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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Dezember 1992, Zl. 4.341.867/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Bangladeschs, ist am 14. November 1992 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 16. November 1992 einen Asylantrag gestellt. Bei seiner am 16. November 1992 vor dem Bundesasylamt erfolgten niederschriftlichen Befragung gab er zusammengefaßt an: Er sei seit 1988 Mitglied der "Jatya-Partei" gewesen. Seine Aufgabe habe in der Verteilung von Plakaten und der Teilnahme an Demonstrationen bestanden. Aufgrund seiner Mitgliedschaft bei dieser Organisation habe er laufend Schwierigkeiten mit der Regierungspartei "Bangladesch National Party" (BNP) gehabt. Er sei von Mitgliedern der BNP diskriminiert worden. Am 3. November 1992 sei ihm "von der Polizei ein Prozeß" gemacht worden. Er sei beschuldigt worden, bei einem Bombenattentat als "Bombenwerfer" beteiligt gewesen zu sein. Er sei jedoch nicht verurteilt worden. Aus Angst vor weiteren Beschuldigungen von seiten der "BNP" habe er das Land verlassen. Bis zu seiner Ausreise sei er keinen konkreten Verfolgungen ausgesetzt gewesen. Er möchte in Österreich bleiben, um einer Beschäftigung nachzugehen. In Bangladesch habe er keine Arbeitsstelle gehabt.
Mit Bescheid vom 16. November 1992 wies das Bundesasylamt den Asylantrag ab.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, er sei anläßlich einer Versammlung von Mitgliedern der "Jatya-Partei" von Mitgliedern der Regierungspartei "BNP" gewaltsam angegriffen worden. Bei dieser Auseinandersetzung habe ein Mitglied der "BNP" sein Leben verloren. Er sei von "Kollegen" informiert worden, daß ihn die Polizei des Mordes beschuldige. Die Polizei sei während der Nacht zu ihm nach Hause gekommen. Da man ihn gewarnt habe, sei er jedoch nicht zu Hause gewesen. Um einer Verhaftung und einem ungerechten Prozeß auszuweichen, habe er sich zur Flucht entschieden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Dezember 1992 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid damit, daß der Beschwerdeführer nicht als glaubwürdig anzusehen sei, weil er in seiner Berufung Angaben gemacht habe, die im Widerspruch zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen stünden. Als glaubwürdig könnten Fluchtgründe nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstelle. Wesentlich sei also, daß der Asylwerber während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im wesentlichen gleichbleibende Angaben mache. Dies sei im Falle des Beschwerdeführers nicht gegeben.
Für den Fall eines tatsächlich bestehenden Verdachtes betreffend die Täterschaft an einem Bombenattentat durch die Behörden seines Heimatlandes sei festzustellen, daß ein derartiger Umstand für sich allein noch nicht die Annahme einer politisch motivierten Verfolgung begründe.
Am 27. Februar 1991 hätten in Bangladesch freie Parlamentswahlen stattgefunden, daran habe auch die "Jatya-Partei" des internierten und damit von direkten Wahlen ausgeschlossenen Ex-Präsidenten Ershad teilgenommen, die dadurch drittstärkste Partei im neuen Parlament geworden sei. Auch deshalb erscheine eine Verfolgung wegen der Mitgliedschaft zur "Jatya-Partei" unwahrscheinlich.
Die Mitgliedschaft und Betätigung innerhalb einer Partei könne wiederum für sich allein keine Asylgewährung herbeiführen.
Die Angaben des Beschwerdeführers betreffend seine befürchtete Verhaftung seien als überschießend und unglaubwürdig anzusehen.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zentraler Aspekt des von § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich aus objektiver Sicht eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgebenden Wahrscheinlichkeit droht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 94/20/0858 u.a.).
Beurteilt man die Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt unter Heranziehung dieser Rechtsgrundsätze, kann die von der belangten Behörde gezogene Schlußfolgerung, daß der Beschwerdeführer sein Heimatland nicht wegen einer wohlbegründeten Furcht vor asylrelevanter Verfolgung verlassen habe, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Sein erstinstanzliches Vorbringen beschränkte sich nämlich auf die Behauptung, daß er Mitglied einer politischen Partei in Bangladesch sei und für diese durch Verteilung von Propagandamaterial und Teilnahme an Demonstrationen aktiv tätig gewesen sei. Die Mitgliedschaft bei einer politischen Partei kann aber für sich allein nicht die Flüchtlingseigenschaft begründen. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer lediglich angegeben, daß er wegen des Verdachtes der Beteiligung an einem Bombenattentat von der Polizei einvernommen, in der Folge jedoch wieder freigelassen und deshalb auch nicht verurteilt worden sei. Nach seiner ausdrücklich festgehaltenen Aussage sei er keinen konkreten Verfolgungshandlungen seitens der staatlichen Behörden (bzw. der Regierungspartei) ausgesetzt gewesen. Er habe lediglich befürchtet, daß die maßgebliche politische Oppositionspartei weitere Anschuldigungen gegen ihn erheben könnte. Damit läßt sich aber eine wohlbegründete Furcht vor asylrechtlich relevanter Verfolgung im oben erwähnten Sinn nicht ausreichend begründen, sodaß - ungeachtet der von der belangten Behörde als unglaubwürdig eingeschätzten Aussagen des Beschwerdeführers - die Schlußfolgerung, aus der ausgesprochenen Verdächtigung "als Bombenleger" lasse sich eine asylrechtlich relevante Verfolgung nicht ableiten, nicht als rechtswidrig anzusehen ist.
Wenn der Beschwerdeführer nunmehr sowohl unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens als auch der inhaltlichen Rechtswidrigkeit geltend macht, die belangte Behörde habe ungeachtet der stattgefundenen Parlamentswahl, bei der die "Jatya-Partei" drittstärkste Partei im Lande geworden sei, nicht darauf Bedacht genommen, daß die hier (in Österreich) geltenden demokratischen Grundsätze nicht auf ein Land wie Bangladesch übertragen werden dürften und der Beschwerdeführer dort ein faires Gerichtsverfahren nicht hätte erwarten können, ist er darauf zu verweisen, daß gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 dem Berufungsverfahren grundsätzlich nur die Ergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens zugrunde zu legen sind. Die in der Beschwerde erstmals aufgestellte Behauptung, es sei anläßlich seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt zu Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetsch gekommen, weil dieser ihn nicht in seiner Muttersprache befragt habe, womit die - nicht zu übersehenden - Widersprüche zwischen seinem erstinstanzlichen Vorbringen und seinen Angaben in der Berufungsschrift (er sei des Mordes beschuldigt worden, die Polizei habe ihn verhaften wollen, er sei vor der Polizei geflüchtet, er hätte einen fairen Prozeß nicht zu erwarten gehabt) zu erklären seien, steht das Neuerungsverbot entgegen. Die Voraussetzungen für eine Ergänzung des Ermittlungsverfahren im Sinn des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 liegen nicht vor; damit hat die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Ermittlungsergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Darauf ist der Beschwerdeführer zu verweisen, wenn er sich in der vorliegenden Beschwerde auf das erst in seiner Berufung erstattete Vorbringen bezieht. Aus dem Gesagten ergibt sich zwar auch, daß die belangte Behörde selbst gegen diese Verfahrensvorschriften verstoßen hat, weil sie wesentliche Teile ihrer Beweiswürdigung auf das gesteigerte Vorbringen in der Berufung und die dort georteten abweichenden Aussagen gegenüber dem Vorbringen in erster Instanz gestützt hat (vgl. dazu hg. Erkenntnisse vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0234, und vom 24. März 1994, Zl. 94/19/0089). Die belangte Behörde hat sich allerdings nicht nur auf die unter Heranziehung des abweichenden Berufungsvorbringens begründete Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers gestützt, sondern darüber hinaus auch ausgeführt, daß der von ihm in erster Instanz vorgebrachte Umstand, daß er Mitglied der "Jatya-Partei" gewesen sei und der ihm gegenüber geäußerte Verdacht der Beteiligung an einem Bombenattentat allein nicht ausreiche, um eine asylrechtlich relevante Verfolgung glaubhaft machen zu können. Insoweit hat die belangte Behörde sich ausdrücklich auch darauf bezogen, daß das erstinstanzliche Vorbringen allein die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers nicht begründen könne.
Damit war aber der Bescheid im Ergebnis nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200131.X00Im RIS seit
20.11.2000