochten werde (es folgen nähere Ausführungen). Er erhebe gegen den Baueinstellungsbescheid vom 30. März 1994 Vorstellung und beantrage, diese der Vorstellungsbehörde vorzulegen. Mit dieser Vorstellung werde aber auch der Umstand bekämpft, daß die Voraussetzungen für die Erlassung eines sogenannten Mandatsbescheides nicht vorgelegen seien. Der Baueinstellungsbescheid vom 30. März 1994 müsse aus der Welt geschaffen werden.

Diese Eingabe vom 1. April 1994 langte zunächst am 2. April 1994 per Fax, und sodann am 11. April 1994 im Original bei der mitbeteiligten Gemeinde ein.

Mit Berufungsbescheid vom 7. April 1994 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde "die Berufungen" des Erstbeschwerdeführers gegen den Baubewilligungsbescheid vom 10. März 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab. Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern - er erging auch an die Zweitbeschwerdeführerin als Bauwerberin "zur Kenntnis" - jeweils am 14. März 1994 durch Hinterlegung zugestellt (Beginn der Abholfrist).

In einem Schriftsatz vom 11. April 1994, der am selben Tag bei der Gemeinde einlangte, brachte der Erstbeschwerdeführer vor, der von ihm eingereichte Plan "auf westseitigen Terrassenaufbau sowie Dachgaupenänderung" sei am 10. März 1994 baupolizeilich genehmigt worden. Er "gebe daher die unwiderrufliche Verzichtserklärung ab, auf den Ausbau der Zimmer im Dachgeschoßinneren zu verzichten. Die Außenansicht bleibt gleich". Dadurch reduziere sich die Bettenzahl. Diesen Bauverzicht habe auch die Zweitbeschwerdeführerin bei der mündlichen Bauverhandlung am 22. März 1994 ausdrücklich abgegeben. Es sei aber unterlassen worden, diese Erklärung zu protokollieren.

Am selben Tag brachte der Erstbeschwerdeführer einen weiteren Schriftsatz ein (ebenfalls mit 11. April 1994 datiert), in welchem er vorbrachte, der Gemeindevorstand habe in seiner Sitzung vom 6. April beschlossen, den Baueinstellungsbescheid vom 30. März 1994 vollinhaltlich zu bestätigen. Daraufhin habe der Bürgermeister am 7. April 1994 auf der Straße den von den Beschwerdeführern betrauten Baumeister aufgehalten und diesen aufgefordert, die Baustelle zu räumen, was auch geschehen sei. Dadurch entstehe ein beträchtlicher Schaden. Er erhebe gegen den Baueinstellungsbescheid vom 30. März 1994 Berufung, gegen die Entscheidung des Gemeindevorstandes vom 6. April 1994 Vorstellung. Er mache geltend, "daß ein solches Rechtsmittel bereits zulässig ist sobald bekannt ist, daß ein derartiger Bescheid erlassen wurde. Dies ist durch die Anweisung des Bürgermeisters an meinen Baumeister einwandfrei erwiesen. Der formell noch gar nicht zugestellte Bescheid des Gemeindevorstandes konnte demnach angefochten werden" (wurde weiter ausgeführt).

Mit Schriftsatz vom 7. April 1994, der per Fax am 8. April 1994 beim Gemeindeamt einlangte, erhob die Zweitbeschwerdeführerin Berufung gegen den Baueinstellungsbescheid vom 30. März 1994. Darin brachte sie unter anderem vor, sie habe "als eigenständige Bauwerberin" am 10. März 1994 eine Baubewilligung erwirkt. Gegen diesen Bescheid sei keine Berufung erhoben worden, er sei daher rechtskräftig geworden und sie habe unter Vorlage des Bewilligungsbescheides bei der Gemeinde um die Anbringung der Rechtskraftklausel am Bescheid ersucht, weil nur der schriftliche Baukonsens als ein der Rechtskraft fähiger Verwaltungsakt anzusehen sei. "Darauf hat die Gemeinde aber

nicht reagiert und mir vielmehr am 31.3.1994 ... einen

Baueinstellungsbescheid mit der unhaltbaren Begründung zugestellt, daß der Bau solange eingestellt sei, bis eine rechtskräftige Baubewilligung dafür vorliegt" (wurde näher ausgeführt).

Mit dem am 28. April eingelangten Schriftsatz vom 26. April 1994 erhob die Zweitbeschwerdeführerin Vorstellung gegen den "Baueinstellungsbescheid des Gemeindevorstandes von Oberlienz vom 7.4.1994". Sie brachte vor, der Bürgermeister habe am 31. März 1994 einen Baueinstellungsbescheid erlassen. Darin sei die aufschiebene Wirkung "zwar in rechtsunwirksamer Form, aber dennoch, aberkannt" worden. Ein Ermittlungsverfahren sei nicht durchgeführt und selbst nach Bescheiderlassung nicht vorgenommen worden. Der Bescheid sei "also von Rechts wegen wieder außer Kraft getreten". Sie habe diesen Baueinstellungsbescheid am 8. April 1994 angefochten (Anmerkung: gemeint ist wohl die Eingabe vom 7. April 1994, die am 8. April 1994 eingebracht wurde). "Bereits am 6.4.1994 aber hat der Gemeindevorstand von Oberlienz meine Berufung, die damals noch gar nicht erhoben wurde, abgewiesen und selbst in diesem Verfahren die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens ausdrücklich verweigert". Sie erhebe daher gegen den ihr nun zugestellten "Baueinstellungsbescheid des Gemeindevorstandes von Oberlienz vom 7.4.1994" Vorstellung. Sie habe einen rechtskräftigen Baubescheid bekommen und sehe keinen Grund, weshalb man die begonnenen Bauarbeiten unterbinden sollte (wurde näher ausgeführt). Sie beantrage daher den angefochtenen Bescheid "wegen vielfacher Rechtsverletzungen aufzuheben". In einem Beisatz zu dieser Eingabe führte der Erstbeschwerdeführer aus: "Ich schließe mich obiger Forderung mit dem ausdrücklichen Hinweis an, daß ich am 11.4.1994 ebenfalls gegen den Baueinstellungsbescheid Vorstellung erhoben habe".

Mit Berufungsbescheid vom 9. Mai 1994 gab der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde den Berufungen der Beschwerdeführer gegen den Baueinstellungsbescheid vom 30. März 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge und behob den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid (ersatzlos). Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß mit Zustellung der Berufungsentscheidung vom 7. April 1994 der Baubewilligungsbescheid vom 10. März 1994 "wieder Rechtskraft erlangt" habe, infolgedessen hätten die Bauarbeiten lediglich bis zu diesem Zeitpunkt als untersagt gegolten und hätten sodann wieder aufgenommen werden können. Da nun ein rechtskräftiger Baubescheid vorliege, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15. Mai 1994 (eingelangt am 19. Mai) Vorstellung, in der sie mit näherer Begründung ausführten, daß sich die Vorstellung nicht gegen den Spruch, sondern lediglich gegen die Begründung dieses Berufungsbescheides richte.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde

1)

den Vorstellungen der Beschwerdeführer gegen den Berufungsbescheid vom 9. Mai 1994 keine Folge gegeben,

2)

die Vorstellung des Erstbeschwerdeführers gegen einen (behaupteten) Beschluß des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 6. April 1994 als unzulässig zurückgewiesen, sowie

3)

der Vorstellung der Zweitbeschwerdeführerin "gegen den Baueinstellungsbescheid (- Beschluß) des Gemeindevorstandes der Gemeinde Oberlienz bezeichnet vom 7.4.1994" keine Folge gegeben.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges aus, daß mit dem Berufungsbescheid vom 9. Mai 1994 in Stattgebung der Berufungen der Beschwerdeführer der Baueinstellungsbescheid des Bürgermeisters vom 30. März 1994 behoben worden sei. Die Vorstellungen wendeten sich nicht gegen den Spruch, sondern ausdrücklich nur gegen die Begründung des Bescheides. Eine Anfechtung lediglich der Begründung eines Berufungsbescheides sei jedoch nicht zulässig. Den Berufungsanträgen der Beschwerdeführer sei vollinhaltlich stattgegeben worden. Durch die ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides hätten die Beschwerdeführer nicht beschwert sein können.

Bei der vom Erstbeschwerdeführer genannten Entscheidung des Gemeindevorstandes vom 6. April 1994 handle es sich erst um eine im Rahmen der Gemeindevorstandssitzung ergangene Beschlußfassung und noch nicht um die Erlassung eines Bescheides. Nur ein erlassener Bescheid könne jedoch mit dem Rechtsmittel der Vorstellung bekämpft werden.

Die Zweitbeschwerdeführerin bekämpfe mit ihrer Vorstellung vom 26. April 1994 "einen ausdrücklich als Baueinstellungsbescheid definierten Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Oberlienz vom 7.4.1994". Aufgrund der Bezeichnung des bekämpften Bescheides als "angefochtener Baueinstellungsbescheid" sowie der Begründung des Rechtsmittels könne nicht davon ausgegangen werden, daß sie damit den Berufungsbescheid vom 7. April 1994 betreffend die Abweisung des Erstbeschwerdeführers im Baubewilligungsverfahren habe bekämpfen wollen. Da aber die Berufungsbehörde erst mit Bescheid vom 9. Mai 1994 über die Baueinstellung entschieden habe, sei zum Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Vorstellung noch kein anfechtbarer Bescheid vorgelegen, weshalb der Vorstellung keine Folge zu geben gewesen sei. Aber selbst dann, wenn man davon ausginge, daß sich die Vorstellung gegen den im Baubewilligungsverfahren ergangenen Berufungsbescheid vom 7. April 1994 gerichtet habe, wäre der Vorstellung ebenfalls keine Folge zu geben, weil der erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid vom 10. März 1994 nur vom Erstbeschwerdeführer, nicht aber auch von der Zweitbeschwerdeführerin angefochten worden sei, weshalb sie auch nicht berechtigt sei, diese Berufungsentscheidung mit Vorstellung zu bekämpfen.

Abschließend sei noch festzustellen, daß keine Eingabe des Erstbeschwerdeführers "u.a. auch aus zeitlich bedingten Gründen" als Rechtsmittel gegen den Berufungsbescheid vom 7. April 1994, der am 14. April 1994 zugestellt worden sei, gewertet werden könne.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführer haben Gegenäußerungen zur Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführer gehen mehrfach von unzutreffenden Annahmen aus: Richtig ist, daß die Stellungnahme der Tiroler Landesstelle für Brandverhütung am Beginn mit "9.4.1994", und am Schluß mit "9.3.1994" datiert ist. Die von den Beschwerdeführern hieraus sichtlich gezogene Schlußfolgerung, daß "das Gutachten überdies erst am 9.4.1994, also mehr als 1 Monat nach Erlassung des Baubescheides, erstellt" worden sei, ist schon aus chronologischen Gründen unhaltbar, weil diese Stellungnahme ja bereits in den am 10. März 1994 zugestellten Baubewilligungsbescheid vom selben Tag aufgenommen wurde, was die Beschwerdeführer auch gar nicht in Zweifel ziehen. Die unzutreffende Datierung ist vielmehr Folge eines offensichtlichen Schreibfehlers. Weiters ist die Annahme unrichtig, daß die Berufungsbehörde "bei Ausstellung des Bescheides am 7.4.1994" gar nicht auf die mit 1. April 1994 datierte Eingabe hätte Bedacht nehmen können, sei diese doch erst am 11. April 1994 eingebracht worden, weil - wie in der Sachverhaltsdarstellung näher ausgeführt - eine Telekopie dieser Eingabe vom 1. April 1994 bereits am 2. April 1994 beim Gemeineamt einlangte. Ebenfalls unrichtig ist die Beurteilung, daß es sich beim Baueinstellungsbescheid vom 30. März 1994 um einen Mandatsbescheid gehandelt habe, und es übersehen die Beschwerdeführer sichtlich in diesem Zusammenhang auch, daß es sich bei der Vorstellung gegen einen Mandatsbescheid (§ 57 AVG) sowie bei der Vorstellung im Gemeindeaufsichtsverfahren (§ 112 der Tiroler Gemeindeordnung 1966) um ganz unterschiedliche Rechtsmittel handelt.

Was nun das Baubewilligungsverfahren anlangt, haben die Verwaltungsbehörden zutreffend erkannt, daß es sich beim Schriftsatz des Erstbeschwerdeführers vom 21. März 1994 um eine Berufung gegen den zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid vom 10. März 1994 handelte. Der Umstand, daß der Bürgermeister in diesem Zusammenhang aufklärende Erkundigungen bei der belangten Behörde einholte, ist aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles irrelevant; keinesfalls kann darin eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten der Beschwerdeführer erblickt werden. Über diese Berufung hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Berufungsbescheid vom 7. April 1994 abweislich entschieden. Die Beurteilung der belangten Behörde, daß es der Zweitbeschwerdeführerin an der Berechtigung mangelte, diesen - voll bestätigenden - Berufungsbescheid mit Vorstellung (§ 112 der Tiroler Gemeindeordnung 1966) zu bekämpfen, weil sie den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid vom 10. März 1994 unbekämpft gelassen hatte (was unstrittig ist), ist zutreffend. Der Umstand, daß dem Verfahren ein gemeinsames Baugesuch der beiden Beschwerdeführer zugrundelag, vermag daran nichts zu ändern. Sollten daher die Ausführungen der Beschwerdeführer dahin zu verstehen sein, daß die Zweitbeschwerdeführerin ungeachtet der Bezeichnung des mit der Vorstellung vom 26. April 1994 bekämpften Bescheides als "Baueinstellungsbescheid" und der mehrfachen Bezugnahme auf das Baueinstellungsverfahren in der Begründung dieses Rechtsmittels dennoch den im Baubewilligungsverfahren ergangenen Berufungsbescheid vom 7. April 1994 bekämpfen wollte, wäre dieses Rechtsmittel, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, mangels Erschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen gewesen. Aus diesem Blickwinkel wurde daher die Zweitbeschwerdeführerin durch den Spruchteil 3. des angefochtenen Bescheides in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt.

Der Erstbeschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang sinngemäß geltend, entgegen der Annahme der belangten Behörde am Schluß der Begründung des angefochtenen Bescheides habe auch er den Berufungsbescheid vom 7. April 1994 bekämpft, was sich aus dem Nachsatz im Schriftsatz vom 26. April 1994 ergebe. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, ihm im vorliegenden Beschwerdeverfahren zum Erfolg zu verhelfen, weil die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid jedenfalls nicht über eine Vorstellung des Erstbeschwerdeführers gegen den Berufungsbescheid vom 7. April 1994 entschieden hat (sondern über andere Vorstellungen) und eine allfällige Verletzung der Entscheidungspflicht nicht mit Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 B-VG geltend zu machen ist (als solche ist die vorliegende Beschwerde ausdrücklich bezeichnet), sondern vielmehr mit Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG. Diese Möglichkeit bleibt dem Erstbeschwerdeführer ungeachtet der - diesbezüglich nicht bindenden - abschließenden Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides (daß keine Eingabe des Erstbeschwerdeführers als Rechtsmittel gegen den Berufungsbescheid vom 7. April 1994 gewertet werden könne) unbenommen.

Gemäß § 40 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung hat, wenn ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ausgeführt wird, ohne daß eine rechtskräftige Baubewilligung hiefür vorliegt, die Behörde die Fortsetzung der Arbeiten an diesem Bauvorhaben zu untersagen. "Behörde" im Sinne dieser Gesetzesbestimmung war im vorliegenden Fall gemäß § 50 Abs. 1 TBO der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz. Die Ausführungen der Beschwerdeführer, der Bürgermeister wäre zur Erlassung des Baueinstellungsbescheides vom 30. März 1994 unzuständig gewesen, sind daher, soweit nachvollziehbar, unzutreffend. Da es sich bei diesem Bescheid vom 30. März 1994, wie eingangs dargelegt, nicht um einen Mandatsbescheid handelte, haben die Gemeindebehörden die DAGEGEN von den Beschwerdeführern erhobenen Rechtsmittel auch zutreffend als Berufungen qualifiziert und behandelt. Es mag nun sein, daß bei den Beratungen der Berufungsbehörde am 6. April 1994 im Baubewilligungsverfahren - auch - dieser Baueinstellungsbescheid vom 30. März 1994 zur Sprache gekommen ist. Das bedeutet aber nicht, daß - schon oder allein - deshalb ein - bekämpfbarer - Berufungsbescheid im Baueinstellungsverfahren vorlag oder, wie die Beschwerdeführer vermeinen, erlassen war. Auch diesbezüglich ist die Beurteilung der belangten Behörde, daß der im Baueinstellungsverfahren ergangene Berufungsbescheid erst mit Zustellung "erlassen" wurde, zutreffend. Sofern die Beschwerdeführer erkennbar meinen, aus den Vorschriften des AVG ergebe sich Gegenteiliges, ist ihnen nicht zu folgen (siehe dazu beispielsweise die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 in E 11 ff zu § 62 AVG wiedergegebene Rechtsprechung). Daraus ergibt sich, daß die belangte Behörde die Vorstellung des Erstbeschwerdeführers gegen einen - behaupteten - Beschluß der Berufungsbehörde vom 6. April 1994 im Baueinstellungsverfahren zutreffend zurückgewiesen hat. Sollte sich die Vorstellung der Zweitbeschwerdeführerin vom 26. April 1994, wie von der belangten Behörde angenommen, gegen einen - behaupteten - Beschluß der Berufungsbehörde im Baueinstellungsverfahren vom 7. April 1994 gerichtet haben, so wäre die Zweitbeschwerdeführerin nach dem Gesagten auch unter diesem Blickwinkel durch den bekämpften Spruchteil 3. des angefochtenen Bescheides in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden.

Was nun den Spruchteil 1. des angefochtenen Bescheides anlangt, sind die Erwägungen der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführer durch die BEGRÜNDUNG des Berufungsbescheides im Baueinstellungsverfahren vom 9. Mai 1994, mit welchem in Stattgebung ihrer Rechtsmittel der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben wurde, nicht verletzt werden konnten, zutreffend, zumal diesen Gründen (anders etwa als im Falle einer Aufhebung gemäß § 66 Abs. 2 AVG) keine Bindungswirkung zukommt. Daher wurden die Beschwerdeführer auch durch den Spruchteil 1. des angefochtenen Bescheides in keinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Ihre weitwendigen Ausführungen, daß der erstinstanzliche Baueinstellungsbescheid vom 30. März 1994 zu Unrecht ergangen sei, vermögen daran nichts zu ändern. Vielmehr ist die Frage der Rechtmäßigkeit dieses erstinstanzlichen Baueinstellungsbescheides im vorliegenden Beschwerdeverfahren ebensowenig zu prüfen, wie die Rechtmäßigkeit der brandschutztechnischen Vorschreibungen im Baubewilligungsverfahren.

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995060011.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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