TE Vwgh Erkenntnis 2022/3/30 Ra 2018/08/0012

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Veröffentlicht am 30.03.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §110
ASVG §59 Abs1
VwGG §42 Abs4
VwGG §63 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der M GmbH in S, vertreten durch die Gruber Steuerberatung GmbH in 3393 Zelking, Gassen 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Dezember 2017, W178 2005358-1/15E, betreffend Verzugszinsen für nachverrechnete Beiträge (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Parteien: 1. Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in 1050 Wien, Kliebergasse 1a; 2. Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3; Oberbehörde: Bundesminister für Arbeit), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abgeändert, dass der von der Revisionswerberin an Verzugszinsen zu leistende Betrag nicht „€ 3.122,59“, sondern richtig „€ 171,15“ lautet.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Was den Inhalt und bisherigen Verlauf des Verfahrens betrifft, so wird auf das im ersten Rechtsgang gefällte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 7. September 2017, Ro 2014/08/0029 (im Folgenden nur: Vorerkenntnis), verwiesen (§ 43 Abs. 2 VwGG).

Mit dem Vorerkenntnis wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 6. Dezember 2013 - soweit hier noch von Bedeutung - im Umfang seines „Spruch-Teils E“ (mit dem die ersatzlose Behebung der Vorschreibung von Verzugszinsen in Höhe von € 3.293,74 gegenüber der nunmehrigen Revisionswerberin ausgesprochen worden war) aufgehoben und die Sache insofern zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

In den Entscheidungsgründen trug der Verwaltungsgerichtshof dem - für die Weiterführung des Verfahrens zuständigen - Bundesverwaltungsgericht auf, im fortgesetzten Verfahren die Frage zu klären, in welchem Umfang die der Revisionswerberin auferlegten Verzugszinsen in Höhe von € 3.293,74 einerseits auf die Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsbeiträge in Höhe von € 20.328,33 und andererseits auf die Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe von € 557,24 entfielen. Der Frage komme deshalb entscheidende Bedeutung zu, weil aufgrund des Vorerkenntnisses nunmehr endgültig feststehe, dass die Schlechtwetterentschädigungsbeiträge zu Unrecht nachverrechnet worden seien und folglich dafür keine Verzugszinsen zu leisten seien, wohingegen die Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen zu Recht nachverrechnet worden seien, sodass auch die darauf entfallenden Verzugszinsen zu leisten seien.

2. Im fortgesetzten Verfahren nahm die Erstmitbeteiligte mit Schreiben vom 11. Oktober 2017 (samt angeschlossener Berechnung) eine Aufteilung der Verzugszinsen im Sinn der Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofs im Vorerkenntnis vor. Demnach entfielen auf die Schlechtwetterentschädigungsbeiträge Verzugszinsen in Höhe von € 3.122,59 sowie auf die Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen Verzugszinsen in Höhe von € 171,15.

Die Revisionswerberin gab mit Schreiben vom 30. Oktober 2017 eine Stellungnahme ab, wonach sie die von der Erstmitbeteiligten durchgeführte Berechnung und Aufteilung der Zinsen überprüft und dagegen keine Einwände habe.

3.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht im Spruchpunkt A) aus, dass der Beschwerde (vormals Einspruch) teilweise Folge gegeben und festgestellt werde, dass die Revisionswerberin „den Betrag von € 3.122,59“ an die Erstmitbeteiligte zu leisten habe.

Das Bundesverwaltungsgericht traf die Feststellungen, die Revisionswerberin habe Tätigkeiten aus dem Baumeistergewerbe erbracht, die dem Geltungsbereich des BSchEG unterlägen. Es sei „rechtskräftig festgestellt“ worden, „dass dafür die entsprechenden Beiträge nach dem BSchEG zu entrichten sind“. Laut der Stellungnahme der Erstmitbeteiligten vom 11. Oktober 2017 entfielen auf die Schlechtwetterentschädigungsbeiträge Verzugszinsen in Höhe von € 3.122,59. Der Betrag sei auch von der Revisionswerberin mit Stellungnahme vom 30. Oktober 2017 als betragsmäßig richtig angesehen worden.

Rechtlich folgerte das Bundesverwaltungsgericht - nach Wiedergabe einschlägiger Gesetzesbestimmungen sowie der bezughabenden Ausführungen im Vorerkenntnis - im Wesentlichen, der Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofs entsprechend seien die zu entrichtenden Verzugszinsen gemäß § 58 Abs. 1 ASVG „mit € 3.122,59 festzusetzen“.

3.2. Das Bundesverwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4.1. Gegen dieses Erkenntnis - soweit damit die Revisionswerberin zur Leistung eines € 171,15 übersteigenden Zinsenbetrags verpflichtet wurde - wendet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

Darin wird im Wesentlichen geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht habe - wie auch die zuständige Richterin in einem Telefonat am 8. Jänner 2017 (gemeint wohl: 2018) eingeräumt habe - offenbar irrtümlich ausgesprochen, dass die Revisionswerberin Verzugszinsen von € 3.122,59 (für die zu Unrecht nachverrechneten Schlechtwetterentschädigungsbeiträge), statt richtig € 171,15 (für die zu Recht nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge) zu leisten habe.

4.2. Das Bundesverwaltungsgericht räumte im Vorlagebericht die in der Revision gerügte Rechtswidrigkeit ein. Der im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses angeführte Betrag von € 3.122,59 sei „falsch“. Richtiger Weise wäre ein Betrag von € 171,15 vorzuschreiben gewesen, bei dem es sich um die Verzugszinsen für die nachzuzahlenden Sozialversicherungsbeiträge handle.

4.3. Die Erst- und die Zweitmitbeteiligte erstatteten jeweils eine „Revisionsbeantwortung“, in der sie sich der Rechtsansicht der Revisionswerberin anschlossen. Demnach seien zu Unrecht Verzugszinsen für die ungerechtfertigt nachverrechneten Schlechtwetterentschädigungsbeiträge auferlegt worden; richtiger Weise wäre nur ein - auf die zu Recht nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge entfallender - Zinsenbetrag in Höhe von € 171,15 vorzuschreiben gewesen.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem - gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Die Revision ist aus dem von der Revisionswerberin geltend gemachten Grund zulässig und auch berechtigt.

6.1. Wie bereits im Vorerkenntnis ausgeführt wurde und im Revisionsverfahren nicht mehr strittig ist, hat die Revisionswerberin Verzugszinsen lediglich für die zu Recht nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen zu leisten, nicht jedoch für Schlechtwetterentschädigungsbeiträge, welche zu Unrecht nachverrechnet wurden und daher auch keiner Zinsenpflicht unterliegen. Die auf die Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen (in Höhe von € 557,24) entfallenden Verzugszinsen belaufen sich unstrittig auf € 171,15.

Indem das Bundesverwaltungsgericht - ungeachtet der bindenden Vorgaben im Vorerkenntnis (§ 63 Abs. 1 VwGG) - unrichtig von einer Zinsenpflicht für Schlechtwetterentschädigungsbeiträge in Höhe von € 3.122,59, statt richtig für Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe von € 171,15 ausgegangen ist, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

6.2. Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Davon ist hier auszugehen, bedurfte es doch zur Fällung einer Sachentscheidung keiner weiteren Ermittlungen und war die rechtliche Beurteilung auf Grundlage des unstrittigen Sachverhalts möglich.

Der Verwaltungsgerichtshof konnte daher in der Sache selbst durch Abänderung des angefochtenen Erkenntnisses in seinem Spruchpunkt A) dahingehend erkennen, dass der von der Revisionswerberin an Verzugszinsen zu leistende Betrag nicht „€ 3.122,59“, sondern richtig (lediglich) „€ 171,15“ lautet.

7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Der Ersatz einer Eingabengebühr kommt im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG nicht in Betracht.

Wien, am 30. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2018080012.L00

Im RIS seit

28.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

27.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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