RS Vfgh 2022/3/16 E273/2022

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Veröffentlicht am 16.03.2022
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

EMRK Art2
EMRK Art3
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
RechtsanwaltstarifG §23
ZPO §64 Abs1 Z1 lita
VfGG §7 Abs1, §88

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Leben und im Recht, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden durch die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen Staatsangehörigen von Afghanistan; extrem volatile Sicherheitslage auf Grund aktueller Länderinformationen des EASO vom Dezember 2021 weiterhin gegeben; mangelhafte Auseinandersetzung mit der Sicherheits- und Versorgungslage

Rechtssatz

Nach Auffassung des VfGH war insbesondere auf Grund der - im Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) am 21.12.2021 verfügbaren - Kurzinformation der Staatendokumentation vom 19.07.2021 von einer extremen Volatilität der Sicherheitslage in Afghanistan auszugehen, sodass jedenfalls eine Situation vorliegt, in der Rückkehrer nach Afghanistan einer realen Gefahr einer Verletzung ihrer verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte gemäß Art2 und Art3 EMRK ausgesetzt wären (E v 30.09.2021, E3445/2021). Angesichts der aktuellen Berichtslage (Update der EASO Country Guidance Afghanistan aus November 2021 sowie einen "Report on recent developments " und eine "Query response on Afghanistan" vom Dezember 2021), wonach die Lage in Afghanistan (nach wie vor) volatil bleibe, sieht sich der VfGH nicht veranlasst, von dieser Auffassung abzugehen.

Überdies erschöpft sich die Auseinandersetzung des BVwG mit der Sicherheitslage in Afghanistan in der Bezugnahme auf Medienberichte zu einzelnen Sicherheitsaspekten (insbesondere, wonach keine Kampfhandlungen mehr stattfänden und Führer der Hazara bereits in Gespräche mit den Taliban getreten wären); Hinweise auf willkürliche Kontrollen und Bestrafungen bis hin zu gezielten Hinrichtungen werden beispielsweise nicht thematisiert, obwohl sie sich in den im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Länderberichten finden.

Auch die Einschätzung des BVwG in Bezug auf die Versorgungslage in Afghanistan ist für den VfGH mit Blick auf die aktuelle Berichtslage nicht nachvollziehbar (Update von UNHCR "Afghanistan Situation - Emergency Update" vom 15.12.2021, wonach sich die wirtschaftliche und humanitäre Lage in Afghanistan weiter verschlechtert habe).

Das über die zugesprochenen Kosten hinaus gehende Mehrbegehren war nicht zuzusprechen, weil der Pauschalsatz die regelmäßig anfallenden Kosten abdeckt und ein Einheitssatz für Nebenleistungen iSd §23 RATG im Verfahren nach Art144 B-VG nicht vorgesehen ist. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer Verfahrenshilfe auch im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO genießt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung, VfGH / Kosten, Rechtsverkehr elektronischer, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:E273.2022

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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