TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/18 95/04/0240

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Veröffentlicht am 18.06.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §56;
GewO 1994 §87 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des K in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 30. Oktober 1995, Zl. V/1-B-9364, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 30. Oktober 1995 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 13 Abs. 3 GewO 1994 die Gewerberechtigung für die Ausübung des Gewerbes "Gärtner" im näher bezeichneten Standort entzogen. Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, nach der Aktenlage sei mit Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 12. Oktober 1992 ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Beschwerdeführers mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Das zuständige Exekutionsgericht (Bezirksgericht Wiener Neustadt) sei ersucht worden, eine Liste aller Gläubiger des Beschwerdeführers zu erstellen, deren Forderungen entweder im Zeitpunkt des Konkursabweisungsbeschlusses offen gewesen oder deren Exekutionsverfahren danach anhängig geworden seien. Eine Ablichtung dieser Liste sei sodann dem Beschwerdeführer mit der Aufforderung übermittelt worden, sämtliche darauf Bezug habenden Zahlungsbelege vorzulegen, wobei aufmerksam gemacht worden sei, daß Schreiben von Gläubigern nur dann vorgelegt werden müßten, "wenn Bestätigungen geleisteter Zahlungen nicht aufbewahrt wurden bzw. zum Nachweis von allenfalls (nur mündlich) abgeschlossenen Ratenvereinbarungen". In weiterer Folge sei der belangten Behörde bekannt geworden, daß mit Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 22. Juni 1994 ein neuerlicher Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Beschwerdeführers mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden sei. Anläßlich einer Vorsprache bei der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt am 18. November 1994 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, daß er ein Grundstück in S käuflich erworben habe; nach der Eintragung dieser Liegenschaft ins Grundbuch würde ihm ein (näher bezeichnetes) Bankinstitut einen Kredit gewähren, mit welchem er im Stande sei, sämtliche noch offenen Forderungen abzudecken. Die diesbezüglichen Nachweise über bereits geleistete Zahlungen sowie die Abdeckung der Forderungen nach Erhalt dieses Kredites werde er unaufgefordert nachweisen. Auf Grund der vorliegenden Liste der offenen Exekutionen des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt sei festzustellen, daß Gläubiger des Beschwerdeführers immer wieder gezwungen gewesen seien, zur Hereinbringung ihrer offenen Forderungen den Exekutionsweg zu bestreiten. Von der belangten Behörde werde keinesfalls übersehen, daß der Beschwerdeführer bestrebt gewesen sei, zumindest einen Teil seiner Verbindlichkeiten abzudecken. Nach Ansicht der belangten Behörde komme es jedoch auf die pünktliche Erfüllung aller Zahlungspflichten an und habe es somit keiner weiteren Erhebungen darüber bedurft, wie sich der Schuldenstand des Gewerbeinhabers seit Abweisung der Konkursanträge bis zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung verändert habe, weil - auch vom Beschwerdeführer unbestritten - zweifelsfrei fest stehe, daß dieser seine Verbindlichkeiten nicht zur Gänze abgedeckt habe. Daran ändere nichts, daß die NÖ. Gebietskrankenkasse in der Bestätigung vom 7. Dezember 1994 mitgeteilt habe, daß der Gewerbeinhaber nunmehr seiner Zahlungsverpflichtung ordnungsgemäß nachkomme und sich die Kasse nicht mehr geschädigt fühle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Ausübung der in Rede stehenden Gewerbeberechtigung verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht er zunächst geltend, nach Ansicht der Behörde habe es keiner weiteren Erhebungen darüber bedurft, wie sich der Schuldenstand des Gewerbeinhabers seit Abweisung der Konkursanträge bis zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung verändert habe. Da mit Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 22. Juni 1994 der Antrag auf Eröffnung des Konkurses mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden sei, umfasse dies einen Zeitraum von über 16 Monaten, in welchem angeblich eine Veränderung des Schuldenstandes nicht entscheidungsrelevant wäre. Da für die Anwendung des § 87 Abs. 2 GewO 1994 gerade zu beurteilen sei, ob die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen sei, sei "anhand des aktuellen Schuldenstandes zu ersehen", ob den Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern des Unternehmens nachgekommen werde, weshalb die Ansicht der belangten Behörde rechtlich nicht vertretbar sei. Da darüber hinaus der Beschwerdeführer letztmalig am 18. November 1994 und sohin nahezu ein Jahr vor Erlassung des angefochtenen Bescheides von der Behörde gehört worden sei, sei ersichtlich, daß notwendige Erhebungen für die rechtliche Beurteilung der Anwendbarkeit des § 87 Abs. 2 GewO 1994 über fast ein Jahr von der Behörde nicht getätigt bzw. bei der Berufungsentscheidung berücksichtigt worden seien. Da vom unvertretenen Beschwerdeführer Mitteilungen über den aktuellen Schuldenstand bzw. die Situation mit den Gläubigern nicht gemacht worden seien, hätte die Behörde jedenfalls noch einmal im Rahmen ihrer amtswegigen Verpflichtung zur Sachverhaltsfeststellung vor ihrer Entscheidung am 30. Oktober 1995 der betroffenen Partei Gelegenheit geben müssen, sich zur aktuellen Situation zu äußern bzw. hätte die anwaltlich nicht vertretene Partei im Sinne der im § 13a AVG normierten Manuduktionspflicht zumindest angeleitet werden müssen, aktualisierte Schuldenstände bzw. die konkrete Situation mit Unternehmensgläubigern der Behörde bekannt zu geben. Dies sei jedenfalls nicht geschehen und liege daher "eine inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften" vor. Wäre die Behörde in diesem aufgezeigten Sinn tätig geworden, hätte sie feststellen können, daß der Beschwerdeführer nunmehr konkret Verbindlichkeiten gegenüber drei Gläubigern zu bedienen habe, hinsichtlich derer drei Ratenvereinbarungen geschlossen worden seien und die Verwendung der Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb jedenfalls im Interesse dieser Gläubiger gelegen sei.

Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht:

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 hat die Behörde (§ 361) die Gewerbeberechtigung zu entziehen, wenn einer der im § 13 Abs. 3 und 5 angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluß bewirken, vorliegt.

Gemäß § 13 Abs. 3 GewO 1994 sind von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2) Rechtsträger ausgeschlossen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet wurde oder gegen die der Antrag auf Konkurseröffnung gestellt, der Antrag aber mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde.

Gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1994 kann die Behörde von der im Abs. 1 Z. 2 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 28. November 1995, Zl. 95/04/0143, m.w. Judikaturhinweisen) ist im Grunde des § 87 GewO 1994 von der Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage einer Person erwartet werden kann, daß sie auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird, was jedenfalls voraussetzt, daß die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden sind. Hingegen ist es nicht schon allein entscheidungsrelevant, daß das Gewerbe ausgeübt wird, damit die vorhandenen Forderungen berichtigt werden. Außer den bereits bestehenden Gläubigerforderungen müssen somit die im Zusammenhang mit einer weiteren Gewerbeausübung zu erwartenden Verbindlichkeiten durch liquide Mittel beglichen werden können, um nicht eine Schädigung weiterer Gläubiger durch die fortgesetzte Gewerbeausübung eintreten zu lassen.

Ausgehend von dieser Rechtslage hätte die belangte Behörde zu prüfen gehabt, ob im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides diese Voraussetzungen gegeben waren oder nicht. Sie berief sich jedoch im angefochtenen Bescheid in Ansehung des gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1994 relevanten Sachverhaltes durchwegs auf Feststellungen, welche bereits derart weit zurück lagen, daß nicht mehr davon ausgegangen werden kann, die angefochtene Verfügung der belangten Behörde entspreche der Sachlage zum Zeitpunkt ihrer Erlassung (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Dezember 1983, Zl. 83/04/0205).

Vor dem Hintergrund des zur Dartuung der Wesentlichkeit des Verfahrensmangels gemachten Beschwerdevorbringens, es bestünden nunmehr (nur) Verbindlichkeiten gegenüber drei Gläubigern, mit denen Ratenvereinbarungen geschlossen worden seien, hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Kann doch nicht ausgeschlossen werden, daß bei Bedachtnahme auf den zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bestehenden Sachverhalt im Hinblick auf erfolgte Schuldentilgung getroffene Gläubigervereinbarungen und die nunmehrige (bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers sowohl eine vereinbarungsgemäße Tilgung der bereits entstandenen Forderungen als auch die Abdeckung der laufenden, mit einer weiteren Gewerbeausübung verbundenen Verbindlichkeiten des Beschwerdeführers in ausreichender Weise gesichert wären (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 89/04/0167).

Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG abzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995040240.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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