TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/30 95/19/0056

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Veröffentlicht am 30.05.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §16;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid

des Bundesministers für Inneres vom 25. April 1994, Zl. 4.320.537/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. April 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen Ghanas, der am 22. Juli 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 23. Juli 1991 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. Oktober 1991, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen.

Der nach seinem "Fluchtweg" befragte Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 26. Juli 1991 angegeben, er habe sich nach seiner Flucht aus Ghana u.a. in Togo, Benin und Niger aufgehalten.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien hat ihren negativen Feststellungsbescheid damit begründet, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft (im Sinne des § 1 AsylG (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) nicht zukomme.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers - ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft auseinanderzusetzen - ausschließlich darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer auf Grund seines Aufenthaltes in Togo, Benin und Niger bereits in anderen Staaten vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb ausgehend von § 2 Abs. 2 Z. 3 des im Beschwerdefall gemäß seinem § 25 Abs. 2 anzuwendenden Asylgesetzes 1991 die Gewährung von Asyl gemäß § 3 leg. cit. nicht in Betracht komme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, daß er in den genannten Staaten vor Verfolgung sicher gewesen sei. Er bringt dazu vor:

"Ich selbst hätte über Vorhalt der Annahme der belangten Behörde, daß ich bereits in Togo, Benin und Niger vor Verfolgung sicher gewesen sei, ausgeführt, daß diese Staaten Nachbarstaaten von Ghana sind, welche sich mit weiteren afrikanischen Staaten zur westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft zusammengeschlossen haben und in diesen Staaten der Ghanesische Geheimdienst aktiv ist, sodaß eine Person, die aus dem Grund und in der Art und Weise wie ich selbst verfolgt wird, von diesen Staaten bei dessen Aufgreifen an die Ghanesischen Behörden überstellt werden würde. Ich selbst hätte dargelegt, daß ein mir namentlich bekannter Ghanesischer Staatsangehöriger, Kwame Adjei, aus Ghana wegen derselben Art politischer Verfolgung wie ich, nämlich wegen der Beschuldigung Antirevolutionär zu sein, in den Staat Elfenbeinküste flüchtete, dort aber von der Polizeibehörde aufgegriffen und nach Ghana zurückgeschoben wurde."

Damit macht der Beschwerdeführer zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, die die Annahme der belangten Behörde rechtfertigen könnten, Togo, Benin und Niger hätten von ihrer effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz geboten.

Diese Ausführungen sind nach Maßgabe der dem Beschwerdeführer im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verletzung von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Die Mitwirkungspflicht der Partei geht nicht so weit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie (hier: gemäß §§ 11, 16 AsylG 1991 i.V.m. §§ 39, 45, 60 AVG) verpflichtet ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. November 1995, Zl. 94/20/0647, uva). Der Mitwirkungspflicht kommt dort Bedeutung zu, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden. Dies trifft auf die im allgemeinen in Togo, Benin und Niger beobachtete Vorgangsweise betreffend den Schutz von Flüchtlingen vor Rückschiebung in ihren Heimatstaat nicht zu. Die Pflicht eines Beschwerdeführers zur Darlegung der Wesentlichkeit von Verfahrensmängel vor dem Verwaltungsgerichtshof geht nicht weiter als seine Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren gegangen wäre, hätte die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften beachtet (vgl. das Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413).

Der Beschwerdeführer hat diese Behauptungen wohl erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm - zumal die Erstbehörde zufolge der von ihr anzuwendenden Rechtslage des Asylgesetzes (1968) ihren abweislichen Bescheid zutreffend nicht darauf gestützt hat, daß der Beschwerdeführer in Togo, Benin und Niger vor Verfolgung sicher gewesen sei - im Berufungsverfahren nicht Gelegenheit geboten, zu der ihm noch nicht bekanntgegebenen Annahme der belangten Behörde, daß er in den genannten Ländern "Verfolgungssicherheit" erlangt habe, Stellung zu nehmen, weshalb sein in der Beschwerde erstattetes Vorbringen auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt.

Da sohin Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff, insbesondere § 59 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190056.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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