TE Vfgh Erkenntnis 2007/6/12 B131/06

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Veröffentlicht am 12.06.2007
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

ABGB §879 Abs1
Tir GVG 1996 §4 Abs1, §5 Abs1 litc, §6 Abs6

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchBehebung des erstinstanzlichen Bescheides betreffendgrundverkehrsbehördliche Genehmigung eines Vermächtnisses und einesdarauf begründeten Schenkungsvertrags wegen Unzuständigkeit derGrundverkehrsbehörde infolge denkmöglicher Annahme eines nichtigenUmgehungsgeschäftes

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kodizill vom 15. November 1976 vermachte F.S. ein näher bezeichnetes Grundstück an J.R., den nunmehrigen Erstbeschwerdeführer. Nach Anfall des Legates des am 9. Oktober 2003 verstorbenen F.S. wurde das in Rede stehende Grundstück von J.R. mit Schenkungsvertrag vom 7. Juli 2004 an seinen Bruder S.R., den nunmehrigen Zweitbeschwerdeführer, unentgeltlich übergeben. Mit Bescheid vom 27. Jänner 2005 erteilte die Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde I. Instanz dem Rechtserwerb entsprechend dem Kodizill vom 15. November 1976 gemäß §6 Abs6 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (TGVG 1996) die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Zudem stellte der Vorsitzende der Bezirks-Grundverkehrskommission in deren Namen fest, dass der Schenkungsvertrag vom 7. Juli 2004 gemäß §5 Abs1 litc TGVG 1996 keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedarf.

2. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (LGVK) gab der dagegen vom Landesgrundverkehrsreferenten erhobenen Berufung mit Bescheid vom 2. Dezember 2005 Folge. Der angefochtene Bescheid wurde wegen Unzuständigkeit der Erstinstanz ersatzlos behoben.

Begründend führte die LGVK unter anderem aus:

"Außer Streit steht, dass es sich bei dem gegenständlichen Grundstück um ein land- und forstwirtschaftliches Grundstück handelt. F.S. hat das Gst ... in EZ ... GB Ötz mit Kaufvertrag vom 10.03.1972 an R.R. [Anmerkung: der Vater der nunmehrigen Beschwerdeführer] veräußert. Diesem Rechtserwerb wurde mit Bescheid der Grundverkehrskommission Ötz vom 18.01.1973 die Genehmigung versagt. Der dagegen erhobenen Berufung des R.R. wurde mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission vom 04.10.1973 keine Folge gegeben.

Bereits mit handschriftlichem Kaufvertrag vom 03.12.1970 hat F.S. das

Gst ... GB Ötz an J.R. zum Kaufpreis von ATS 80.000,-- verkauft. Zu

einer grundverkehrsbehördlichen Anzeige bzw. Genehmigung ist es nicht

gekommen. Nunmehr scheint J.R. als Berechtigter im Kodizill vom

15.11.1976 auf. Weder R.R. noch J.R. noch S.R. haben jemals die

gegenständliche Liegenschaft Gst ... in EZ ... GB Ötz bewirtschaftet.

Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes schließt sich die Landes-Grundverkehrskommission der Ansicht des Landesgrundverkehrsreferenten an und erblickt im gegenständlichen Rechtserwerb gemäß dem Kodizill ein nichtiges Umgehungsgeschäft.

Sinn dieses Rechtserwerbs kann somit nach Ansicht der Landes-Grundverkehrskommission nur darin erblickt werden, die bestehenden bzw. damals bestandenen Genehmigungsvorschriften zu umgehen.

Ist die Grundlage des angefochtenen Bescheides weggefallen, so muss die Berufungsbehörde davon ausgehen, dass dieser Mangel bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung bestanden hat. Da es sich bei dem Rechtserwerb nach dem Kodizill um ein nichtiges Rechtsgeschäft handelt, erstreckt sich die als solcherart klassifizierte Nichtigkeit des Rechtsvorganges auch notwendigerweise auf die nachfolgenden Rechtserwerbe nach J.R. Letztlich sind auch die nachfolgenden Rechtsgeschäfte, namentlich der Schenkungsvertrag vom 07.07.2004, abgeschlossen zwischen J.R. und S.R., von dieser Nichtigkeit erfasst. Es liegt somit ein gültiger Rechtstitel für das gegenständliche grundverkehrsbehördliche Genehmigungsverfahren mangels Verfahrenssubstrat nicht vor. Der angefochtene Bescheid war daher mangels einer entsprechenden Zuständigkeitsnorm ersatzlos zu beheben."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

4. Die LGVK hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegen tritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführer haben darauf repliziert.

5. Der im Verfahren beteiligte C.S. (Sohn und bedingt erbserklärter Erbe nach F.S.) legte ein Urkundenkonvolut vor und erstattete eine Stellungnahme sowie eine weitere Äußerung, in der die Zurück-, in eventu Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Hiezu langte beim Verfassungsgerichtshof eine Replik der Beschwerdeführer ein.

II. Die maßgeblichen Bestimmungen des TGVG 1996, LGBl. 61 idF LGBl. 75/1999, lauten:

"1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

§1

Geltungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für den Erwerb von Rechten

a) an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken,

[...]"

"2. Abschnitt

Rechtserwerbe an land- oder

forstwirtschaftlichen Grundstücken

§4

Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

[...]"

"§5

Ausnahmen von der Genehmigungspflicht

(1) In folgenden Fällen bedarf es nicht der Genehmigung nach §4:

[...]

c) beim Rechtserwerb zwischen Ehegatten, zwischen Blutsverwandten in gerader Linie und bis zum dritten Grad der Seitenlinie oder zwischen Verschwägerten in gerader Linie, wenn der Übergeber alle seine land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke oder alle seine Miteigentumsanteile an solchen Grundstücken ungeteilt auf eine Person überträgt, sowie beim damit im Zusammenhang stehenden Erwerb einer Dienstbarkeit der Wohnung für den Übergeber oder dessen Ehegatten oder Kinder;

[...]"

"§6

Genehmigungsvoraussetzungen

[...]

(6) Rechtserwerbe durch Erben oder Vermächtnisnehmer, die nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören, sind zu genehmigen, es sei denn, die letztwillige Zuwendung ist in der Absicht erfolgt, die Genehmigungsvoraussetzungen für Rechtserwerbe durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu umgehen.

[...]"

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften trägt die Beschwerde keine Bedenken vor; solche sind beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens auch nicht entstanden. Es ist daher ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

2. In der Beschwerde wird zunächst eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet: Die LGVK habe eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert, da die von ihr vertretene Auffassung, es liege ein nichtiges Umgehungsgeschäft vor, nicht zutreffe. Vielmehr könne ein Kodizill als einseitige, jederzeit widerrufbare Verfügung "für sich allein nie ein 'Umgehungsgeschäft' bilden".

2.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

2.2. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben:

Im Kodizill vom 15. November 1976 wird unter anderem die Feststellung getroffen, dass J.R. als Vermächtnisnehmer dem Erblasser F.S. für das betreffende Grundstück bereits zu seinen Lebzeiten ATS 80.000,- bezahlt habe und die Forderung zugunsten des J.R. durch das Legat als erloschen gelte.

Wie weiters aus den Verwaltungsakten hervorgeht, wurde am 5. Juni 1978 zwischen F.S. als Darlehensnehmer und S.R. als Darlehensgeber eine Darlehens- und Pfandbestellungsurkunde unterfertigt, worin F.S. bestätigte, ATS 80.000,- von S.R. erhalten zu haben und dieses Darlehen dem Darlehensgeber aufrecht zu schulden. Vereinbarungsgemäß war der Darlehensbetrag längstens binnen eines halben Jahres nach dem Tag des Ablebens des Darlehensnehmers fällig und der Darlehensnehmer zu einer vorzeitigen Tilgung des Darlehens nicht berechtigt. Das Darlehen gilt der Vereinbarung zu Folge jedoch als vollständig getilgt, wenn S.R. aus welchem Grunde immer Eigentümer des nunmehr in Rede stehenden Grundstückes wird.

Ausgehend von diesem Sachverhalt, insbesondere unter Berücksichtigung des seinerzeit zwischen F.S. und J.R. geschlossenen handschriftlichen, der Grundverkehrsbehörde aber nicht angezeigten Kaufvertrages, des ursprünglich von der Grundverkehrsbehörde nicht genehmigten Kaufvertrages zwischen F.S. und R.R. (dem Vater der nunmehrigen Beschwerdeführer) sowie der im Anschluss daran getroffenen Darlehensvereinbarung zwischen F.S. und S.R., ist die belangte Behörde zu der nicht zu beanstandenden Auffassung gelangt, dass der Zweck des Rechtserwerbs nach dem Kodizill darin bestand, die grundverkehrsrechtlichen Genehmigungsvorschriften zu umgehen. Wie sich aus dem zeitlichen Ablauf und der Zusammenschau aller getroffenen Vereinbarungen ergibt, sollte mit dem Vermächtnis und mit den dieses flankierenden Abreden insgesamt ein Weg gefunden werden, J.R. sowie schließlich seinem Bruder S.R. - unter Umgehung der Genehmigungsvoraussetzungen für Rechtserwerbe unter Lebenden - den Eigentumserwerb an dem in Rede stehenden Grundstück zu sichern. In Anbetracht dessen vermag aber der Verfassungsgerichtshof dem Beschwerdevorbringen, ein Kodizill könne von vornherein kein (nichtiges) Umgehungsgeschäft bewirken, nicht zu folgen, zumal die LGVK für ihre Beurteilung zutreffend den Zusammenhang der getroffenen Abreden in Betracht gezogen hat (vgl. hiezu auch VfSlg. 13.211/1992, 13.380/1993).

Der belangten Behörde ist daher im Rahmen dieser Vorfragenbeurteilung kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen. Ebenso wenig kann aber der Annahme der LGVK, dass auch der Schenkungsvertrag vom 7. Juli 2004 als nachfolgendes Rechtsgeschäft von der Nichtigkeit des Rechtserwerbs nach dem Kodizill erfasst ist, in verfassungsrechtlicher Hinsicht entgegen getreten werden.

Die belangte Behörde hat somit zu Recht ihre Zuständigkeit verneint und den Bescheid der Erstinstanz wegen Unzuständigkeit behoben. Die Beschwerdeführer wurden demgemäß durch die angefochtene Entscheidung nicht in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

3. Die Beschwerdeführer behaupten weiters, im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt zu sein, indem sie der Behörde Willkür vorwerfen. Diesem Vorwurf kann aber im Lichte der Ausführungen unter Punkt III.2.2. nicht gefolgt werden:

Die LGVK hat aufgrund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und des auf dessen Grundlage ermittelten Sachverhaltes den nicht zu beanstandenden Schluss gezogen, das Vermächtnis vom 15. November 1976 sei ebenso wie der darauf begründete Schenkungsvertrag vom 7. Juli 2004 als nichtiges Rechtsgeschäft zu werten. Der bekämpfte Bescheid ist sowohl hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen, der daraus gezogenen Schlüsse und der rechtlichen Würdigung in verfassungsrechtlicher Hinsicht jedenfalls hinreichend und denkmöglich begründet.

4. In der Beschwerde wird überdies eine den Zweitbeschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs verletzende denkunmögliche Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde behauptet. Ungeachtet der Frage, ob der angefochtene Bescheid, der - von der Unzuständigkeit der Grundverkehrsbehörde ausgehend - den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos behebt, überhaupt eine Verletzung des genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes bewirken könnte, ist der LGVK angesichts der bisherigen Ausführungen kein derart gravierender Fehler anzulasten.

5. Die behaupteten Verfassungsverletzungen liegen somit nicht vor. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wären.

Ob der angefochtene Bescheid aber in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall (vgl. §28 Abs7 TGVG 1996) - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 15.278/1998, 15.324/1998 mwN).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Rechtsgeschäft nichtiges, Umgehungsgeschäft,Vorfrage, Behördenzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B131.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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