TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/18 94/04/0238

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Veröffentlicht am 18.06.1996
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §29;
GewO 1994 §349 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der M-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einem Verfahren betreffend den Umfang von Gewerbeberechtigungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 zweiter Satz und § 62 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit § 349 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 wird der Antrag der beschwerdeführenden Partei, der Bundesminister möge aussprechen, daß der Umfang der Gewerbeberechtigung "Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik" auch die Konvertierung von technischen Daten, die von Erzeugern (Herstellern) vorgegeben werden, in ein vom Anwender gewünschtes System umfaßt, zurückgewiesen.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 24. Mai 1994 an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (belangte Behörde) einen Antrag "gemäß § 349 Abs. 1 Z. 1 iVm § 349 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994" mit folgendem Begehren:

"Der Bundesminister möge aussprechen, daß der Umfang der Gewerbeberechtigung "Dienstleistungen in der automationsunterstützten Datenverarbeitung und Informationstechnik" auch die Konvertierung von technischen Daten, die von Erzeugern (Herstellern) vorgegeben werden, in ein vom Anwender gewünschtes System umfaßt."

Über Anfrage der belangten Behörde teilte der Magistrat der Stadt Wien (Magistratsabteilung 63) am 16. September 1994 mit, daß hinsichtlich der Beschwerdeführerin im Zentralgewerberegister unter anderem folgende Eintragung bestehe:

"Ersteintragung am 17.11.1982 unter HR. B n1 im Firmenbuch Wien; lt. Eintragung vom 27.6.1989 Sitzverlegung nach B.

Reg. Zl. 15680/g/1/8, Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik (§ 103 Abs. 1 lit. a Z. 2 GewO 1973),

Standort: W, L-Gasse 1;

Angem. am 22.8.1983 zur GZ MBA 1/8-Gew 61996/1/83;

Gewerberechtlicher Geschäftsführer: Dipl.Ing. K."

Die Fachgruppe Unternehmensberatung und Datenverarbeitung Wien in der Sektion Gewerbe und Handwerk der Wirtschaftskammer Wien und die Fachgruppe technische Büros-Ingenieurbüros Wien der Wiener Handelskammer erstatteten jeweils am 31. Oktober 1994 schriftliche Stellungnahmen zum Antrag der Beschwerdeführerin; zu diesen Stellungnahmen äußerte sich die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 1. Februar 1995.

Mit Aufforderung vom 30. Jänner 1995 ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin unter Fristsetzung zur "Präzisierung des dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Antrags".

Mit Eingabe vom 28. Februar 1995 äußerte sich die Beschwerdeführerin dazu wie folgt:

"Der Gegenstand unseres Antrages ist unmittelbar aus diesem erkennbar. Es wird in diesem Zusammenhang auf die auf Seite 5 der Eingabe vom 20. Mai 1994 enthaltene Antragsformulierung verwiesen. Dabei wird jedoch berichtigend ausgeführt, daß die Bezeichnung unserer Gewerbeberechtigung richtigen lauten müßte:

"Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik", sodaß auch in diesem Antrag die Gewerbeberechtigung in diesem Sinne zu fassen wäre. Sonst tritt gegenüber dem Antrag auf Seite 5 keine Änderung ein.

Soweit aus der Eingabe Seite 3 eine weitergehende Formulierung gefolgert wird, wird darauf hingewiesen, daß dies nicht antragsgegenständlich ist. (Damit gemeint ist die Formulierung: Zu unseren Tätigkeitsbereichen und - wie auch festgestellt werden möge - zu dem Wirkungsbereich unseres Gewerbes überhaupt gehört auch die technische Dokumentation.)"

Mit Schreiben vom 20. April 1995 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die ergänzenden Stellungnahmen der genannten Fachgruppen vom 13. Februar 1995 bzw. 15. Februar 1995 und eine gutachterliche Äuerßung der Abteilung III/6 vom 19. April 1995 unter Einräumung der Gelegenheit zu einer Stellungnahme binnen drei Wochen.

Die Beschwerdeführerin äußerte sich dazu mit Eingabe vom 17. Mai 1995. In diesem Schriftsatz erklärte die Beschwerdeführerin ausdrücklich "unser Antrag vom 20. Mai 1994 idF der Berichtigung vom 27.2.1995 bleibt daher aufrecht".

Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 1994 erhob die Beschwerdeführerin beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde gegen den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wegen Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich ihres auf "§ 349 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 349 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994" gestützten Antrages.

Mit Verfügung vom 10. Jänner 1995 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 2 VwGG das Vorverfahren ein und trug der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG auf, innerhalb einer Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen. Diese Verfügung wurde der belangten Behörde am 23. Jänner 1995 zugestellt.

Mit (am 4. Mai 1995 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten) Schriftsatz vom 2. Mai 1995 legte die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und führte aus, nach "ho. Ansicht liegt eine Verletzung der Entscheidungspflicht i.S. § 27 VwGG vor". Die genannte Gegenäußerung der Beschwerdeführerin vom 17. Mai 1995 wurde am 22. Mai 1995 im Nachhang übermittelt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.

Gemäß § 27 VwGG kann Säumnisbeschwerde erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden kann, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Diese Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Da die belangte Behörde den versäumten Bescheid auch innerhalb der ihr gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eröffneten Frist nicht nachgeholt hat, ist die Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen.

Die im Beschwerdefall in Betracht zu ziehende Bestimmung des § 349 GewO 1994 lautet:

"§ 349. (1) Zur Entscheidung

1. über den Umfang einer Gewerbeberechtigung (§ 29) im Verhältnis zu einer anderen Gewerbeberechtigung und

2. über die Frage, ob eine gewerbliche Tätigkeit, die Gegenstand einer Gewerbeanmeldung, eines Ansuchens um Bewilligung oder eines Ansuchens um Nachsicht vom Befähigungsnachweis ist, ein freies Gewerbe sein kann oder einem Handwerk oder einem gebundenen Gewerbe vorbehalten ist,

ist der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten berufen.

(2) Der Antrag auf Entscheidung gemäß Abs. 1 kann

1. vom Gewerbeinhaber oder einer Person, die eine Gewerbeanmeldung erstattet, um Erteilung einer Bewilligung oder um Nachsicht vom Befähigungsnachweis angesucht hat, und

2. von einer berührten Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft

gestellt werden. Der Antrag ist schriftlich zu stellen und zu begründen.

(3) Der Antrag auf Entscheidung gemäß Abs. 1 ist von Amts wegen zu stellen, wenn die betreffende Frage eine Vorfrage in einem nicht beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten anhängigen Verwaltungsverfahren ist und nicht ohne Bedachtnahme auf die in § 29 zweiter Satz enthaltenen Gesichtspunkte beurteilt werden kann, es sei denn, daß die Voraussetzungen für die Zurückweisung des Antrages gemäß Abs. 4 vorliegt. Ist eine Vorfrage im Sinne des ersten Satzes in einem beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten anhängigen Verwaltungsverfahrens zu beurteilen, so ist das Verfahren gemäß Abs. 1 von Amts wegen einzuleiten, wenn hievon nicht gemäß Abs. 4 abgesehen wird.

(4) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten kann den Antrag zurückweisen oder von der Einleitung eines Verfahren gemäß Abs. 1 von Amts wegen absehen, wenn ein erst zu nehmender Zweifel über die zur Entscheidung gestellte Frage nicht besteht oder wenn über die Frage in den letzten fünf Jahren vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten oder vom Verwaltungsgerichtshof aufgrund einer Säumnisbeschwerde (Art. 132 B-VG) entschieden worden ist.

(5) Andernfalls hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten schriftliche Stellungnahmen der im Abs. 2 genannten Parteien und der sonst sachlich beteiligten Gliederungen der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft einzuholen.

(6) Im Verfahren sind die im Abs. 2 Z. 1 genannten Personen und die in Abs. 2 Z. 2 und Abs. 5 genannten Gliederungen der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft Parteien und es steht ihnen das Recht der Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 wegen Rechtswidrigkeit zu."

Ausgehend von dieser Rechtslage ergibt sich, daß die Entscheidung über einen Antrag gemäß § 349 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. die abstrakte Lösung der Rechtsfrage nach dem Umfang einer Gewerbeberechtigung (§ 29) im Verhältnis zu einer anderen Gewerbeberechtigung zum Gegenstand hat. Einen derartigen Antrag hat die Beschwerdeführerin jedoch nicht gestellt. Denn die Beschwerdeführerin begehrt mit ihrem Antrag allein eine Feststellung des Umfanges der eigenen Gewerbeberechtigung bzw. eine Entscheidung über die Zuordnung einer konkreten gewerblichen Tätigkeit zu ihrer eigenen Gewerbeberechtigung. An diesem ausdrücklich auf § 349 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 gestützten Begehren hat die Beschwerdeführerin wiederholt festgehalten (vgl. zur insoweit inhaltlich gleichlautenden Rechtslage die hg. Erkenntnisse vom 12. Dezember 1989, Zl. 89/04/0081, und vom 26. Februar 1991, Zl. 90/04/0251).

Da dem Antrag der Beschwerdeführerin demnach die gesetzliche Grundlage fehlt, war dieser aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff insbesondere 55 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Daß im Beschwerdefall die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 oder 3 VwGG erfüllt seien, wurde von der belangten Behörde nicht dargetan.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994040238.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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