TE Vwgh Erkenntnis 2022/3/30 Ro 2020/13/0008

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Veröffentlicht am 30.03.2022
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

EStG 1988 §34 Abs1
EStG 1988 §34 Abs1 Z2
EStG 1988 §34 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Bruck Eisenstadt Oberwart in Eisenstadt, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 12. Dezember 2019, Zl. RV/7104441/2019, betreffend Einkommensteuer 2016 (mitbeteiligte Partei: S in L, vertreten durch Harald Andreas Rumpler, Steuerberater in 7022 Schattendorf, Mattersburgerstraße 70), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Die mitbeteiligte Partei machte in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 außergewöhnliche Belastungen im Zusammenhang mit Krankheitskosten geltend. Das Finanzamt anerkannte nur einen Teil der geltend gemachten Aufwendungen und begründete dies damit, dass Aufwendungen für die Erhaltung der Gesundheit, für Stärkungsmittel und zur Nahrungsergänzung keine außergewöhnlichen Belastungen darstellten, es sei denn diese seien medizinisch indiziert. Kosten für alternativmedizinische Behandlungen, wie die Behandlung mit homöopathischen Präparaten, seien nur dann als außergewöhnliche Belastung absetzbar, wenn deren Zwangsläufigkeit mittels ärztlicher Verordnung nachgewiesen werden könne.

2        In der dagegen erhobenen Beschwerde führte die mitbeteiligte Partei aus, dass sie an Krebs erkrankt sei, aufgrund einer Biopsie sei ein Tumor bzw. Metastasen, der/die auf zahlreiche getestete Zytostatika negativ reagiert hätten, festgestellt worden. Die Behandlung stelle eine taugliche Maßnahme zur Linderung oder Heilung dar. Seit dem Beginn der alternativen Therapien sowie der Umstellung auf natürliche biologische Nahrungsmittel, das Weglassen aller industriell gefertigten Cremes, Zahnpasten, Duschgels, Seifen usw., das Verbannen von Haushaltsreinigern und Lösemitteln aus dem Haushalt, habe sich eine von den Medizinern unerwartete schnelle Regeneration und Besserung ergeben. Es seien nur Aufwendungen, die verordnet worden seien, eingereicht worden.

3        Das Finanzamt erließ eine abändernde Beschwerdevorentscheidung, in der es jene Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen zusätzlich anerkannte, die von einem Allgemeinmediziner verordnet und mittels ärztlichem Therapieplan nachgewiesen wurden.

4        Die übrigen Aufwendungen wie ätherische Öle, die von einem Bioenergetiker verordnet wurden, anerkannte das Finanzamt nicht. Begründend führte das Finanzamt aus, ein Auszug von der Homepage der diese Öle vertreibenden Firma habe deren Anwendungen dahingehend beschrieben, dass sie der emotionalen Ausgeglichenheit dienten, dem körperlichen Wohlbefinden, einem wirklich sauberen Zuhause, einer schöneren Haut sowie einem tiefen spirituellen Bewusstsein. Ein unmittelbarer und kausaler Zusammenhang mit der Krebserkrankung sei nicht erkennbar. Die Aufwendungen müssten zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich sei, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig seien. Dieser Nachweis könne zB mittels ärztlicher Verordnung oder medizinischem Therapieplan erfolgen. Ein Bioenergetiker könne weder eine medizinische Behandlung durchführen, noch eine ärztliche Verordnung ausstellen. Dasselbe gelte für die anderen Präparate, die von diesem verschrieben worden seien.

5        Die mitbeteiligte Partei stellte einen Vorlageantrag. Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde teilweise Folge und anerkannte die vom Bioenergetiker Mag. G verordneten ätherischen Öle und Nahrungsergänzungsmittel. Es stellte fest, dass die mitbeteiligte Partei Krebs habe und die Chemotherapien aufgrund massiver Nebenwirkungen nicht vertragen habe. Außerdem habe sich der Mitbeteiligte einer Immuntherapie unterzogen, die ebenfalls wegen Unverträglichkeit abgebrochen worden sei. Seit Ende des Jahres 2017 erhalte er keine konventionellen Behandlungen mehr. Ab März 2016 habe der Mitbeteiligte von einem Allgemeinmediziner komplementäre Zusatzbehandlungen erhalten. Außerdem nehme er seit Mai 2016 die Dienste eines Humanenergetikers, der über eine aufrechte Gewerbeberechtigung verfüge, in Anspruch. Dieser habe ätherische Öle der Firma Y sowie das Nahrungsergänzungsmittel H von P empfohlen und einen diesbezüglichen Behandlungsplan erstellt. Der Gesundheitszustand des Mitbeteiligten habe sich nach dem Abbruch der schulmedizinischen Behandlungen deutlich verbessert.

6        Rechtlich führte das Bundesfinanzgericht, soweit für das Revisionsverfahren relevant, aus, Aufwendungen, die durch eine Krankheit des Steuerpflichtigen verursacht würden, seien außergewöhnlich und aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Liege eine Krankheit vor, so seien jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglichmachen einer Krankheit dienen. Nicht absetzbar seien Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten und die Erhaltung der Gesundheit, für Verhütungsmittel, eine künstliche Befruchtung, eine Frischzellenkur oder eine Schönheitsoperation. Absetzbar seien v.a. Arzt- und Krankenhaushonorare, Aufwendungen für Medikamente einschließlich medizinisch verordneter homöopathischer Präparate und Aufwendungen für Heilbehelfe.

7        Nach der Lehre werde heute keine Priorität schulmedizinischer Methoden mehr vertreten. Auch Aufwendungen für Maßnahmen der Alternativmedizin seien daher nicht grundsätzlich von der Anerkennung der damit aufgewandten Kosten als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Voraussetzung sei aber, dass sie zwangsläufig erwachsen sind, wovon ausgegangen werde, wenn deren medizinische Notwendigkeit nachgewiesen werden könne. Sinn der Forderung nach einer Notwendigkeit von Krankheitskosten sei es, diese Kosten von Kosten für die Lebensführung abzugrenzen. Dabei sei eine typisierende Betrachtung anzustellen. Ein solcher Nachweis könne durch eine ärztliche Bestätigung erbracht werden. Eine Einschränkung dieses Nachweises auf eine „ärztliche Verordnung der Behandlung im Rahmen eines ärztlichen Behandlungsplanes“ oder die (teilweise) Übernahme der Kosten durch die Sozialversicherung erscheine in dieser pauschalen Form aber als zu eng. Entscheidend könne vielmehr nur sein, ob eine Behandlung medizinisch indiziert sei und sich die damit verbundenen Kosten von Kosten der privaten Lebensführung abgrenzen würden. Ob eine solche medizinische Indikation vorliege, sei im Einzelfall zu untersuchen.

8        In Ansehung der vorstehenden Ausführungen sehe das Bundesfinanzgericht die in Rede stehenden Aufwendungen für die ätherischen Öle der Firma Y sowie für das Nahrungsergänzungsmittel H von P als medizinisch indiziert an, weildie Schulmedizin im Revisionsfall weder hinsichtlich der gegenständlichen Erkrankung noch hinsichtlich der aus deren Behandlung resultierenden Nebenwirkungen taugliche Mittel habe aufbieten können, um eine Besserung oder wenigstens ein Erträglichmachen des Gesundheitszustandes des Mitbeteiligten zu erreichen. Dessen Entscheidung, komplementärmedizinische Behandlungen in Anspruch zu nehmen, sei geradezu alternativlos gewesen. Bei Mag. G handle es sich um einen Humanenergetiker mit aufrechter Gewerbeberechtigung. Eine Bestätigung, dass die in Rede stehenden Produkte der Firma Y zumindest der Erlangung eines gewissen Wohlbefindens dienten und somit eine sinnvolle Maßnahme zur Linderung der Folgen der Krankheit des Mitbeteiligten darstellten, liege somit vor. Dasselbe gelte für das Nahrungsergänzungsmittel H von P.

9        Die Revision ließ das Bundesfinanzgericht mit der Begründung zu, dass „zur Frage, ob Aufwendungen für alternativmedizinische Präparate bzw. ätherische Öle, die ein Humanenergetiker mit aufrechter Gewerbeberechtigung einer Person, die derart an Krebs erkrankt ist, dass bei dieser laut einem von einer Krankenanstalt erstellten Diskurs keine zielgerichtete Therapie möglich ist, im Rahmen eines Behandlungsplanes empfiehlt, als medizinisch indiziert anzusehen sind und damit eine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 darstellen,“ soweit erkennbar, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die zusätzlich in ihrer Zulässigkeitsbegründung anführt, das Bundesfinanzgericht sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil nach dieser Krankheitskosten nur dann als außergewöhnliche Belastungen absetzbar seien, wenn die Aufwendungen zur Heilung und Linderung der Krankheit nachweislich notwendig seien und im Revisionsfall keine ärztliche Verordnung vorliege.

11       Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht eingereicht.

12       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13       Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Eine Belastung muss, um als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt zu werden, gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 bis 3 EStG 1988 außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

14       Zwangsläufig erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 dann, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

15       Nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Die Aufwendungen müssen vielmehr zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig ist (vgl. VwGH 10.2.2016, 2013/15/0254). Zudem stellt nicht jede Aufwendung, die vornehmlich der Steigerung des Wohlbefindens des Steuerpflichtigen dient, eine außergewöhnliche Belastung dar (vgl. VwGH 11.2.2016, 2013/13/0064).

16       Die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme wird zB durch eine ärztliche Verordnung, einen ärztlichen Therapieplan oder durch Übernahme der Kosten durch den Sozialversicherungsträger nachgewiesen (vgl. VwGH 12.9.2018, Ra 2017/13/0039; 28.10.2004, 2001/15/0164).

17       Mag. G verfügt laut den im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Feststellungen des Finanzamtes über folgende Berechtigungen: Hilfestellung zur Erreichung einer körperlichen beziehungsweise energetischen Ausgewogenheit, mittels der Methode von Dr. Bach, mittels Biofeedback oder Bioresonanz, mittels Auswahl von Farben, Düften, Lichtquellen, Aromastoffen, Edelsteinen und Musik, unter Anwendung kinesiologischer Methoden und mittels Interpretation der Aura unter Ausschluss jeder an einen Befähigungsnachweis gebundenen Tätigkeit. Die Ausstellung medizinischer Verordnungen fällt nicht unter diese Berechtigung (vgl. zu Empfehlungen und Therapieplänen eines Physiotherapeuten VwGH 4.9.2014, 2012/15/0136). Zudem ist ein Bioenergetiker nicht in der Lage, die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme zu beurteilen, wenn ihm die entsprechende Ausbildung dafür fehlt. Die Verordnung und der Therapieplan von Mag. G sind daher jedenfalls nicht geeignet, die Notwendigkeit der Maßnahmen bzw. die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen zu bestätigen.

18       Das Bundesfinanzgericht hat somit die Rechtslage verkannt, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Wien, am 30. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020130008.J00

Im RIS seit

25.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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