TE Vwgh Beschluss 2022/4/6 Ra 2021/15/0050

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Veröffentlicht am 06.04.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §115 Abs1
BAO §20
BAO §269 Abs1
BAO §279 Abs1
BAO §303 Abs1
BAO §303 Abs1 litb
BAO §93 Abs2
BAO §93 Abs3 lita
B-VG Art130 Abs3
EStG 1988 §41
EStG 1988 §82
EStG 1988 §83
EStG 1988 §83 Abs2 Z4
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des H L in L, vertreten durch Dr. Peter Lindinger und Dr. Andreas Pramer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 18/II, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 8. März 2021, Zl. RV/5100184/2021, betreffend u.a. Einkommensteuer 2010 bis 2015, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber ist - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - Dienstnehmer eines Bundesministeriums im Ruhestand und bezieht als solcher Pensionsbezüge. Das Bundesministerium stellte (und stellt) ihm auch im Ruhestand eine Naturalwohnung zur privaten Nutzung zur Verfügung. Diese Wohnung wird vom Revisionswerber ständig benützt, ist sein Hauptwohnsitz und die einzige Wohnung, in der er wohnt. Für die Wohnung leistete er die nach § 24a Gehaltsgesetz 1956 vorgeschriebenen Vergütungen (Grundvergütung) an das Bundesministerium und trug die darauf entfallenden Betriebskosten selbst. Ein ausschließliches Interesse des ehemaligen Dienstgebers an der Zurverfügungstellung der Wohnung lag und liegt nicht vor.

2        In den Einkommensteuerbescheiden 2010 bis 2015, die aufgrund von Erklärungen des Revisionswerbers zur Arbeitnehmerveranlagung im Zeitraum 2011 bis 2016 ergingen, wurden steuerpflichtige Bezüge aufgrund der Nutzung der Naturalwohnung nicht berücksichtigt.

3        Von Ende 2016 bis Oktober 2018 fand eine Lohnsteuerprüfung beim ehemaligen Dienstgeber des Revisionswerbers statt, die auch die streitgegenständlichen Zeiträume umfasste und deren Gegenstand unter anderem die lohnsteuerliche Prüfung der Überlassung von Naturalwohnungen an ehemalige Dienstnehmende und sohin auch an den Revisionswerber betraf.

4        Nachdem das für den Revisionswerber zuständige Finanzamt über die ihn betreffenden Ergebnisse der Lohnsteuerprüfung mittels Übermittlung von dem Prüfergebnis entsprechenden Lohnzetteln in Kenntnis gesetzt worden war, nahm es die Einkommensteuerverfahren 2010 bis 2015 wieder auf und erließ neue Sachbescheide sowie Anspruchszinsenbescheide gemäß § 205 BAO. Begründend verwies es hinsichtlich der Wiederaufnahme darauf, dass vom Bundesministerium als ehemaligem Dienstgeber „steuerpflichtige Bezüge ... mittels Lohnzettelübermittlung bekanntgegeben“ worden seien und die Bekanntgabe dieser steuerpflichtigen Bezüge (Einkünfte) neue Tatsachen für das Finanzamt darstellten.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für unzulässig erklärt wurde, wies das BFG die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab. Begründend führte es insbesondere aus, für die Beurteilung, ob aus den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden der Wiederaufnahmegrund hervorgehe oder nicht, sei die Begründung der neu ergangenen Sachbescheide Einkommensteuer 2010 bis 2015 miteinzubeziehen, auf die in den Wiederaufnahmebescheiden diesbezüglich verwiesen werde (Hinweis auf VwGH 10.3.2016, 2013/15/0280). Das Finanzamt habe in den neuen Sachbescheiden zur Einkommensteuer 2010 bis 2015 als maßgeblichen Tatsachenkomplex angeführt, dass ihm steuerpflichtige Bezüge vom Bundesministerium als ehemaligem Dienstgeber mittels Lohnzettelübermittlung bekanntgegeben worden seien, welche neue Tatsachen iSd § 303 Abs. 1 BAO darstellten. Daraus ergebe sich, dass das Finanzamt als neue Tatsache das Bekanntwerden (nach Abschluss der bisherigen Verfahren zur Arbeitnehmerveranlagung der Jahre 2010 bis 2015) von steuerpflichtigen Einkünften, die der Revisionswerber vom Bundesministerium bezogen habe, angesehen habe. Dieser Tatsachenkomplex werde durch die Ausführungen in den ergangenen Beschwerdevorentscheidungen sowie die vom BFG getroffenen Feststellungen lediglich präzisiert, nicht aber ein neuer Wiederaufnahmegrund herangezogen (Hinweis auf VwGH 17.4.2008, 2007/15/0062, zur Anführung im Wiederaufnahmebescheid, dass bisher Einkünfte aus der Pension von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft nicht erklärt worden seien). Da das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel stets aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen sei und sich das Neuhervorkommen damit immer auf den Wissensstand des jeweiligen Veranlagungsjahres (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) beziehe, sei somit entscheidend, ob dem Finanzamt als abgabenfestsetzender Stelle in den abgeschlossenen Einkommensteuerverfahren der Jahre 2010 bis 2015 der Umstand, dass der Revisionswerber aus der Nutzung der Naturalwohnung steuerpflichtige Einkünfte (in einer bestimmten Höhe) bezogen habe, bekannt gewesen sei, was zu verneinen sei.

6        Die Verfügung der Wiederaufnahme liege im Ermessen der Abgabenbehörde; die Ermessensübung sei entsprechend zu begründen. Diese Begründung könne aber auch noch in der Beschwerdevorentscheidung nachgeholt werden. Da das BFG betreffend die Überprüfung der Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde volle Kognitionsbefugnis habe, könne es auch selbst eine andere Gewichtung oder Abwägung vornehmen. Angesichts des Umstandes, dass die verfügten Wiederaufnahmen insgesamt zu Nachforderungen von mehr als 5.500 € führten, könne nicht von einer Geringfügigkeit der Auswirkungen die Rede sein. Dass der Revisionswerber vom Finanzamt zu einer bestimmten Vorgangsweise im Zusammenhang mit der von ihm genutzten Naturalwohnung aufgefordert worden wäre bzw. ihm diesbezüglich eine unrichtige Rechtsauskunft von der Abgabenbehörde erteilt worden wäre, wird von ihm nicht behauptet, weswegen auch der Grundsatz von Treu und Glauben im Gegensatz zur Ansicht des Revisionswerbers der vorgenommenen Wiederaufnahme nicht entgegenstehe.

7        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zu ihrer Zulässigkeit bringt diese vor, das BFG sei im angefochtenen Erkenntnis von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, dass sich aus dem Wiederaufnahmebescheid, allenfalls im Zusammenhang mit dem im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Bescheid, mit hinreichender Deutlichkeit ergeben müsse, welcher Wiederaufnahmegrund angenommen worden sei. Zudem gebe es keine die Rechtsansicht des BFG deckende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, dass eine fehlende Begründung einer Ermessensentscheidung im Beschwerdeverfahren nachgetragen werden könne.

8        Schließlich fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob ungeachtet der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die gemeinsame Versteuerung mehrerer Pensionen (BGBl. 41/1994 [nunmehr BGBl. II Nr. 55/2001 idgF, Anm]) eine Nachversteuerung von entgegen dieser Verordnung nicht gemeinsam veranlagten Bezügen beim Empfänger zulässig sei. Mit der Verordnung sei eine Verpflichtung geschaffen worden, dass auch bei getrennter Auszahlung bestimmter steuerpflichtiger Bezüge jene bezugsauszahlende Stelle, die den höheren steuerpflichtigen Bezug auszahle, eine gemeinsame Versteuerung vorzunehmen habe. Für den Revisionsfall ergebe sich daraus, dass keine Berechtigung des Bundesministeriums als ehemaligen Dienstgebers bestanden habe, einen eigenen Lohnzettel auszustellen, weil dieser zweite Lohnzettel gegen die zwingende Anordnung des § 47 Abs. 4 EStG 1988 verstoße. Dies gelte unabhängig davon, ob die pensionsauszahlende Stelle, die die Versteuerung vorzunehmen habe, ihrer Arbeitgeberpflicht nicht oder nicht vollständig nachkomme und dadurch die geschuldete Lohnsteuer nicht oder nicht in der gesetzlichen Höhe abgeführt worden sei. Die Bezieher mehrerer Pensionen hätten durch § 47 Abs. 4 EStG 1988 iVm der zitierten Verordnung ein subjektives Recht auf einen einheitlichen Lohnzettel und damit auf Abstandnahme von einer amtswegigen Veranlagung. Es wäre auch nicht einzusehen, wenn bei Fehlerhaftigkeit der Lohnsteuerabfuhr von der obligatorischen gemeinsamen Versteuerung abgegangen werden könne und anstelle der gebotenen Berichtigung des einheitlichen Lohnzettels über jeden Pensionsbezug ein eigener Lohnzettel erstellt werde. Es sei unbillig, die Pflichtverletzung eines Arbeitgebers den betroffenen Pensionsbeziehenden anzulasten, indem sie unmittelbar im Wege der Pflichtveranlagung für die Lohnsteuernachforderungen in Anspruch genommen würden. Wenn im Sinne der genannten Bestimmungen eine verpflichtende gemeinsame Versteuerung von Mehrfachbezügen angeordnet sei, könnten eben keine „zwei oder mehrere beim Lohnsteuerabzug gesondert zu versteuernde Einkünfte“ gemäß § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 vorliegen.

9        Dabei könne auch § 6 der zitierten Verordnung nicht dahingehend ausgelegt werden, dass damit die Fälle einer obligatorischen gemeinsamen Versteuerung mehrerer getrennt ausbezahlter Pensionen wieder beseitigt würden. Es könne dem Verordnungsgeber nicht zugedacht werden, dass er zunächst zwischen einer obligatorischen und einer fakultativen gemeinsamen Versteuerung differenziere, um sodann für alle Anwendungsfälle die Verpflichtung zur gemeinsamen Versteuerung wieder zu eliminieren. Aus diesem Grund könne § 6 der zitierten Verordnung nur als klarstellender Hinweis auf die davon in §§ 4 und 5 geregelten Fälle einer fakultativen gemeinsamen Versteuerung interpretiert werden. Daraus ergebe sich jedoch bei richtiger rechtlicher Beurteilung, dass durch die rechtswidrig ausgestellten Lohnzettel des Bundesministeriums die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung nach § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 nicht gegeben seien, weil das Tatbestandsmerkmal des „gleichzeitigen Zufließens zweier oder mehrerer lohnsteuerpflichtiger Pensionsbezüge, die gesondert zu versteuern sind“ nicht verwirklicht werde.

10       Demgemäß hätte aufgrund allenfalls nachträglich festgestellter Sachbezüge des Revisionswerbers von der für die gemeinsame Versteuerung zuständigen bezugsauszahlenden Stelle eine Lohnzettelberichtigung erfolgen müssen. Die daraus resultierende Lohnsteuernachforderung wäre im Haftungsweg beim Bundesministerium und nicht durch die Wiederaufnahme der Einkommenssteuerveranlagung beim Revisionswerber hereinzubringen gewesen. Selbst wenn daher die Wiederaufnahme zu Recht erfolgt wäre, sei die Vorschreibung einer höheren Einkommenssteuer samt Festsetzung von Anspruchszinsen zu Unrecht erfolgt.

11       Das Finanzamt erstattete - nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof - eine Revisionsbeantwortung, in der es dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision entgegentrat und das Vorliegen eines Pflichtveranlagungstatbestandes gemäß § 6 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die gemeinsame Versteuerung mehrerer Pensionen, BGBl. II Nr. 55/2001 idgF, bejahte.

12       Mit den geschilderten Ausführungen der Revision wird eine Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

13       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

15       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16       Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 2 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen. Entscheidend sind also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. VwGH 13.9.2018, Ro 2016/15/0012, mwN).

17       Das BFG hat, sofern die Bescheidausführungen des wiederaufnehmenden Finanzamtes mangelhaft sind, ausgehend von einem vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrund, diesen zu prüfen und zu würdigen und gegebenenfalls erforderliche Ergänzungen vorzunehmen (vgl. VwGH 17.4.2008, 2007/15/0062). Die Ergänzung einer mangelhaften Begründung der auf Grund der Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Wiederaufnahmebescheide in Richtung der tatsächlich vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrundlagen stellt kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar (vgl. VwGH 26.11.2015, Ro 2014/15/0035).

18       Das BFG ist im Revisionsfall davon ausgegangen, dass aus dem Wiederaufnahmebescheid (im Zusammenhang mit dem ausdrücklich verwiesenen, im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Bescheiden), jener Tatsachenkomplex hinreichend zum Ausdruck kam, den das Finanzamt als neu hervorgekommen angesehen hat, nämlich dass vom Bundesministerium als ehemaligem Dienstgeber „steuerpflichtige Bezüge ... mittels Lohnzettelübermittlung bekanntgegeben“ worden seien und die Existenz dieser weiteren Bezüge neue Tatsachen für das Finanzamt darstellten.

19       Der Revisionswerber bekämpft zwar diese Beurteilung, legt aber nicht dar, dass das Finanzamt bereits aufgrund seiner Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung hätte erkennen können, dass ihm in Form der Überlassung einer Naturalwohnung weitere (von ihm nicht deklarierte) steuerpflichtige Bezüge (Einkünfte) zugeflossen seien. Diese Einkünfte wurden dem Finanzamt erst durch die nachträgliche Lohnzettelübermittlung des Bundesministeriums als ehemaligen Dienstgebers bekannt. Der Annahme eines Wiederaufnahmegrundes durch das Finanzamt ist vor dem Hintergrund nicht entgegen zu treten.

20       Als weiteren Zulässigkeitsgrund führt der Revisionswerber an, es fehle Rechtsprechung zur Reichweite der möglichen Korrektur von fehlerhaften abgabenbehördlichen Ermessensentscheidungen durch das BFG. Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof allerdings bereits ausgesprochen, dass dem BFG gemäß Art. 130 Abs. 3 B-VG insofern eine besondere Position zukommt, als ihm auch in Ermessensfragen eine volle Kognition eingeräumt ist. Insbesondere wenn im Beschwerdeverfahren eine unrichtige Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde geltend gemacht wird, liegt es daher am BFG, zu den diesbezüglichen Ermessensparametern erforderlichenfalls ergänzende Ermittlungen und Feststellungen zu treffen und auf dieser Grundlage im Sinne des § 279 BAO zu entscheiden und das Ermessen gegebenenfalls neu zu üben und zu begründen (vgl. VwGH 26.1.2017, Ra 2015/15/0063).

21       In der Revision wird schließlich geltend macht, dass im Revisionsfall ein anwendbarer Veranlagungstatbestand fehle. Aufgrund allenfalls nachträglich festgestellter Sachbezüge des Revisionswerbers hätte daher allein von der für die gemeinsame Versteuerung zuständigen bezugsauszahlenden Stelle eine Lohnzettelberichtigung erfolgen müssen und die daraus resultierende Lohnsteuernachforderung wäre im Haftungsweg beim Bundesministerium und nicht durch die Wiederaufnahme der Einkommenssteuerveranlagung beim Revisionswerber hereinzubringen gewesen.

22       Mit diesem Vorbringen übersieht der Revisionswerber, dass er im Revisionsfall betreffend die streitgegenständlichen Veranlagungsjahre selbst durch Abgabe einer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung eine Veranlagung seiner Einkünfte gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 beantragt und bewirkt hat. In der Revision wird nicht behauptet, dass dieser Antrag in Ansehung der durch Einbeziehung der steuerpflichtigen Bezüge aus der Überlassung der Naturalwohnung zustande gekommenen Nachforderung an Einkommensteuer zurückgezogen worden wäre, was auch noch im Rahmen des (wiederaufgenommenen) Einkommensteuerverfahrens vor dem BFG möglich gewesen wäre (vgl. Atzmüller in Doralt et al, EStG20, § 41 Tz 35). Dass ein fehlerhafter Lohnsteuerabzug im Rahmen der Veranlagung korrigiert werden kann, entspricht ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 13.10.2020, Ra 2019/15/0134, mwN; vgl. auch § 83 Abs. 2 Z 4 EStG 1988).

23       Auf die Frage nach dem Vorliegen eines Pflichtveranlagungstatbestandes musste bei dieser Sachlage nicht weiter eingegangen werden.

24       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

25       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff (insbesondere § 51) VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 6. April 2022

Schlagworte

Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021150050.L00

Im RIS seit

29.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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