TE Vwgh Beschluss 2022/3/18 Ra 2022/04/0005

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.03.2022
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
50/01 Gewerbeordnung

Norm

AVG §8
GewO 1994 §75 Abs2
GewO 1994 §75 Abs3
GewO 1994 §79a Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Mag. W K, vertreten durch die Schulyok Unger & Partner Rechtsanwälte OG in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 50, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 5. November 2021, Zl. LVwG 43.15-2869/2021-14, betreffend Antrag gemäß § 79a GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Weiz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber stellte am 18. Jänner 2021 bei der Bezirkshauptmannschaft Weiz (belangte Behörde) gemäß § 79a Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) den Antrag, einem näher bezeichneten Sägewerk in S zusätzliche Auflagen vorzuschreiben. Mit Eingabe vom 19. Februar 2021 beantragte er - unter Berufung auf die gemäß § 79a Abs. 4 GewO 1994 durch Einbringung eines Antrags gemäß § 79a Abs. 3 GewO 1994 erlangte Parteistellung - die Gewährung von Akteneinsicht zu sechs näher bezeichneten, das fragliche Sägewerk betreffenden Anlagengenehmigungen (darunter das bei der belangten Behörde zu GZ BHWZ-1114422/2020 protokollierte Verfahren).

2        Mit Bescheid vom 14. Juli 2021 gab die belangte Behörde dem Antrag auf Vorschreibung zusätzlicher Auflagen (Spruchpunkt I) sowie auf Gewährung von Akteneinsicht (Spruchpunkt II) nicht statt. Da der Revisionswerber keine Nachweise für einen mehr als nur vorübergehenden Aufenthalt auf der (seit 1996 in seinem Eigentum stehenden, näher bezeichneten) Liegenschaft in S im entsprechenden Zeitraum vorgelegt habe, mangle es ihm an der erforderlichen Parteistellung. Da der Antrag gemäß § 79a GewO 1994 nicht zulässig sei, habe der Revisionswerber keine Parteistellung erworben und daher sei auch dem Antrag auf Akteneinsicht nicht stattzugeben gewesen.

3        Mit dem angefochtenen Beschluss vom 5. November 2021 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (VwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers hinsichtlich beider Spruchpunkte als unzulässig zurück. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig erklärt.

4        Das VwG stellte - auf das Wesentlichste zusammengefasst - Folgendes fest: Für das gegenständliche Sägewerk seien zunächst im Jahr 1966 eine Erstgenehmigung und anschließend zahlreiche weitere (näher bezeichnete) Änderungsgenehmigungen erteilt worden. Der Revisionswerber sei seit 1996 Eigentümer eines näher bezeichneten Grundstückes in S und seit 2019 mit Nebenwohnsitz dort gemeldet. Der Revisionswerber habe am 5. Oktober 2018 eine „Lärmbeschwerde“ hinsichtlich des Sägewerks bei der belangten Behörde eingebracht; die in diesem Verfahren erhobene Säumnisbeschwerde sei vom VwG rechtskräftig zurückgewiesen worden. Die vom hier gegenständlichen Antrag des Revisionswerbers auf Akteneinsicht erfassten Verfahren seien - mit Ausnahme des zu GZ BHWZ-1114422/2020 protokollierten Verfahrens, das noch bei der belangten Behörde anhängig sei - alle rechtskräftig abgeschlossen.

5        In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das VwG zu Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides fest, dass ein Nachbar mit seinem Antrag nach § 79a Abs. 3 GewO 1994 zwei Voraussetzungen erfüllen müsse: Er müsse glaubhaft machen, vor den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt zu sein, und er müsse nachweisen, bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Betriebsanlage oder der Betriebsanlagenänderung Nachbar im Sinn des § 75 Abs. 2 und 3 GewO 1994 gewesen zu sein. Bei Fehlen einer Voraussetzung sei die Behörde zur Zurückweisung des Antrags berechtigt. Im vorliegenden Fall habe der Revisionswerber nicht einmal ansatzweise nachgewiesen, ob bzw. seit wann er hinsichtlich der gegenständlichen Betriebsanlage Nachbarstellung erlangt habe. Der erst mit der Beschwerde vorgelegte (dem Revisionswerber nicht einmal eindeutig zuordenbare) Meldezettel sei kein geeigneter Nachweis, weil sich aus dem Beschwerdevorbringen ergebe, dass der Revisionswerber 1977 zum Studium nach Wien gezogen und offenbar jahrzehntelang nicht an der gegenständlichen Adresse in S wohnhaft gewesen sei. Zudem lasse der Antrag nicht erkennen auf welchen Genehmigungsbescheid des Sägewerkes er sich beziehe. Schließlich habe der Revisionswerber auch nicht glaubhaft gemacht, „trotz konsensmäßigen Betriebs (welches Genehmigungsbescheides?) hinsichtlich der Lärmbelastung in seinen schutzwürdigen Interessen verletzt“ worden zu sein. Die belangte Behörde sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass der gegenständliche Antrag die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 79a Abs 3 GewO 1994 nicht erfülle und der Revisionswerber gemäß § 79a Abs. 4 GewO 1994 daher auch keine Parteistellung erlangt habe.

6        Zu Spruchpunkt II des bekämpften Bescheides verwies das VwG auf ein näher bezeichnetes rechtskräftiges Erkenntnis vom 11. November 2019, mit dem das VwG dem Revisionswerber die Akteneinsicht betreffend (mit Ausnahme des noch anhängigen, zu GZ BHWZ-1114422/2020 protokollierten Verfahrens) die auch hier angegebenen Verfahren mangels Parteistellung schon einmal verweigert habe. Dem erneuten Antrag sei daher schon wegen res iudicata nicht stattzugeben gewesen. Hinsichtlich des zu GZ BHWZ-1114422/2020 protokollierten, noch anhängigen Verfahrens verwies das VwG darauf, dass dem Revisionswerber insoweit nach dem Akteninhalt ohnehin Parteistellung zuerkannt worden und über den Antrag auf Akteneinsicht mit dem dieses Verfahren abschließenden Bescheid abzusprechen sei.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Mit den (selbst verfassten) Eingaben vom 21. Februar 2022 sowie vom 7. März 2022 erstattete der Revisionswerber weiteres Vorbringen.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Soweit der Revisionswerber in seiner Zulässigkeitsbegründung auf die „nachfolgend aufgezeigten Verfahrensmangel“ verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass ein Verweis auf die Revisionsgründe den Anforderungen des § 28 Abs. 3 VwGG betreffend eine gesonderte Darlegung der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht genügt (vgl. VwGH 15.5.2015, Ra 2015/03/0030, mwN).

10       Der Revisionswerber erachtet in seinem Zulässigkeitsvorbringen zum einen die Rechtsfrage als grundsätzlich, ob es zulässig sei, dass ihm, nachdem ihm in zwei näher bezeichneten Verfahren betreffend das Sägewerk (darunter das noch anhängige, zu GZ BHWZ-1114422/2020 protokollierte Verfahren) Parteistellung zuerkannt und er „gemäß Meldegesetz verurteilt“ worden sei, nunmehr in einem Verfahren gemäß § 79a Abs. 3 GewO 1994 die Parteistellung verwehrt werde. Zum anderen sieht der Revisionswerber eine grundsätzliche Rechtsfrage darin, ob es zulässig sei, dass ihm die belangte Behörde in dem zu GZ BHWZ-1114422/2020 protokollierten Verfahren die Übermittlung der Verhandlungsschrift verwehre und ihn somit aus dem Verfahren ausschließe.

11       Das VwG hat den Antrag des Revisionswerbers vom 18. Jänner 2021 wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 79a Abs. 3 GewO 1994 als unzulässig erachtet.

12       Nach der zweiten Voraussetzung des § 79a Abs. 3 GewO 1994 muss der Nachbar in seinem Antrag nachweisen, dass er bereits zum maßgeblichen Genehmigungszeitpunkt Nachbar (der fraglichen Betriebsanlage) im Sinn des § 75 Abs. 2 und 3 GewO 1994 war. Eine Interpretation dahingehend, es sei ausreichend, dass der Antragsteller hinsichtlich der Betriebsanlage insgesamt als antragsberechtigter Nachbar anzusehen sei, auch wenn er nach der Betriebsanlagengenehmigung Nachbar geworden sei, entspricht nicht der Rechtslage (vgl. VwGH 20.12.2017, Ra 2017/04/0109, Rn. 15). § 79a Abs. 3 GewO 1994 stellt auf eine erfolgte Genehmigung als zeitlichen Bezugspunkt ab (vgl. VwGH 28.9.2011, 2009/04/0211). Somit ermöglicht aber der Umstand einer allfälligen Zuerkennung der Parteistellung in einem anderen (wenn auch ebenfalls die hier gegenständliche Betriebsanlage betreffenden) Verfahren keine Rückschlüsse auf die Erfüllung der zweiten Voraussetzung des § 79a Abs. 3 GewO 1994 betreffend den Nachweis der Nachbareigenschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt (der Revisionswerber behauptet auch nicht, dass es sich bei den von ihm ins Treffen geführten Verfahren ebenfalls um solche nach § 79a Abs. 3 GewO 1994 - bezogen auf den gleichen Genehmigungszeitpunkt - handelt). Dass die Beurteilung des VwG betreffend die fehlende Erbringung des Nachweises der Eigenschaft als Nachbar zum maßgeblichen Zeitpunkt aus sonstigen Gründen fehlerhaft erfolgt wäre, wird im insoweit maßgeblichen Zulässigkeitsvorbringen ebenso wenig dargelegt wie eine Begründung dafür, warum aus einer (nicht näher ausgeführten) Verurteilung gemäß dem Meldegesetz auf eine Parteistellung des Revisionswerbers im hier zugrundeliegenden Verfahren nach § 79a Abs. 3 GewO 1994 zu schließen gewesen wäre.

13       Soweit der Revisionswerber die ihm verwehrte Übermittlung der Verhandlungsschrift in dem zu GZ BHWZ-1114422/2020 protokollierten Verfahren rügt, ist darauf hinzuweisen, dass er in seiner Eingabe vom 21. Februar 2022 angibt, die Verhandlungsschrift nunmehr erhalten zu haben. Zudem wird auch mit diesem Vorbringen nicht aufgezeigt, inwieweit die Beurteilung des VwG, wonach der Antrag des Revisionswerbers die Voraussetzungen des § 79a Abs. 3 GewO 1994 nicht erfülle und er - mangels eines dem Abs. 3 entsprechenden Antrags - auch keine Parteistellung gemäß § 79a Abs. 4 GewO 1994 erlangt habe, rechtswidrig erfolgt sei (vgl. zur erforderlichen Darlegung der Relevanz eines behaupteten Verfahrensmangels im Zulässigkeitsvorbringen VwGH 11.10.2021, Ra 2020/04/0179, Rn. 14, mwN).

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

15       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1a VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 18. März 2022

Schlagworte

Gewerberecht Nachbar Rechtsnachfolger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022040005.L00

Im RIS seit

14.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten