TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/5 96/20/0367

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Veröffentlicht am 05.06.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsdient Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des K in M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. November 1995, Zl. 4.338.648/7-III/13/95, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, der am 25. Mai 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 29. Mai 1992 den Asylantrag gestellt hat, den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 3. September 1992, mit dem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzung für die Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, mit Berufung bekämpft hat.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Juni 1994 wurde diese Berufung abgewiesen. Dieser Bescheid wurde infolge Beschwerdeerhebung durch den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 94/20/0823-6, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge Anwendung der Rechtslage nach dem Asylgesetz 1991) aufgehoben, wodurch das Berufungsverfahren neuerlich anhängig wurde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 des AVG (neuerlich) ab und sprach aus, er sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes. In ihrer Begründung ging sie davon aus, der Beschwerdeführer habe anläßlich seiner am 1. September 1992 erfolgten niederschriftlichen Befragung vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich angegeben, er gehöre der kurdischen Minderheit im Irak und keiner politischen Organisation als Mitglied an. Am 5. Jänner 1991 sei er von der irakischen Armee desertiert und nach Kirkuk zurückgekehrt, wo er wieder seiner Beschäftigung als Händler nachgegangen sei. Bei einer Kontrolle habe man festgestellt, daß er Deserteur sei, man habe ihn verhaftet und drei Tage im Gefängnis von Al Imara festgehalten. Mit Hilfe von 2 Unteroffizieren sei ihm die Flucht gelungen, nach welcher er sich in eine Ortschaft in der Nähe von Zakho an der türkischen Grenze begeben und sich dort bis 6. Februar 1992 aufgehalten habe. Da er immer wieder in Furcht gewesen sei, die irakischen Truppen könnten auch den Norden des Irak angreifen und ihn dann im Falle der Verhaftung wegen Desertion und Gefängnisflucht mit dem Tode bestrafen, habe er den Entschluß gefaßt, den Irak zu verlassen. Am 6. Februar 1992 sei er illegal in die Türkei eingereist und habe sich bis zum 20. Mai 1992 in Istanbul aufgehalten.

In seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe er präzisierend ausgeführt, am 1. Oktober 1987 den Militärdienst angetreten und laufend versucht zu haben, diesen Dienst auch zu sabotieren, indem er unerlaubterweise von der Ausbildungsstätte ferngeblieben sei. Dies habe er am 5. Jänner 1992 für etwa 2 Wochen getan, während der Zeit er sich in seiner Heimatstadt Kirkuk aufgehalten, dann aber wieder nach Al Imara zurückgekehrt sei. Er habe als Koch im Armeegefängnis von Al Imara gearbeitet und es sei ihm möglich gewesen, Gleichgesinnten, die wie er in Opposition zum Regime gestanden und dafür inhaftiert gewesen seien, zu helfen, indem er ihnen zusätzliche Essensrationen verschafft habe. Anläßlich einer solchen Aktion gegenüber schiitischen Gefangenen, sei er von einem Offizier beobachtet, zur Rede gestellt, als Verräter bezeichnet und entsprechend mit Strafmaßnahmen bedroht worden. Er sei dann am 31. Dezember 1991 oder 1. Jänner 1992 für 3 Tage in eine Zelle eingesperrt worden, bis schiitische Unteroffiziere ihn befreit hätten. Er sei dann nach Kirkuk, weiter nach Mossul und Zakho geflohen, wo er sich einen Monat aufgehalten habe. Dort habe er auch erfahren, daß man in Kirkuk nach ihm gesucht habe. Am 5. Jänner 1992 seien Offiziere neuerlich zu seinem Haus gekommen und hätten seinen Vater nach seiner Adresse gefragt, die er nicht habe angeben können, weshalb man ihn erschossen habe. Auf Grund dieser Nachricht sei er aus Furcht um sein eigenes Leben geflüchtet.

Die belangte Behörde beurteilte diesen Sachverhalt - den sie grundsätzlich infolge Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Frage stellte - rechtlich dennoch dahingehend, Desertion alleine rechtfertige noch nicht die Annahme eines asylrechtlichen Aspektes der behaupteten Furcht vor Bestrafung. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers fehle jeglicher Anhaltspunkt dafür, daß er im Falle der Aufgreifung und Verurteilung eine differenzierte Bestrafung im Vergleich zu anderen irakischen Staatsangehörigen (gemeint wohl: Deserteuren) zu erwarten hätte. Im übrigen erachtete die belangte Behörde auch das Vorliegen einer "inländischen Fluchtalternative" als gegeben, zumal den Angaben des Beschwerdeführers nicht habe entnommen werden können, er sei während seines einjährigen Aufenthaltes im Nordirak einer Verfolgung ausgesetzt gewesen, zumal im Gebiet der nördlich des 36. Breitengrades eingerichteten Schutzzone die Gefahr einer individuellen Verfolgung durch irakische Behörden ausgeschlossen erscheine. Auch der Umstand, daß man seinen Vater erschossen habe, könne für die Asylgewährung an ihn nicht herangezogen werden, da nur solche Umstände Berücksichtigung finden könnten, die eine Person unmittelbar beträfen und daher Ereignisse gegen deren Familienmitglieder nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken könnten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die sich in folgenden Ausführungen erschöpft:

"Wie aus den Feststellungen hervorgeht, ist der Beschwerdeführer Angehöriger der kurdischen Minderheit im Irak.

Es kann dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden, nicht in seinem Heimatort, sondern in jenem Bereich zurückzukehren, der nördlich des 36. Breitengrades liegt und in den die Alliierten eine Schutzzone eingerichtet haben. Wenn der Beschwerdeführer vermuten kann und dies glaubwürdig erscheint, daß im Falle seiner Rückkehr eine Verfolgung zu Befürchten ist, liegen die Voraussetzungen für seine Aufnahme als Flüchtling vor.

Es wäre der Behörde möglich gewesen, durch entsprechende Informationen seitens von Diplomaten bzw. Zeitungsberichten nachzuüberprüfen, daß Angehörige der kurdischen Minderheit nach wie vor im Irak verfolgt werden.

Zudem ist davon auszugehen, daß auf Grund der Desertion des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seiner Angehörigkeit zur kurdischen Minderheit eine wesentlich strengere Bestrafung zu befürchten ist, als dies für die übrigen irakischen Staatsbürger möglich wäre.

Zudem ist auf Grund der verschiedenen Zeitungsberichte davon auszugehen, daß gerade im Irak unter Stillschweigen und Erduldung der Behörden Morde begangen werden, um politische Gegner zu beseitigen.

Auf Grund der zu befürchtenden Folgen war es daher dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, weiterhin in seinem Heimatland zu verbleiben und ist daher die Flucht nach Österreich berechtigt.

Die Behörde hat daher entgegen den Bestimmungen des Asylgesetzes den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaften dem Beschwerdeführer abgewiesen."

Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In Ermangelung der Bekämpfung der (zumindest alternativ) zu Feststellungen erhobenen Angaben des Beschwerdeführers bzw. einer Bestreitung der Erwägungen der belangten Behörde zur Beweiswürdigung, wonach den Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen kein Glaube habe geschenkt werden können, und weil auch nicht erkannt werden kann, daß der belangten Behörde eine vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen aufzugreifende Verfahrensverletzung unterlaufen wäre, insbesondere auch die Erwägungen der belangten Behörde zur Beweiswürdigung keine offenbare Unschlüssigkeit in sich bergen, bleibt lediglich der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt Gegenstand der rechtlichen Überprüfung. Hierin kann aber ebenfalls keine Rechtswidrigkeit erblickt werden, zumal die vom Beschwerdeführer offenbar vertretene Ansicht, einem Asylwerber könne "nicht zugemutet" werden, in einem anderen als seinem Heimatort, doch innerhalb seines Heimatlandes, Schutz vor angeblicher Verfolgung zu suchen, unzutreffend und mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht in Einklang zu bringen ist. Der belangten Behörde ist aber auch darin beizupflichten, daß aus den oben wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers ein aslyrechtlicher Konnex im Sinne der taxativ aufgezählten Gründe der Genfer Konvention, nämlich aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, nicht zu entnehmen ist. Daß der Beschwerdeführer für seine Sabotageversuche sowie Dersertion Strafe zu erwarten hatte, stellt diesen Zusammenhang nicht her. Die in der Beschwerde erstmals erhobene Behauptung, er habe im Hinblick auf seine Zugehörigkeit zur kurdischen Minderheit eine wesentlich strengere Bestrafung zu befürchten als alle übrigen irakischen Staatsbürger in gleicher Lage, stellt sich als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG nicht mehr zulässige Neuerung dar, auf die der Verwaltungsgerichtshof nicht mehr einzugehen hatte.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996200367.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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