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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des U in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Februar 1995, Zl. 4.323.193/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Februar 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Türkei, der am 26. August 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 29. August 1991 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. Oktober 1991, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.
Der Beschwerdeführer hatte in seinem schriftlichen Asylantrag im wesentlichen angegeben: Er sei Kurde und habe wie sein Vater für die PKK gearbeitet. Als seine Eltern und drei Schwestern im Jahre 1989 nach Österreich gegangen seien, sei der ganze Zorn der türkischen Behörden auf den Beschwerdeführer gefallen; man habe ihn daher zum Verhör gebracht und nach seiner Familie befragt. Alle hätten gewußt, daß er politisch aktiv gewesen sei. Eines Tages hätten türkische Nationalisten versucht, ihn mit dem Messer umzubringen. Diesen Angriff habe er abwehren können, er sei aber am Arm verletzt worden. Die von Nachbarn verständigte Polizei habe ihn in das Polizeigefängnis gebracht, wo er nicht in Schutzhaft gehalten, sondern noch zusätzlich eine Woche lang schikaniert worden sei, da man gewußt habe, daß er Kurde sei und seine Eltern aus diesem Grunde geflüchtet seien. Aufgrund seiner Rechtlosigkeit in der Türkei sei er zu seinen Eltern nach Österreich gereist. Da er wegen seiner politischen Tätigkeit eine Woche im Polizeigefängnis habe verbringen müssen, habe er in der Türkei keinen Reisepaß bekommen.
Am 29. August 1991 gab der Beschwerdeführer niederschriftlich bei der ergänzenden Befragung zum schriftlichen Asylantrag vor der Bezirkshauptmannschaft Amstetten an: Er habe Anfang August 1991 bereits versucht, illegal nach Österreich einzureisen. Jugoslawische Grenzbeamte hätten ihn jedoch zurückgewiesen, ihm seinen türkischen Reisepaß abgenommen und diesen anschließend vernichtet. Sein schriftlicher Asylantrag sei nicht vom Beschwerdeführer, sondern von einem namentlich genannten Mitarbeiter von "Amnesty International" verfaßt worden.
Anläßlich der niederschriftlichen Einvernahme vom 26. September 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gab der Beschwerdeführer im wesentlichen an: Er sei nie Mitglied einer politischen Partei oder Organisation gewesen und er würde auch nicht aus politischen Gründen verfolgt. Wegen seiner Rasse habe er in seiner Heimat keine Probleme gehabt. Da er Kurde und Alevite sei, würde er geächtet und wegen seiner Religion verfolgt werden. Er sei im August 1990 in Istanbul auf offener Straße von sechs bis sieben unbekannten Personen, wahrscheinlich religiösen Fanatikern, angegriffen und dabei von den mit Messern bewaffneten Tätern an den Armen verletzt worden. Als er zu Boden gestürzt sei, habe man ihn weiter geschlagen, bis er das Bewußtsein verloren habe. Von den sodann intervenierenden türkischen Polizisten seien seine Wunden notdürftig versorgt worden. Anschließend habe man ihn auf die Polizeistation mitgenommen und dort verhört, damit er die Namen der Täter verrate. Man habe ihn angebrüllt, er habe die Täter aber nicht gekannt. Nach fünf Stunden habe man ihm gestattet, die Polizeistation zu verlassen. Da es in der Türkei keine Demokratie gebe und die Kurden unterdrückt sowie benachteiligt würden, habe er beschlossen, zu seinen Eltern nach Österreich zu reisen. Er habe problemlos einen Reisepaß erhalten.
In der Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich verwies der Beschwerdeführer auf die von ihm geschilderten Vorkommnisse und darauf, daß man in der Öffentlichkeit lesen könne, daß die Kurden in Syrien, im Irak, im Iran und in der Türkei unterdrückt würden. Die Kurden seien eines der größten Völker in der Welt, das keinen eigenen Staat habe. Die Regierungen der genannten Länder würden immer mit Gewalt gegen das Selbstbestimmungsrecht antworten. Die Aleviten seien eine religiöse Gruppe, die schon in der frühesten Geschichte "mit Gewalt aufgezogen" worden sei. Seit den siebziger Jahren seien seine Eltern durch die "grauen Wölfe" verfolgt worden, als seine Eltern das Glück gehabt hätten, nach Österreich flüchten zu können, sei er als einziger der Familie übrig geblieben. Er sei vor den "grauen Wölfen" geflüchtet. Er bitte seinen Asylantrag positiv zu behandeln, weil seine Eltern und Geschwister hier arbeiteten und lebten.
Die belangte Behörde wies die Berufung ab, wobei sie auf die Anwendbarkeit des Asylgesetzes 1991 sowie auf § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hinwies. Da keiner der in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 angeführten Fälle vorliege, könne auf das Berufungsvorbringen nicht Bedacht genommen werden. Nach allgemeinen rechtlichen Ausführungen begründete die belangte Behörde, daß der Beschwerdeführer im schriftlichen Asylantrag angegeben habe, er sei EINE WOCHE in einem Polizeigefängnis angehalten und schikaniert worden, hingegen bei der niederschriftlichen Befragung, daß er nur FÜNF STUNDEN auf einer Polizeistation angehalten worden sei und daß die Polizei die durch den Messerangriff unbekannter Täter verursachten Wunden versorgt habe. Weiters habe er im schriftlichen Asylantrag ausgeführt, daß er in der Türkei keinen Reisepaß bekommen habe, was er sowohl bei der Befragung vor der Bezirkshauptmannschaft Amstetten als auch bei der niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich jedoch gegenteilig geschildert habe; sein türkischer Reisepaß, den er problemlos erhalten habe, sei ihm anläßlich eines Aufenthaltes in Jugoslawien von dortigen Beamten weggenommen und vernichtet worden. Aufgrund dieser Widersprüche und des Umstandes, daß der schriftliche Asylantrag nicht vom Beschwerdeführer selbst verfaßt worden sei, erscheine das von seinen persönlichen Angaben abweichende Vorbringen im Asylantrag unglaubwürdig.
Das Vorbringen, daß er als Kurde und Angehöriger der alevitischen Glaubensgemeinschaft in der Türkei geächtet und benachteiligt würde, könne die Flüchtlingseigenschaft nicht begründen, da diese allgemeinen Beeinträchtigungen aufgrund ihrer mangelnden Eingriffsintensität nicht geeignet seien, Furcht vor Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes zu begründen. Er habe keine konkreten Verfolgungshandlungen der türkischen Behörden aufgrund seines religiösen Bekenntnisses dargetan.
Überdies sei der relevierte Vorfall vom August 1991 (richtig: August 1990) keine vom Staat initiierte Verfolgungshandlung, sondern selbständiges Agieren von Privatpersonen, welches nicht geeignet sei, Asylgewährung zu indizieren. Daß dem Beschwerdeführer staatlicher Schutz versagt worden sei, habe er nicht dargetan; er habe im Gegenteil ausgeführt, daß ihm damals von den Polizisten erste Hilfe geleistet worden sei. Der Beschwerdeführer sei deshalb nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991, weshalb ihm nicht gemäß § 3 Asylgesetz 1991 Asyl gewährt werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, erkennbar Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Ausführungen der belangten Behörde, aus welchen Gründen den über seine persönlichen Angaben hinausgehenden Behauptungen keine Glaubwürdigkeit zukomme. Auch der Verwaltungsgerichtshof kann den von der belangten Behörde aus den aufgezeigten Widersprüchen in den Angaben des Beschwerdeführers gezogenen Schluß auf die Unglaubwürdigkeit der nicht persönlich anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahmen gemachten Angaben des Beschwerdeführers nicht als verfehlt erkennen.
Obwohl der Beschwerdeführer - wie ausgeführt - nichts gegen diesen Schluß der belangten Behörde vorbringt, gibt er im Sachverhalt Fluchtgründe wieder, welche sich aus den verschiedenen Angaben des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren zusammensetzen.
Soweit diese Angaben von den von der belangten Behörde als entscheidungsrelevanten Sachverhalt festgestellten eigenen niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers abweichen, kann ihnen aus den oben dargestellten Gründen nicht gefolgt werden.
Das weitere Beschwerdevorbringen stützt sich im wesentlichen auf den in der Beschwerde behaupteten und nicht auf den im belangten Bescheid festgestellten Sachverhalt. Es ist daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde befindet sich im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß allgemeine Beeinträchtigungen nicht asylrechtlich relevant sind. Ebenfalls zu Recht hat die belangte Behörde dem Vorfall vom August 1990 die asylrechtliche Relevanz abgesprochen. Ein Angriff von Personen, die nicht den staatlichen Behörden des Heimatlandes des Asylwerbers zuzurechnen sind, erlangt jedenfalls nur dann asylrechtliche Relevanz, wenn der Heimatstaat des Beschwerdeführers nicht in der Lage bzw. nicht willens ist, dem Angegriffenen Schutz zu gewähren. Im gegenständlichen Fall wurde dem Beschwerdeführer aber nach dem Angriff durch das Dazwischentreten der Polizisten und deren erste Hilfeleistung durch den Heimatstaat Schutz gewährt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200206.X00Im RIS seit
20.11.2000