TE Vwgh Beschluss 2022/3/10 Ra 2020/15/0042

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.03.2022
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §115
BAO §269 Abs1
BAO §83 Abs1
BAO §85
BAO §97 Abs1 lita
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Dr. Zorn und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Engenhart, über die Revision des Dr. M K in W, vertreten durch die Dr. Obermayer Rechtsanwalt GmbH in 1030 Wien, Disslergasse 1, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 18. Jänner 2019, Zl. RV/2101121/2016, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit den Bescheiden vom 7. März 2016 erließ das Finanzamt - den Feststellungen des Prüfers im Rahmen einer Außenprüfung folgend - Bescheide über die Wiederaufnahme hinsichtlich Umsatzsteuer bzw. Feststellung von Einkünften je für die Jahre 2010 bis 2012 sowie Sachbescheide hinsichtlich Umsatzsteuer und Feststellung von Einkünften je für die Jahre 2010 bis 2013 der E KG.

2        Gegen diese Bescheide wurde mit Schriftsatz vom 7. April 2016 Beschwerde erhoben. Der Revisionswerber, Steuerberater Dr. K, führte darin aus, ihm sei von der E KG eine steuerliche Spezialvollmacht (ohne Zustellvollmacht) erteilt worden. Er berief sich auf die ihm gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 iVm § 88 Abs. 9 WTBG idF BGBl. I 1999/58 erteilte Vollmacht und setzte den Schriftsatz in der „Wir-Form“ fort.

3        Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde der E KG mit näherer Begründung ab.

4        Am 18. Juli 2016 brachte der Revisionswerber „namens und auftrags meiner Mandantin“ einen Vorlageantrag beim Finanzamt ein, in dem die Diktion der Beschwerde fortgesetzt wurde.

5        Mit Beschluss vom 18. Jänner 2019 wies das Bundesfinanzgericht (BFG) „in der Angelegenheit der von Dr. K [...] namens der E KG [...] erhobenen Beschwerde“ die Beschwerde „mangels Aktivlegitimation des Einschreiters“ als unzulässig zurück und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. In der Zustellverfügung sind der Revisionswerber und das Finanzamt genannt.

6        Begründend führte das BFG nach Erhebungen zur Vollmachtserteilung aus, dass aufgrund einer Gesamtbetrachtung näher angeführter Umstände in freier Beweiswürdigung davon auszugehen sei, dass die E KG den Revisionswerber nicht bevollmächtigt habe, weshalb der Revisionswerber nicht „wirksam und zulässig“ für die E KG einschreiten könne und die Beschwerde mangels „Legitimation des Beschwerdeführers“ als unzulässig zurückzuweisen sei. Diesen Beschluss stellte das BFG - neben dem Finanzamt - ausschließlich dem Revisionswerber zu.

7        Der Verfassungsgerichthof hat mit Beschluss vom 25. Februar 2020, E 762/2019-5, die Behandlung der dagegen vor ihm erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

8        Die in der Folge vom Revisionswerber erhobene Revision erweist sich als unzulässig.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Zunächst bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Judikatur zur Frage der Prüfungsreihenfolge von Zurückweisungsgründen. Das BFG hätte seine Zurückweisung vorrangig auf den Mangel eines tauglichen Anfechtungsobjekts stützen müssen, da die Bescheide des Finanzamts vom 7. März 2016 mangels wirksamer Zustellung, die an einen bereits im Jahr 2013 aus der E KG ausgeschiedenen Komplementär erfolgt sei, gegenüber der E KG nicht wirksam ergangen seien.

13       Dabei übersieht der Revisionswerber, dass es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei Verneinung der Legitimation eines Steuerberaters zur Einbringung einer Beschwerde nicht wesentlich ist, ob der mit dieser Beschwerde bekämpfte Bescheid wegen Unwirksamkeit der Zustellung nicht rechtswirksam erging (vgl. noch zur Rechtslage vor dem Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, VwGH 30.1.2013, 2009/13/0228). Im vorliegenden Fall war es daher - anders als vom Revisionswerber behauptet - für die Zurückweisungsentscheidung des BFG nicht relevant, ob die mit der Beschwerde vom 7. April 2016 bekämpften Bescheide vom 7. März 2016 gegenüber der E KG rechtswirksam ergangen sind (oder ob diese - dem Revisionsvorbringen folgend - wegen Unwirksamkeit der Zustellung an den ehemaligen, bereits im Jahr 2013 ausgeschiedenen Komplementär keine Rechtswirksamkeit erlangten).

14       Soweit sich der Revisionswerber im Zulässigkeitsvorbringen weiters auf einen „unzulässigen Austausch der Sache“ durch das BFG beruft, indem es den Revisionswerber unrichtig als Einschreiter erachtet habe, ist darauf zu verweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Einschreiter ist, wer das Anbringen bei der Behörde stellt, sei es für sich oder für einen anderen (vgl. z.B. VwGH 12.6.1990, 89/14/0085, und 13.12.2000, 2000/03/336). Ist zweifelhaft wem ein Anbringen zuzurechnen ist, verpflichtet dies das Gericht zu entsprechenden Ermittlungen (vgl. VwGH 30.1.2015, Ra 2014/17/0025). Eine Eingabe ist bis zum - hier nicht erfolgten - Nachweis der Bevollmächtigung nicht dem (behaupteten) Machtgeber, sondern dem einschreitenden Vertreter zuzurechnen, sofern dieser eine für die Bevollmächtigung geeignete Person ist (was im vorliegenden Fall nicht in Zweifel stand; vgl. VwGH 29.9.2016, Ra 2016/02/0198, mwN). Demnach begegnet es keinen vom Verwaltungsgerichthof wahrzunehmenden Bedenken, wenn das BFG den Revisionswerber als Einschreiter erachtete und der angefochtene Beschluss ausschließlich ihm zugestellt wurde.

15       Sollte die E KG der Ansicht sein, dass sie rechtswirksam Vollmacht erteilte und die Beschwerde in ihrem Namen eingebracht wurde, steht ihr die Geltendmachung der Entscheidungspflicht des Gerichts offen.

16       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. März 2022

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020150042.L00

Im RIS seit

20.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten