TE Vwgh Beschluss 2022/3/24 Ra 2021/16/0047

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Veröffentlicht am 24.03.2022
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Index

32/06 Verkehrsteuern

Norm

GrEStG 1987 §17 Abs1 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der S I Ges.m.b.H. (als Gesamtrechtsnachfolgerin der A GmbH) in W, vertreten durch die Schlosser Péter Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Plankengasse 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 7. Dezember 2020, RV/7101717/2017, betreffend Festsetzung der Grunderwerbsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Unbestritten ist, dass die K GmbH mit Kaufvertrag vom 8. Juni 2016 eine Liegenschaft in der KG F an die A GmbH verkaufte. Mit Aufhebungsvereinbarung vom 8./18. Juli 2016 hoben die Parteien des Kaufvertrages vom 8. Juni 2016 diesen an der Wurzel auf. Mit Kaufvertrag vom 18. Juli 2016 wurde die Liegenschaft in der KG F von der K GmbH an die H I GmbH verkauft.

2        Mit Schreiben vom 21. Juli 2016 stellte die A GmbH an das damalige Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel einen Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 GrEStG mit Verweis auf die Aufhebungsvereinbarung vom 8./18. Juli 2016.

3        Mit Bescheid vom 30. November 2016 setzte das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel die Grunderwerbsteuer für den Kaufvertrag vom 8. Juni 2016 mit 140.000 € fest. Begründend hielt das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel fest, ein Erwerbsvorgang sei nicht im Sinne des § 17 GrEStG rückgängig gemacht, wenn der Vertrag zwar pro forma aufgehoben werde, der Verkäufer aber seine ursprüngliche freie Rechtsstellung nicht wiedererlangt habe. Ein Erwerbsvorgang sei nur dann rückgängig gemacht, wenn der Verkäufer jene Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor Vertragsabschluss innegehabt habe, wiedererlangt habe. Erfolge die Rückgängigmachung des Kaufvertrages nur, um den Verkauf des Grundstückes an den im Voraus bestimmten neuen Käufer zu ermöglichen, wobei die Auflösung des alten und der Abschluss des neuen Kaufvertrages gleichsam uno actu erfolgten, habe der Verkäufer in Wahrheit nicht die Möglichkeit wiedererlangt, das Grundstück einem Dritten zu verkaufen.

4        Die gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 30. November 2016 erhobene Beschwerde der A GmbH wies das Bundesfinanzgericht (BFG) nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel und Stellung eines Vorlageantrages durch die A GmbH mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

5        Das BFG führte nach Wiedergabe des Verfahrensgangs aus, die Stornovereinbarung und der neue Kaufvertrag seien am selben Tag und zeitnah zum ursprünglichen Kaufvertrag abgeschlossen worden. Zwischen der A GmbH und der späteren Käuferin, der H I GmbH, bestehe insofern eine enge wirtschaftliche Beziehung, als die B GmbH Alleingesellschafterin beider Gesellschaften sei und beide Gesellschaften die gleichen Geschäftsführer hätten. Die Vertragsaufhebung sei aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt, die erst nach Abschluss des ersten Kaufvertrages sichtbar geworden seien. Die Aufhebung sei erfolgt, weil der Kauf durch die A GmbH auf Grund derer Verbindlichkeitsstruktur nicht habe finanziert werden können. Der Kauf sei stattdessen mit der H I GmbH durchgeführt worden, welche derselben Unternehmensgruppe angehöre wie die A GmbH. In Anbetracht dieser Umstände könne der von der belangten Behörde gezogenen Schlussfolgerung, der ursprüngliche Kaufvertrag sei zwar formell, aber nur zu dem Zweck aufgehoben worden, um das vertragsgegenständliche Grundstück der H I GmbH zu übertragen, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Die Begünstigung des § 17 GrEStG setze eine Wiederherstellung des früheren Zustandes voraus. Eine Wiedererlangung der freien Verfügungsmacht durch die Aufhebungsvereinbarung vom 8./18. Juli 2016 liege jedoch im gegenständlichen Fall nicht vor.

6        Die dagegen von der aufgrund von Verschmelzung nunmehrigen Rechtsnachfolgerin der A GmbH erhobene außerordentliche Revision legte das BFG unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht oder welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 6.6.2019, Ra 2019/16/0106, mwN).

11       Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht - von der Revision als „belangte Behörde“ bezeichnet - habe die ordentliche Revision nicht zugelassen, weil es sich bei der Lösung der anstehenden Rechtsfragen auf die im Erkenntnis zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe stützen können. Der Revisionswerberin sei bekannt, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - insbesondere seit der Entscheidung des verstärkten Senates zu 82/16/0165 - von einer Rückgängigmachung des Kaufvertrags nur dann ausgegangen werden könne, wenn der Veräußerer die Verfügungsmacht über das Grundstück wiedererlangt habe. Nach dieser Rechtsprechung sei von einer Wiedererlangung dieser Verfügungsmacht insbesondere dann nicht auszugehen, wenn die Aufhebung des Geschäfts nur zu dem Zweck erfolge, das Grundstück in weiterer Folge an einen schon vom Käufer im Voraus bestimmten Dritten zu veräußern. Die Revisionswerberin habe bereits in ihrer Beschwerde und ihrer Ausführung des Vorlageantrags Argumente vorgebracht, warum sich dieser Fall von jenen, die vom Verwaltungsgerichtshof bisher zu beurteilen waren, in wesentlichen Punkten unterscheide. Auf diese Argumente sei das Verwaltungsgericht nicht eingegangen, sodass dessen Entscheidung einer rechtlichen Überprüfung durch das Höchstgericht bedürfe, um Rechtssicherheit zu schaffen, weshalb die Revision zulässig sei.

12       Nach der von der Revision zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Erwerbsvorgang nicht im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG rückgängig gemacht, wenn der Vertrag zwar - was die Vertragsfreiheit des Schuldrechtes erlaubt - der Form nach aufgehoben wird, die durch diesen Vertrag begründete Verfügungsmöglichkeit aber weiterhin beim Erwerber verbleibt und der Verkäufer eine ursprüngliche (freie) Rechtsstellung nicht wiedererlangt. Erfolgt die Aufhebung des Kaufvertrages lediglich zu dem Zweck der gleichzeitigen Übertragung des Grundstückes auf eine vom Käufer ausgewählte dritte Person zu vom Käufer bestimmten Bedingungen und Preisen, ohne dass der Verkäufer in irgendeiner Weise sein früheres Verfügungsrecht über das Grundstück zurückerlangt, ist der frühere Kaufvertrag über seine formale Aufhebung hinaus auch nicht teilweise „rückgängig gemacht“ worden (vgl. schon VwGH [verstärkt. Senat] 2.4.1984, 82/16/0165).

13       Nach der weiteren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Rückgängigmachung eines Kaufvertrags iSd § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG voraus, dass der ursprüngliche Verkäufer jene Verfügungsmacht wiedererlangt, die er vor dem Vertragsabschluss hatte. Das ist aber u.a. dann nicht der Fall, wenn ein Vertrag nur zu dem Zweck aufgehoben wird, um das Grundstück an einen im Voraus bestimmten neuen Käufer zu veräußern (vgl. etwa VwGH 21.1.2020, Ra 2019/16/0220, mwN).

14       Das BFG stellte in dem angefochtenen Erkenntnis - disloziert in der rechtlichen Beurteilung - fest, der ursprüngliche Kaufvertrag sei zwar formell, aber nur zu dem Zweck aufgehoben worden, um das vertragsgegenständliche Grundstück an die H I GmBH zu übertragen. Das BFG stützte dies auf eine insofern zwischen der A GmbH und der späteren Käuferin H I GmbH bestehende enge wirtschaftliche Beziehung, als die B GmbH Alleingesellschafterin beider Gesellschaften sei, beide Gesellschaften die gleichen Geschäftsführer hätten und somit derselben Unternehmensgruppe angehören würden. Die Stornovereinbarung und der neue Kaufvertrag seien am selben Tag und zeitnah zum ursprünglichen Kaufvertrag abgeschlossen worden.

15       Ausgehend von diesen - von der Revision nicht bekämpften - Feststellungen zeigt die Revision mit ihren allgemeinen Verweisen auf im Verfahren in anderen Schriftsätzen vorgebrachte Argumente ohne Bezug zum konkreten Fall nicht auf, dass das BFG mit seiner Schlussfolgerung, eine Wiederlangung der freien Verfügungsmacht [der Verkäuferin] durch die Aufhebungsvereinbarung vom 8./18. Juli 2016 liege nicht vor, von der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei.

16       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021160047.L00

Im RIS seit

22.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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