TE Vfgh Erkenntnis 1994/6/23 G192/92

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Veröffentlicht am 23.06.1994
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Index

L5 Kulturrecht
L5500 Baumschutz, Landschaftsschutz, Naturschutz

Norm

EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
Oö NaturschutzG 1964 §10 Abs3
Oö Natur- und LandschaftsschutzG 1982 §28 Abs4

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit der Regelung der Zuständigkeit zur Entscheidung über Entschädigungsansprüche im Oö Natur- und LandschaftsschutzG 1982; keine Beschränkung der Zuständigkeit des Bezirksgerichtes in der Entschädigungsfrage auf die Höhe des Anspruchs

Spruch

Dem Antrag wird keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist (zu den Zln. 292/10/0051, 0052) das Verfahren über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen einen an den Antragsteller ergangenen Bescheid der Oö Landesregierung vom 15. April 1991 anhängig; gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag wurde eine Beschwerde gegen diesen Bescheid eingebracht. Der Antragsteller des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens begehrte als Eigentümer zweier Grundstücke Entschädigung für vermögensrechtliche Nachteile, die er infolge Feststellung einer Konglomeratwand als Naturdenkmal erlitten habe. Nachdem die Oö Landesregierung den Entschädigungsanspruch mit dem schon erwähnten Bescheid gemäß §28 Abs4 des Oö Natur- und LandschaftsschutzG 1982, LGBl. 80, (im folgenden: Oö NSchG 1982) abgewiesen hatte, begehrte er beim Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems die gerichtliche Festsetzung des Entschädigungsbetrages. Dieser Antrag wurde mit dem (vom Obersten Gerichtshof aufgrund eines Revisionsrekurses mit Beschluß vom 15. Jänner 1992, 2 Ob 569/91, wiederhergestellten) Beschluß des Bezirksgerichtes vom 21. Juni 1991 zurückgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof begründete die Unzulässigkeit des Antrags im wesentlichen wie folgt:

"Die Antragsgegnerin stellt sich unter eingehender Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der oberösterreichischen Naturschutzregelungen auf den Standpunkt, daß es dem Antragsteller verwehrt sei, das Gericht anzurufen, weil die OÖ Landesregierung mit dem Bescheid vom 15.4.1991 keine Festlegung des Ausmaßes der Entschädigung im Sinn des §28 Abs4 OÖ NSchG 1982 vorgenommen habe.

Tatsächlich hat der Verfassungsgerichshof in VfSlg. 7431/1974 zum insoweit inhaltsgleichen §20 Abs3 BStG 1971 ausgesprochen, daß in einem Fall der verwaltungsbehördlichen Verweigerung einer Entschädigung dem Grunde nach die ordentlichen Gerichte nicht angerufen werden können. Ein solcher Fall liegt auch hier vor. Anders als in der zu §49 Abs1 KrntNSchG ergangenen

Entscheidung des Verwaltungsgerichshofes JBl 1990, 739, unterscheidet §28 Abs4 OÖ NSchG ausdrücklich zwischen der Entscheidung der Landesregierung über das Bestehen des Anspruches und 'gegebenenfalls', also dann, wenn ein solcher besteht, auch über das Ausmaß der Entschädigung. Der Wortsinn und die logische Konsequenz desselben lassen aus dem daran anschließenden weiteren Wortlaut des Gesetzes, wonach der Eigentümer 'innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides die Festlegung des Ausmaßes der Entschädigung ... bei dem nach der örtlichen Lage des Grundstückes zuständigen Bezirksgericht' beantragen kann, nur den Schluß zu, daß das Gericht bloß die Höhe der Entschädigung, oder wie das Gesetz völlig präzis definiert, 'des Ausmaßes der Entschädigung' festzusetzen hat. Auch der Verwaltungsgerichtshof verweist in seinem oben vom Rekursgericht zur Stützung seiner Ansicht herangezogenen Erkenntnis JBl 1990, 739, darauf, daß dann, wenn in einer Entschädigungsregelung zwischen einer Entschädigung dem Grunde und einer solchen der Höhe nach differenziert wird, nur hinsichtlich der letzteren Frage die sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben ist. Für eine über diesen eindeutigen Sinn des mit anderen Entschädigungsregelungen, insbesondere aber dem §21 Abs3 BStG vergleichbaren §28 Abs4 OÖ NSchG vorzunehmende Auslegung besteht daher im Gegensatz zur Auffassung des Rekursgerichtes kein Raum."

2.a) §28 Oö NSchG 1982 hat folgenden Wortlaut:

"§28

Entschädigung

(1) Hat eine Verordnung, mit der ein Gebiet zu einem Landschaftsschutzgebiet (§7), einem geschützten Landschaftsteil (§8) oder einem Naturschutzgebiet (§17) erklärt wurde, oder hat ein Bescheid, mit dem ein Naturgebilde als Naturdenkmal festgestellt wurde (§15), eine erhebliche Ertragsminderung eines Grundstückes oder eine erhebliche Erschwerung der Wirtschaftsführung zur Folge, so hat der Eigentümer gegenüber dem Land Anspruch auf eine angemessene Entschädigung soweit nicht anderweitig für eine Entschädigung vorgesorgt ist.

(2) Verliert ein Grundstück durch eine der im Abs1 erwähnten Maßnahmen für den Eigentümer zur Gänze und auf Dauer seine wirtschaftliche Nutzbarkeit, so ist es auf Verlangen des Eigentümers durch das Land einzulösen.

(3) Der Anspruch auf Entschädigung bzw. Einlösung ist, soweit eine gütliche Einigung nicht zustande kommt, bei sonstigem Verlust binnen einem Jahr nach dem Inkrafttreten der betreffenden Verordnung oder der Rechtskraft des betreffenden Bescheides bei der Landesregierung geltend zu machen.

(4) Die Landesregierung hat über das Bestehen des Anspruches und gegebenenfalls über das Ausmaß der Entschädigung bzw. des Einlösungsbetrages nach Anhörung wenigstens eines Sachverständigen mit Bescheid zu entscheiden. Für die Ermittlung der Entschädigung bzw. des Einlösungsbetrages sind die Bestimmungen der §§4 bis 9 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, sinngemäß anzuwenden. Innerhalb von drei Monten nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides kann der Eigentümer die Festlegung des Ausmmaßes der Entschädigung bzw. des Einlösungsbetrages bei dem nach der örtlichen Lage des Grundstückes zuständigen Bezirksgericht im Verfahren außer Streitsachen beantragen. Mit dem Einlangen des Antrages beim Bezirksgericht tritt der Bescheid der Landesregierung außer Kraft. Der Antrag kann nur mit Zustimmung der Landesregierung zurückgezogen werden."

b) Aus Anlaß der schon beschriebenen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof stellt dieser unter Berufung auf Art140 Abs1 B-VG zu A41/92 den Antrag "1. die Worte 'des Ausmaßes' im dritten Satz des §28 Abs4 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982 - O.ö. NSchG 1982, LGBl. für Oberösterreich Nr. 80, 2. in eventu die Worte 'über das Bestehen des Anspruches und gegebenenfalls' im ersten Satz dieser Gesetzesstelle,

3. in eventu §28 Abs4 leg.cit. wegen seines sprachlich untrennbaren Zusammenhanges zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben".

Der antragstellende Gerichtshof führt zur Präjudizialität der angefochtenen Gesetzesbestimmungen folgendes aus:

"Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gemäß §46 VwGG setzt die Versäumung dieser Frist voraus. Diese Voraussetzung läge dann nicht vor, wenn der Beschwerdeführer ungeachtet der Abweisung seines Entschädigungsbegehrens durch den angefochtenen Bescheid berechtigt wäre, die Entscheidung der ordentlichen Gerichte hierüber zu verlangen. Da nämlich die sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes in derselben Angelegenheit und damit die Einbringung einer Beschwerde ausschließt (vgl. den hg. Beschluß vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0181, mit weiteren Judikaturhinweisen), kann in einem solchen Fall die Beschwerdefrist gar nicht versäumt werden.

Die sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über Entschädigungsansprüche nach dem O.ö. NSchG 1982 bestimmt sich nach dessen §28 Abs4. Diese Bestimmung ist daher für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag und die Zulässigkeit der Beschwerde präjudiziell.

...

Der Verwaltungsgerichshof hält eine Bereinigung der Rechtslage durch die Aufhebung der Worte 'des Ausmaßes' im §28 Abs4 dritter Satz O.ö. NSchG 1982 für möglich. Im Falle ihrer Beseitigung entfällt die durch sie bewirkte Einschränkung der Anrufbarkeit der ordentlichen Gerichte. Da der dann verbleibende

Wortlaut ('... kann der Eigentümer die Festlegung der Entschädigung ... bei dem ... zuständigen Bezirksgericht ... beantragen')

sprachlich auch den Fall der Abweisung eines Entschädigungsbegehrens wegen Verneinung des geltend gemachten Anspruchs erfaßte, könnte der Eigentümer auch in einem solchen Fall die Entscheidung des zuständigen Bezirksgerichtes über seinen Entschädigungsanspruch beantragen.

Für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof diese Ansicht nicht teilt, sondern zu der Auffassung gelangt, daß es zur Bereinigung der Rechtslage der Aufhebung der Worte 'über das Bestehen des Anspruches und gegebenenfalls' im ersten Satz des §28 Abs4 leg.cit. bzw. wegen des sprachlich untrennbaren Zusammenhangs des gesamten Abs4 bedarf, stellt der Verwaltungsgerichtshof die eingangs formulierten Eventualanträge."

3. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die angefochtenen Vorschriften folgendes verfassungsrechtliches Bedenken:

"Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Anspruch auf Entschädigung für vermögensrechtliche Nachteile infolge der Feststellung eines in seinem Eigentum stehenden Naturgebildes als Naturdenkmal ist in dem hier interessierenden Zusammenhang völlig mit einem Anspruch auf Enteignungsentschädigung vergleichbar. Entschädigungsansprüche nach §28 Abs4 O.ö. NSchG 1982 zum Ausgleich für hinzunehmende vermögensrechtliche Nachteile oder Wirtschaftserschwernisse sind als zivilrechtliche Ansprüche (civil rights) nach Art6 Abs1 MRK anzusehen (vgl. insbesondere das zur Enteignungsentschädigung nach dem Wasserrechtsgesetz ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 11.760/1988). Wie der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis weiter ausgeführt hat, genügt die bloß nachprüfende Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen durch den Verwaltungsgerichtshof den Anforderungen des Art6 Abs1 MRK zwar dann, wenn verwaltungsbehördliche Entscheidungen 'civil rights' lediglich in ihren Auswirkungen betreffen. Bei jenen Ansprüchen hingegen, die ihrem Wesen nach dem Bereich des herkömmlichen Zivilrechts zuzuzählen sind, wie die hier in Rede stehenden Entschädigungsansprüche, ist auf Grund des Art6 Abs1 MRK eine Sachentscheidung durch ein dieser Vorschrift genügendes Tribunal, dem die selbständige Feststellung und Würdigung der Tat- und Rechtsfrage obliegt, unabdingbar. Aus dieser vom Verwaltungsgerichtshof geteilten Auffassung folgt, daß die Entscheidung über die Entschädigung umfassend und nicht bloß hinsichtlich der Höhe - also auch der für die Partei noch gewichtigere Fall der gänzlichen Versagung einer Entschädigung - letztlich einer dem Art6 Abs1 MRK entsprechenden Kontrolle der Tat- und Rechtsfrage durch ein Tribunal im Sinne dieser Verfassungsbestimmung zugeführt werden muß.

Dieser Anforderung entspräche die Regelung des §28 Abs4 O.ö. NSchG 1982 nur dann, wenn auch im Falle der Abweisung eines Entschädigungsbegehrens wegen Nichtbestehens des geltend gemachten Anspruchs (dem Grunde nach) die Anrufung der ordentlichen Gerichte zulässig wäre. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes läßt jedoch der insofern klare Wortlaut dieser Regelung eine solche Auslegung nicht zu.

Nach dem ersten Satz hat sich die Behörde zunächst mit der Frage des Bestehens des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs zu befassen. Erst und nur dann, wenn sie den Anspruch bejaht (arg. 'und gegebenenfalls'), stellt sich ihr die weitere Frage nach dem Ausmaß der Entschädigung. Daraus folgt für den Fall der Verneinung des Bestehens des geltend gemachten Anspruchs aus welchem Grund immer, daß sich die Behörde mit der Frage 'des Ausmaßes' gar nicht mehr zu befassen hat. An diese Regelung knüpft nun der die Anrufbarkeit der ordentlichen Gerichte regelnde dritte Satz dergestalt an, daß er eine Antragstellung an das Gericht ausdrücklich hinsichtlich der 'Festlegung des Ausmaßes der Entschädigung' vorsieht. Zu einer Entscheidung der Landesregierung über das Ausmaß der Entschädigung kommt es aber nur im Falle der vorangegangenen Bejahung des Bestehens des Entschädigungsanspruchs. Das bedeutet, daß bei seiner Verneinung und der damit verbundenen Abweisung des Entschädigungsbegehrens die Anrufung der ordentlichen Gerichte ausgeschlossen ist. Dieses Verständnis entspricht der vom OGH im erwähnten Zurückweisungsbeschluß vom 15. Jänner 1992 vertretenen Auffassung und letztlich auch der Auslegung der vergleichbaren Regelung des §21 Abs3 BStG 1971 durch den Verfassungsgerichshof (VfSlg. 7431/1974).

§28 Abs4 O.ö. NSchG 1982 erweist sich, da die dem Entschädigungswerber im Falle der Abweisung seines Entschädigungsbegehrens offenstehende Möglichkeit der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof dem Art6 Abs1 MRK nicht genügt, als verfassungsrechtlich bedenklich."

4. Die Oö Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Abweisung des Prüfungsantrags begehrt. Im einzelnen hält die Landesregierung den verfassungsrechtlichen Bedenken folgendes entgegen:

"Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß die Regelungen des §20 Abs3 BStG 1971 und des §28 Abs4 O.ö. NSchG 1982 inhaltsgleich seien. Er übersieht dabei aber folgendes:

Gemäß §20 Abs3 vierter Satz BStG 1971 tritt 'mit Anrufung des Gerichtes ... die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung außer Kraft'. Dagegen bestimmt §28 Abs4 vierter Satz O.ö. NSchG 1982: 'Mit dem Einlangen des Antrages beim Bezirksgericht tritt der Bescheid der Landesregierung außer Kraft'.

Während demnach nach den Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes die Entscheidungskompetenz des Gerichtes tatsächlich auf die Frage der Höhe der Entschädigung beschränkt ist, bewirkt das Außerkrafttreten des gesamten Bescheides der Landesregierung im Verfahren gemäß §28 Abs4 O.ö. NSchG 1982, daß 'das Gericht hinsichtlich der Entschädigungsfrage im vollen Umfang zur Entscheidung zuständig wird, also auch dem Grunde nach hinsichtlich des 'Ob's' des Anspruches. Das Gericht hat demnach in jedem Fall über die Frage der Entschädigung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach abzusprechen. Dies zeigt klar, daß der oberösterreichische Gesetzgeber (anders als der Bundesstraßengesetzgeber) die Entscheidungszuständigkeit der Gerichte nicht auf die Frage der Entschädigungshöhe beschränken wollte.

Daß im ersten Satz der angefochtenen Bestimmung zwischen der Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruches einerseits und 'gegebenenfalls' dem Ausmaß der Entschädigung andererseits unterschieden wird und im dritten Satz der Antrag an das Gericht hinsichtlich der Festlegung des Ausmaßes der Entschädigung bzw. des Einlösungsbetrages ausdrücklich angesprochen wird, ist demgegenüber ohne Bedeutung. Die Anordnung, daß über das Ausmaß der Entschädigung nur 'gegebenenfalls' zu entscheiden ist, dient lediglich der Klarstellung, daß bei Verneinen eines Entschädigungsanspruches dem Grunde nach das im zweiten Satz vorgesehene Verfahren für die Ermittlung der Entschädigungshöhe nach den Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 nicht durchzuführen ist.

In Anbetracht des klaren Wortlautes des vierten Satzes des §28 Abs4 O.ö. NSchG 1982 kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe mit der Formulierung des dritten Satzes eine gerichtliche Entscheidung über das Bestehen eines Entschädigungsanspruches dem Grunde nach ausschließen wollen. Es mag zwar sein, daß die isolierte Betrachtung des dritten Satzes zu den vom Verwaltungsgerichtshof vorgetragenen Bedenken Anlaß geben kann, im Zusammenhang mit dem übrigen Text des §28 Abs4 O.ö. NSchG, insbesondere mit dessen viertem Satz, reduziert sich die vermutete Verfassungswidrigkeit aber allenfalls auf eine sprachliche Ungenauigkeit, die im Sinne verfassungskonformer Interpretation ohne weiteres in Übereinstimmung mit Art6 MRK gebracht werden kann ...

Im übrigen ist die angefochtene Bestimmung durchaus auch einer verfassungskonformen Auslegung in der Weise zugänglich, daß unter 'Ausmaß der Entschädigung' auch ein Ausmaß von Null, also die Abweisung eines Entschädigungsbegehrens dem Grunde nach, verstanden werden kann."

II. Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte ergeben, die gegen die Annahme des antragstellenden Verwaltungsgerichtshofs sprächen, daß er die (primär) angefochtene Gesetzesstelle anläßlich der von ihm zu treffenden Entscheidungen anzuwenden hätte. Der Verfassungsgerichtshof teilt die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs, daß die dem §28 Abs4 Oö NSchG 1982 angelastete Verfassungswidrigkeit im Fall des Zutreffens der Bedenken durch die Aufhebung der Worte "des Ausmaßes" im dritten Satz beseitigt wäre.

III. In der Sache erweist sich

der Antrag des Verwaltungsgerichtshofs hingegen als nicht gerechtfertigt. Der Verfassungsgerichtshof vermag nämlich der - am zitierten Beschluß des Obersten Gerichtshofs 2 Ob 569/91 orientierten - Prämisse der geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht beizupflichten, daß die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes in der Entschädigungsfrage auf die Höhe des Anspruchs beschränkt sei.

1. Wenn der erste Satz im §28 Abs4 Oö NSchG 1982 (- auch mit den im folgenden bezeichneten Sätzen sind stets solche dieser Gesetzesbestimmung gemeint -) bei der Festlegung der Entscheidungszuständigkeit der Landesregierung zwischen dem Bestehen des (Entschädigungs-)Anspruchs und ("gegebenenfalls") dem Ausmaß der Entschädigung unterscheidet, so stellt er dadurch den umfassenden Zuständigkeitsbereich der Landesregierung klar und beschreibt im Zusammenhang damit die beiden in Betracht kommenden (Sach-)Entscheidungsmodelle, nämlich einerseits den Bescheid, mit dem ein Entschädigungsanspruch abgewiesen wird, weil dieser dem Grunde nach nicht besteht, und andererseits jenen, mit dem eine - dem Grunde nach gebührende - Entschädigung in bestimmter Höhe zuerkannt wird. Der von der Oö Landesregierung herausgestellte Umstand, daß der vierte Satz undifferenziert das Außerkrafttreten des Bescheides der Landesregierung vorsieht, also nicht etwa zwischen den eben erwähnten beiden Entscheidungsmodellen unterscheidet und das Außerkrafttreten der verwaltungsbehördlichen Entscheidung auf den zweiten Fall einschränkt (wie zB der im Erk. VfSlg. 7431/1974 bezogene §20 Abs3 BundesstraßenG 1971), spricht grundsätzlich dafür, auch eine umfassende Zuständigkeit des Bezirksgerichtes bezüglich des Entschädigungsanspruchs anzunehmen. Dazu kommt, daß im dritten Satz bei der Festlegung der Antragsfrist ebenfalls vom Bescheid der Landesregierung schlechthin ("Rechtskraft des Bescheides") die Rede ist, also auch hier zwischen den beiden in Betracht kommenden Arten der Sachentscheidung kein Unterschied gemacht wird. Das für den Prüfungsantrag wohl ausschlaggebende Argument, der dritte Satz sehe - an die Regelung des ersten Satzes anknüpfend - "eine Antragstellung an das Gericht ausdrücklich (nur) hinsichtlich der Festlegung des Ausmaßes der Entschädigung" vor, weist demgegenüber nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs eine Beschränkung der bezirksgerichtlichen Zuständigkeit nicht nach. Denn diese Wendung umschreibt nur das Antragsbegehren, also das Begehren des Entschädigungswerbers auf Zuerkennung eines Entschädigungsbetrags, das aber bei einer Verneinung des Entschädigungsanspruchs überhaupt in der gleichen Weise sinnvoll ist wie im weiteren Fall, daß dem Antragsteller der verwaltungsbehördlich zugesprochene Entschädigungsbetrag als zu gering erscheint. Der Zweck, den Entschädigungswerber auch im ersteren Fall zu einem derartigen Antragsbegehren zu verhalten, kann durchaus in einer Klarstellung dahin erblickt werden, daß das Bezirksgericht auch dann, wenn es den Anspruch im Gegensatz zur Landesregierung als dem Grunde nach bestehend ansieht, über dessen Höhe abzusprechen hat, maW: sich nicht etwa mit einer bloß das Bestehen des Anspruchs bejahenden Entscheidung begnügen und sodann die Fortsetzung des Entschädigungsverfahrens der Verwaltungsbehörde überlassen darf.

2. Für die Auffassung, daß der Zuständigkeitsbereich des im außerstreitigen Verfahren angerufenen Bezirksgerichtes die Entschädigungsfrage insgesamt umfaßt, sprechen aber auch noch zwei weitere Erwägungen:

a) Das Rekursgericht in der mit dem Beschluß des Obersten Gerichtshofs 2 Ob 569/91 beendeten Außerstreitsache hat unter Bezugnahme auf §28 Abs1 Oö NSchG 1982 darauf hingewiesen, daß nur eine "erhebliche" Ertragsminderung oder Beschränkung der Wirtschaftsführung einen Entschädigungsanspruch begründet, und hat es mit Recht als einen Widerspruch zu einem einheitlichen Wertungsverständnis angesehen, wenn zwar ein gerichtliches Verfahren über geringfügige Differenzen oberhalb der Erheblichkeitsgrenze abgeführt werden könnte, nicht aber über einen möglicherweise weiteren Spielraum unterhalb dieser Grenze, welche wieder von der Auffassung der Verwaltungsbehörde abhinge.

b) Der Vergleich des dritten und vierten Satzes im §28 Abs4 Oö NSchG 1982 mit der korrespondierenden Vorschrift im vorangegangenen Oö Naturschutzgesetz 1964, LGBl. 46, nämlich dessen - im folgenden wiedergegebenen - §10 Abs3, zeigt, daß der Landesgesetzgeber anläßlich der Neuregelung von den vormals bestandenen, wohl auf die gerichtliche Zuständigkeit durchgreifenden Einschränkungen ("... wenn er" (sc. der Geschädigte) "sich durch die Festsetzung des Ausmaßes der Entschädigung durch die Landesregierung beschwert erachtet" sowie: "Die Entscheidung der Landesregierung über das Ausmaß der Entschädigung tritt mit der Anrufung des Gerichtes außer Kraft.") abgesehen hat.

"Bezüglich des Gegenstandes, des Umfanges und der Ermittlung der Entschädigung gelten nach Maßgabe des Abs1 sinngemäß die Bestimmungen des Abschnittes II und des Abschnittes III litB des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, mit der weiteren Maßgabe, daß der Geschädigte die gerichtliche Feststellung der Entschädigung begehren kann, wenn er sich durch die Festsetzung des Ausmaßes der Entschädigung durch die Landesregierung beschwert erachtet. Die Entscheidung der Landesregierung über das Ausmaß der Entschädigung tritt mit der Anrufung des Gerichtes außer Kraft. Die Anrufung des Gerichtes ist innerhalb einer Frist von sechs Wochen, gerechnet vom Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides der Landesregierung (Abs2), zulässig."

3. Aus den dargelegten Erwägungen folgt, daß der angefochtenen Gesetzesvorschrift die vom Verwaltungsgerichtshof unter dem Aspekt eines Verstoßes gegen Art6 Abs1 EMRK angelastete Verfassungswidrigkeit nicht anhaften kann, weil sie - dem Antragsvorbringen zuwider - eine Sachentscheidung über Entschädigungsansprüche durch ein Tribunal nicht ausschließt. In diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, daß sich der Verfassungsgerichtshof mit der Annahme einer umfassenden Zuständigkeit des Bezirksgerichtes in der Entschädigungsfrage im grundsätzlichen auch im Einklang mit der neueren, in dieselbe Richtung gehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes befindet (s. dazu dessen Beschluß VwSlg. 13.517/A/1991).

Dem Antrag war sohin keine Folge zu geben.

IV. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.

Schlagworte

Naturschutz, Landschaftsschutz, Entschädigung, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Tribunal, Kompetenz sukzessive

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:G192.1992

Dokumentnummer

JFT_10059377_92G00192_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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