TE Vwgh Beschluss 2022/3/29 Ra 2021/05/0160

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Veröffentlicht am 29.03.2022
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Index

L00153 LVerwaltungsgericht Niederösterreich
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Niederösterreich
L82000 Bauordnung
L82003 Bauordnung Niederösterreich
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §8
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z1
BauO NÖ 2014 §6 Abs2 Z1
BauRallg
B-VG Art135 Abs3
Geschäftsverteilung LVwG NÖ
Geschäftsverteilung LVwG NÖ §5 Abs13
LVwGG NÖ 2014 §4 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr.in Gröger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der R W in T, vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwältin in 2500 Baden, Wiener Straße 46, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 26. Juli 2021, LVwG-AV-363/001-2020, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde T; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: M P in T), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Grundstücke der Revisionswerberin und des Mitbeteiligten grenzen aneinander. Auf dem Grundstück des Mitbeteiligten befindet sich ein Einfamilienhaus. Den Rechtsvorgängern des Mitbeteiligten wurde die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem genannten Grundstück erteilt; diese Bewilligung ist in Rechtskraft erwachsen. Das eingereichte und bewilligte Projekt umfasste ein Einfamilien-Fertigteilhaus samt einem als „Carport“ bezeichneten Bereich und einer daran anschließenden Brandmauer an der Grundstücksgrenze zur Revisionswerberin.

2        Mit baupolizeilichem Bescheid vom 6. Februar 2020 trug die belangte Behörde im innergemeindlichen Instanzenzug dem Mitbeteiligten auf, die Demontage des in den überdachten PKW-Stellplatz (Anmerkung: Carport) eingebauten Hubgliedertores zu veranlassen. In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Revisionswerberin (neuerlich wie schon im Berufungsverfahren) Konsenswidrigkeit und Fehlen eines Brandschutzes vor und beantragte, einen Abbruchauftrag für das Gebäude samt Carport zu erteilen.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

4        Begründend führte es aus, dass eine rechtskräftige Baubewilligung für das im Eigentum des Mitbeteiligten stehende Fertigteilhaus samt Carport vorliege. Diese Baubewilligung umfasse auch die darin eingetragenen baulichen Anlagen im Bereich des so bezeichneten „Carports“, nämlich die Feuermauer an der Grenze zum Grundstück der Revisionswerberin und das durchgehende Satteldach vom Einfamilienhaus bis zu dieser Feuermauer. Durch die bewilligte und ausgeführte Feuermauer würden die maßgeblichen ÖNORMEN erfüllt. Die Feuermauer schließe einen Brandüberschlag auf das Gebäude der Revisionswerberin und damit dessen Brandgefährdung durch ein Feuer auf dem Grundstück des Mitbeteiligten aus. Der Brandschutz des Bauwerkes der Revisionswerberin sei daher jedenfalls gewährleistet. Eine etwaige Brandgefährdung der Bauwerke des Mitbeteiligten, insbesondere seines Einfamilienhauses, sei hingegen vom subjektiven Nachbarrecht der Revisionswerberin nicht umfasst.

5        Soweit die Revisionswerberin neben dem Brandschutz auch den Schutz vor Emissionen (Anmerkung: Schall) geltend mache, nehme § 6 Abs. 2 Z 2 NÖ Bauordnung 2014 (im Folgenden: NÖ BO 2014) den Schutz vor Emissionen, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Zwecken jeder Art der Wohnnutzung ergeben würden, ausdrücklich aus. Die Revisionswerberin mache Emissionen geltend, die sich aus der Nutzung des Bereichs für das Abstellen von Kraftfahrzeugen ergeben würden. Der Bereich sei in den der Baubewilligung zu Grunde liegenden Einreichplänen als Carport ausgewiesen. Die Nutzung dieses Bereichs zum Abstellen von Kraftfahrzeugen sei daher von der rechtskräftigen Baubewilligung erfasst.

6        Der Zuweisung des Aktes an den erkennenden Richter liege die Abnahme des Geschäftsfalles von der zuvor zuständigen Richterin durch eine Verfügung des Personal- und Geschäftsverteilungsausschusses zugrunde. Die Zuweisung an den erkennenden Richter sei aufgrund des Zusammenhanges zum Verfahren LVwG-AV-229/001-2020 zu Recht erfolgt.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, dass der erkennende Richter unzuständig gewesen sei. Die zuständige Richterin sei erkrankt und ihr seien sämtliche anhängigen Geschäftsfälle abgenommen worden. Diese hätten nach den allgemeinen Vertretungsregeln verteilt werden müssen, aber nicht an den erkennenden Richter zugeteilt werden dürfen, dem nach den Vertretungsregeln der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtes 13 andere Richter vorgegangen wären.

12       Gemäß § 4 Abs. 2 NÖ Landesverwaltungsgerichtsgesetz dürfen einem Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes die ihm nach der Geschäftsverteilung zufallenden Geschäfte nur durch Verfügung des Personal- und Geschäftsverteilungsausschusses abgenommen werden, wenn es 1. verhindert ist und dies zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Geschäftsganges erforderlich ist oder 2. wegen des Umfangs der Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessen Frist gehindert ist. Diese einfachgesetzliche Regelung findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 135 Abs. 3 B-VG (vgl. sinngemäß VwGH 18.5.2020, Ra 2019/18/0354, mwN). Die Revisionswerberin bringt selbst vor, dass die zuständige Richterin erkrankt sei. Die Vertretungsregeln einer Geschäftsverteilung greifen regelmäßig für gewöhnliche Verhinderungen, nicht jedoch für eine längere Verhinderung, bei der ein ordnungsgemäßer Geschäftsgang nicht gewährleistet werden kann. Während im ersten Fall keine Aktenabnahme und Neuzuteilung zu erfolgen hat, ist im zweiten Fall die Aktenabnahme durch den Personal- und Geschäftsverteilungsausschuss zu verfügen; die Neuzuteilung erfolgt nach § 5 Abs. 13 der Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich. Die von der Revisionswerberin angesprochene Neuzuteilung nach den allgemeinen Vertretungsregeln findet in der Geschäftsverteilung keine Deckung.

13       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit darüber hinaus vor, dass das Gericht in rechtswidriger Weise von der Bewilligung des Gesamtgebäudes ausgehe. Es hätte prüfen müssen, ob die Revisionswerberin in ihrem Recht, dass ihr Gebäude durch das konsenslos errichtete Nachbargebäude nicht gefährdet werde, verletzt sei. Dabei übersieht die Revisionswerberin, dass eine rechtskräftige Baubewilligung des benachbarten Fertigteilhauses (samt Carport) vorliegt und eine Gefährdung durch Brandweiterleitung auf das Bauwerk der Revisionswerberin in der derzeitigen Ausführung nicht festgestellt wurde. Das auf Bauwerke des Nachbarn beschränkte Recht auf Brandschutz kann aber nur insoweit verletzt sein, als durch die Ausgestaltung und die zulässige Benützung des bewilligten Bauwerks der Nachbarschutz nicht gewährleistet ist (vgl. VwGH 29.9.2016, Ro 2014/05/0091, zu § 6 Abs. 2 Z 1 NÖ BauO 1996).

14       Schließlich sei das Vorbringen der Revisionswerberin zu den Emissionen, die vom Carport ausgehen würden, nicht verspätet gewesen und hätte geprüft werden müssen. Das Verwaltungsgericht hat sich jedoch mit dem Vorbringen zum Schutz vor Emissionen auch inhaltlich auseinandergesetzt und ausgesprochen, dass § 6 Abs. 2 Z 2 NÖ BO 2014 den Schutz vor Emissionen, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Zwecken jeder Art der Wohnnutzung ergeben würden, ausdrücklich ausnehme.

15       In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. März 2022

Schlagworte

Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Brandschutz (Bestimmungen feuerpolizeilichen Charakters) BauRallg5/1/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021050160.L00

Im RIS seit

02.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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