TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/13 96/18/0230

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Veröffentlicht am 13.06.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §22 Abs1;
FrG 1993 §36 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. M. Fellner, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. März 1996, Zl. SD 350/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. März 1996 wurde der Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe in der Zeit von 1978 bis 1986, also von seinem 25. bis zu seinem 33. Lebensjahr, in Österreich gelebt. In dieser Zeit sei er insgesamt fünfmal, und zwar 1979 wegen Diebstahls, 1980 wegen vorsätzlicher Sachbeschädigung, 1982 wegen Vollstreckungsvereitelung (§ 162 Abs. 1 StGB), im Jahre 1985 wiederum wegen Diebstahls und im selben Jahr wegen Verstrickungsbruchs (§ 271 Abs. 1 StGB), rechtskräftig verurteilt worden. Im Jahre 1986 sei er dann mit seiner Ehegattin in seine Heimat verzogen und erst wieder nach sechs Jahren, im Jahre 1992, mit ihr nach Österreich gekommen. Nach der Einreise sei der Beschwerdeführer aufgrund eines Haftbefehls aus dem Jahre 1985, weiters zweier Aufenthaltsermittlungen für das Gericht als Beschuldigter aus den Jahren 1987 und 1991 sowie eines Vorführungsbefehles zum Strafantritt bzw. Antritt einer vorbeugenden Maßnahme verhaftet und "dem Gericht eingeliefert" worden.

Bei einer damals erfolgten fremdenpolizeilichen Vernehmung habe der Beschwerdeführer ersucht, von einem Aufenthaltsverbot Abstand zu nehmen. Dem Beschwerdeführer, der im Zusammenhang mit seiner Verhaftung wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt worden sei, sei dann tatsächlich nach Vorlage einer Verpflichtungserklärung ein Sichtvermerk, zuletzt bis Ende August 1993 erteilt worden; der Beschwerdeführer sei jedoch darauf aufmerksam gemacht worden, daß er bei einer neuerlichen Verurteilung mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechnen müßte.

Ein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sei vom Amt der Wiener Landesregierung mit Bescheid vom 4. Juli 1994 mit der Begründung abgewiesen worden, daß der Beschwerdeführer am 3. Mai 1993 wegen Hehlerei gemäß § 164 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 StGB rechtskräftig verurteilt worden wäre und daß er "schwarz" bei einer Firma gearbeitet hätte. Dieser Bescheid sei nach Zurückweisung der Berufung durch den Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 2. Mai 1995 rechtskräftig geworden.

Dennoch habe die Erstbehörde kein Aufenthaltsverbot erlassen, sondern bloß das Ausweisungsverfahren eingeleitet, in dessen Verlauf der Beschwerdeführer angegeben habe, daß er mit seiner Ehegattin in Untermiete wohnte und daß er seinen Unterhalt von seiner Ehegattin bezöge.

In der Berufung sei nunmehr geltend gemacht worden, daß der Beschwerdeführer gegen einen (neuerlichen) Bescheid der "MA 62 vom 28.11.1995" Berufung eingebracht hätte, worüber aber noch nicht entschieden worden wäre. Obgleich das laufende Berufungsverfahren dem Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung habe verschaffen können, habe die Berufungsbehörde zugewartet. Die Berufung sei nunmehr vom Bundesminister für Inneres abgewiesen und es sei festgestellt worden, daß die letztgültige Aufenthaltsbewilligung am 5. Jänner 1994 abgelaufen und der rechtzeitig gestellte Antrag am 4. Juli 1994 abgewiesen worden wäre.

Der Beschwerdeführer sei somit jedenfalls nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. In einem solchen Fall sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem § 19 FrG nicht entgegenstehe. Entgegen den Ausführungen im Erstbescheid und entgegen den Berufungsausführungen halte sich der Beschwerdeführer nicht seit 18 Jahren im Bundesgebiet auf. Seinen eigenen niederschriftlichen, oben dargestellten Angaben im Jahre 1992 zufolge habe er sich zuvor sechs Jahre lang in seiner Heimat aufgehalten. Dem vorausgegangenen Aufenthalt im Bundesgebiet, in welcher Zeit der Beschwerdeführer übrigens fünf Verurteilungen "erlitten habe", komme keine relevante Bedeutung zu. Maßgeblich sei somit, daß sich der Beschwerdeführer seit dem Jahre 1992 in Österreich befinde, wobei er lediglich zwei Jahre zum Aufenthalt berechtigt gewesen sei. Wohl aber liege ein Eingriff in sein Familienleben vor, zumal hier seine Ehegattin und seine Mutter lebten. Richtig sei, daß dem Beschwerdeführer auch mit einer Ausweisung die Möglichkeit genommen werde, bei seinen Familienangehörigen zu leben, solange ihm keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werde. Dennoch sei die Ausweisung, selbst wenn man von der mit den Verurteilungen verbundenen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit absehe, zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit also zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten. Einem geordneten Fremdenwesen komme allein schon ein hoher Stellenwert zu. Der Beschwerdeführer sei seit langem nicht mehr zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt und könne auch im Inland keine Aufenthaltsbewilligung erlangen.

Die Ausweisung diene lediglich dem Zweck, den Beschwerdeführer zu verhalten, den illegalen Aufenthalt durch Ausreise zu beenden. Die Aufhebung der Ausweisung würde dem Beschwerdeführer den tatsächlichen, jedoch rechtswidrigen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was einem geordneten Fremdenwesen grob zuwiderlaufen würde. Dem Beschwerdeführer bleibe es unbenommen, sich nach seiner Ausreise wieder um die allfällige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu bemühen. Wenn er eine solche erhalte, stehe einer Einreise und der Begründung eines Wohnsitzes auf legalem Wege nichts entgegen.

Die Frage, ob der Beschwerdeführer in der Lage bzw. ob es ihm zumutbar sei, in seine Heimat zurückzukehren, sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Darüber werde in einem abgesonderten Feststellungsverfahren zu entscheiden sein.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die - auf unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen beruhende - Rechtsauffassung der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer jedenfalls aufgrund der rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung (Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. Juli 1994) unerlaubt in Österreich aufhalte, unbestritten.

2. Der Beschwerdeführer vertritt jedoch die Auffassung, daß seine Ausweisung zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele nicht dringend geboten sei.

Es bedürfe keiner näheren Begründung, daß bosnische Staatsangehörige einer speziellen Behandlung unterworfen seien. Gerade bosnische Staatsangehörige seien Heimatvertriebene und litten unter dem bewaffneten Konflikt in ihrer Heimat. Der Beschwerdeführer sei als heimatlos anzusehen, insbesondere sei ihm "eine Rückkehr nach Bosnien aufgrund der zerstörten Existenz nicht möglich". Aufgrund der starken familiären sozialen und humanitären Bindungen zu Österreich und der damit verbundenen Existenzgrundlage erscheine die Ausweisung des Beschwerdeführers aus der Sicht des § 19 FrG nicht dringend geboten, da dieser sich zumindest drei Jahre gesetzeskonform verhalten habe und somit eine günstige Prognose für seine Zukunft getroffen werden könne. Darüber hinaus würde die Ausweisung zur nachhaltigen Trennung des Beschwerdeführers von seiner in Österreich lebenden Familie, die bereits die österreichische Staasbürgerschaft verliehen erhalten habe, führen. Es liege daher die vom Gesetz geforderte Dringlichkeit der Ausweisung des Beschwerdeführers nicht vor. Derzeit verfüge der Beschwerdeführer über ein Aufenthaltsrecht in der Form eines Durchsetzungsaufschubes zumindest bis zum 27. Juni 1996; der Antrag des Beschwerdeführers auf Abschiebungsaufschub sei zwar in erster Instanz abgelehnt worden, jedoch werde dieser ablehnende Bescheid vom Beschwerdeführer in Berufung gezogen werden.

3.1. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde nicht darzutun, daß die Ausweisung des Beschwerdeführers nicht im Grunde des Art. 8 Abs. 2 MRK dringend geboten und damit nicht gemäß § 19 FrG zulässig sei.

3.1.1. Die belangte Behörde hat auf die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte private und familiäre Situation Bedacht genommen und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriffe in das Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Wenn die belangte Behörde das Dringend-geboten-Sein der Ausweisung bejahte, so kann dem angesichts des hohen Stellenwertes, der den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. April 1996, Zl. 96/18/0155), nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, zumal die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers - der keineswegs lange Aufenthalt von etwa vier Jahren, davon ein Zeitraum von bereits etwa eindreiviertel Jahren unrechtmäßig; Aufenthalt der Ehegattin, der Mutter sowie der Geschwister des Beschwerdeführers in Österreich, wobei der Beschwerdeführer ein Zusammenleben mit Mutter und Geschwister nicht behauptet hat - nicht von solchem Gewicht sind, daß das besagte maßgebliche öffentliche Interesse zurückzutreten hätte (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. 96/18/0155). Daß Familienangehörige des Beschwerdeführers österreichische Staatsbürger sind, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern (vgl. das hg. Erkenntnis, Zl. 96/18/0080 vom 23. Mai 1996).

3.1.2. Der Umstand, daß sich der Beschwerdeführer schon vor seiner Einreise im Jahre 1992 in der Zeit von 1978 bis 1986 in Österreich aufgehalten hat, ändert - wie die belangte Behörde zutreffend ausführte - nichts an dieser Beurteilung, zumal zwischen dem ersten Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich und seiner neuerlichen Einreise ein Zeitraum von sechs Jahren liegt und im Hinblick darauf nicht von einem länger andauernden zusammenhängenden Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich gesprochen werden kann.

3.1.3 Die Beschwerdeausführungen, daß dem Beschwerdeführer "eine Rückkehr nach Bosnien aufgrund der zerstörten Existenz" nicht möglich sei, ist im Hinblick darauf ohne Relevanz, daß mit einer Ausweisung nicht darüber abgesprochen wird, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder daß er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 1996, Zl. 96/18/0193).

3.1.4. Auch der vom Beschwerdeführer erwirkte Durchsetzungsaufschub betreffend die mit dem angefochtenen Bescheid verhängte Ausweisung gemäß § 22 Abs. 1 FrG sowie das vom Beschwerdeführer erwähnte Verfahren betreffend einen Abschiebungsaufschub (§ 36 Abs. 2 FrG) können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, ist doch die Rechtmäßigkeit einer auf § 17 Abs. 1 FrG gestützten Ausweisung ausschließlich anhand der Kriterien dieser Bestimmung (i.V.m. § 19 leg. cit.) zu beurteilen. Der Durchsetzungsaufschub schiebt lediglich die Durchsetzung der verhängten rechtskräftigen Ausweisung hinaus und ist zudem zeitlich begrenzt. Ein Abschiebungsaufschub ist bisher - nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers - nicht erteilt worden, aus einem diesbezüglichen Antrag bzw. einem Rechtsmittel gegen eine Abweisung eines solchen Antrages kann der Beschwerdeführer kein Recht zum Aufenthalt in Österreich herleiten.

4. Schließlich ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer seinen Antrag, den angefochtenen Bescheid infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - wegen Verletzung des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG - aufzuheben, zur Gänze - auch bezüglich der Relevanz des geltend gemachten Mangels - unbegründet läßt. Die diesbezüglich völlig unbestimmt gehaltene Beschwerde ist daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des dem angefochtenen Bescheid vorangegangenen Verfahrens darzutun (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, dritte Auflage, zu § 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, S 249 f).

5. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996180230.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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