TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/5 95/20/0240

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Veröffentlicht am 05.06.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des R in F, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. April 1995, Zl. 4.343.077/10-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, ist am 27. März 1993 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 30. März 1993 den Asylantrag gestellt.

Bei der am 30. März 1993 durch das Bundesasylamt erfolgten niederschriftlichen Einvernahme gab der Beschwerdeführer im wesentlichen an, er sei seit dem Jahr 1981 für die kommunistische Partei in Kabul als Sekretär tätig gewesen. Seine Aufgabe habe darin bestanden, Sitzungen der Partei zu koordinieren und Veranstaltungen abzuhalten. Seit etwa sechs Monaten habe er laufend Schwierigkeiten mit den staatlichen Behörden gehabt. Am 11. Jänner 1993 sei er von Anhängern der moslemischen Partei in den Arrest des Verteidigungsministeriums gebracht worden. Bei den dortigen Einvernahmen sei er auch mißhandelt worden. Sichtbare Verletzungen seien keine zurückgeblieben. Er sei schließlich am 13. Jänner 1993 mit der Aufforderung enthaftet worden, innerhalb von fünf Tagen seine Wohnung zu räumen und sich anschließend wieder im Verteidigungsministerium zu melden. Es sei ihm in der Folge gelungen, sich mit seiner Familie bis zur nächsten größeren Stadt durchzuschlagen und in der Folge mit Hilfe eines Schleppers zu flüchten.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. April 1993 wurde der Asylantrag abgewiesen.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer noch ergänzend aus, er sei vom Regime in Kabul schon deshalb als politischer Gegner eingestuft worden, weil er an der Universität russisch gelehrt habe. Bei den durchgeführten Verhören habe man von ihm erfragen wollen, ob er Mitglied der kommunistischen Partei gewesen sei. Dies habe der Beschwerdeführer bestritten. Seine Peiniger hätten davon offensichtlich keine Kenntnis gehabt. Nach seiner Haftentlassung sei er darauf hingewiesen worden, daß man versuchen werde, ihm die Parteimitgliedschaft nachzuweisen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. April 1995 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung allgemeiner Rechtsausführungen aus, daß der Beschwerdeführer vor seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, daß seine niederschriftlichen Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren sein würden. Die Anleitungs- und Ermittlungspflicht der Behörde hinge davon ab, wie umfangreich der Asylwerber sein Vorbringen gestalte und ob sich asylrechtlich relevante Anhaltspunkte ergäben, die einer zusätzlichen Aufklärung bedürfen. Es sei nicht Aufgabe der Behörde, einen Asylwerber dahingehend anzuleiten, wie er sein Vorbringen zu gestalten habe, damit seinem Asylantrag allenfalls stattgegeben werden könne. Da im Vorbringen des Beschwerdeführers keine ausreichenden Anhaltspunkte auf einen asylrechtlich relevanten Sachverhalt vorgelegen wären, habe eine Verletzung der Anleitungs- bzw. Ermittlungspflicht nicht stattgefunden. Das Asylrecht schütze Personen, gegen die staatliche Maßnahmen von erheblicher Intensität in Verfolgungsabsicht gesetzt werden. Die vom Beschwerdeführer geschilderte Inhaftierung, die angegebenen Verhöre und die dabei erfolgten Mißhandlungen stellten aufgrund ihrer geringen Eingriffsintensität keine asylrechtlich relevanten Verfolgungshandlungen dar. Der Beschwerdeführer sei nach zwei Tagen wieder enthaftet worden. Der Beschwerdeführer habe selbst vorgebracht, daß den Behörden seine Mitgliedschaft bei und seine Tätigkeit für die kommunistische Partei nicht bekannt gewesen sei. Somit könne den Behörden bei ihrer Vorgangsweise auch keine asylrechtlich relevante Motivation unterstellt werden. Der Beschwerdeführer habe sich auch erst ca. einen Monat nach diesem Vorfall, nämlich am 15. Februar 1993, auf den Weg in eine andere Stadt gemacht. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Beschwerdeführer offenbar keine Probleme mit den Behörden gehabt.

Im übrigen nahm die belangte Behörde auch an, daß der Beschwerdeführer im Norden des Landes, wo Anhänger der ehemaligen Regierung in dem von General Dostum beherrschten Gebiet maßgeblich am Aufbau eines neuen Staatswesens beteiligt seien, eine inländische Fluchtalternative gefunden habe. Der Beschwerdeführer sei über Turkmenistan auf dem Landweg nach Österreich eingereist und damit habe der Beschwerdeführer drei Staaten durchquert, in denen er vor Verfolgung sicher gewesen sei. Dies gelte für außereuropäische Flüchtlinge auch in Ungarn aufgrund eines dort bestehenden Arrangements zwischen dem UNHCR und der ungarischen Regierung. Sämtliche unmittelbar an Österreich angrenzende Nachbarstaaten hätten dem Beschwerdeführer die Verfolgungssicherheit geboten, sodaß auch der Asylausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Vorwurf, die belangte Behörde habe sich bei ihrer Entscheidung "auf floskelhafte und allgemein gehaltene Ausführungen" beschränkt und sei auf die Angaben des Asylwerbers nicht konkret eingegangen, steht mit dem Inhalt des bekämpften Bescheides nicht in Einklang. Diese Behauptung trifft vielmehr auf den Inhalt der vorliegenden Beschwerde zu, die sich im wesentlichen auf die Erhebung dieses Vorwurfs beschränkt, im übrigen aber nicht weiter ausführt, warum die weiter oben dargestellte Auffassung der belangten Behörde, aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in erster Instanz habe sich kein ausreichender Anhaltspunkt für eine asylrechtlich relevante Verfolgungshandlung von seiten der afghanischen Behörden ergeben, rechtswidrig sein sollte. Dem angefochtenen Bescheid lassen sich klar die Feststellungen entnehmen, die die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat (hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft im wesentlichen die Angaben des Beschwerdeführers in erster Instanz), deren Vollständigkeit und Richtigkeit in der vorliegenden Beschwerde nicht bestritten wird. Die vom Beschwerdeführer gerügten Bescheidausführungen, wonach es nicht Aufgabe der Behörde erster Instanz gewesen sei, den Beschwerdeführer dahingehend anzuleiten, wie er seine Angaben konkret zu gestalten habe, damit sein Asylantrag erfolgreich sein werde, stehen mit der ständigen hg. Judikatur in Einklang (vgl. als Beispiel für viele hg. Erkenntnis vom 30. November 1991, Zlen. 93/01/0800 bis 0803). Es besteht keine Verpflichtung der Behörde Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln. Den Beschwerdeausführungen läßt sich weder entnehmen, welche Ermittlungen die belangte Behörde durchzuführen unterlassen habe, noch findet sich in der vorliegenden Beschwerde eine konkrete Darstellung dazu, welche relevanten Feststellungen aufgrund welcher vermißten Ermittlungen hätten getroffen werden können. Damit wird die Relevanz der - der Behörde unterlaufenen - Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht aufgezeigt, womit die Auffassung im angefochtenen Bescheid, es sei keiner der Gründe des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1992 für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens vorgelegen, nicht als rechtswidrig zu erkennen ist.

Der Beschwerdeführer hat nach seinem festgestellten Vorbringen in erster Instanz gegen ihn gesetzte Maßnahmen von so erheblicher Intensität, daß ihm ein Weiterverbleib in seinem Heimatstaat als unerträglich zuzugestehen wäre, wobei es zur Beurteilung der "Unerträglichkeit" auf die nach objektiven Kriterien zu beurteilende Situation ankommt, nicht geltend gemacht. Weder Verhöre noch Drohungen noch kurzfristige Festnahmen rechtfertigen in der Regel, ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die Annahme wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer auf die ausdrücklich gestellte Frage, ob er bei den behaupteten, nicht konkret geschilderten "Mißhandlungen" anläßlich seiner zweitägigen Inhaftierung verletzt worden sei, angegeben, daß er keine "sichtbare Verletzungen" erlitten habe. Der Beschwerdeführer habe sich nach seiner Enthaftung ungeachtet der Aufforderung, nach "fünf Tagen" wieder im Verteidigungsministerium zu erscheinen, noch für die Dauer eines Monats weiterhin in Kabul aufgehalten (daß er sich dabei versteckt hätte, wurde von ihm nicht behauptet). Damit kann die Auffassung der belangten Behörde, daß die behaupteten bzw. befürchteten Mißhandlungen (die bei weiteren Verhören zu erwarten gewesenen Beeinträchtigungen werden selbst in der Beschwerde nicht dargelegt) eine asylrechtlich relevante Intensität nicht erreicht hätten, nicht als rechtswidrig angesehen werden. Eine wohlbegründete Furcht vor asylrechtlich relevanter Verfolgung aus Konventionsgründen läßt sich insbesondere auch dem vorliegenden Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.

Da sohin der Auffassung der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukomme, erübrigt es sich darauf einzugehen, ob er in Afghanistan eine inländische Fluchtalternative gefunden habe oder ob er vor Einreise in das Bundesgebiet in einem der Durchreisestaaten bereits im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 vor Verfolgung sicher gewesen sei.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200240.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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