TE Vwgh Erkenntnis 2022/3/21 Ra 2020/02/0259

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Veröffentlicht am 21.03.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

AVG §56
KFG 1967 §98a
VStG §24
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller, den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des L F in R, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4 gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 5. Oktober 2020, LVwG-2019/26/2667-9, betreffend Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Landeck), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung (soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 2. des bekämpften Straferkenntnisses und die Vorschreibung der Kosten des Beschwerdeverfahrens richtet) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 31. Oktober 2019 wurde dem Revisionswerber mit Spruchpunkt 2. zur Last gelegt, er habe als Zulassungsbesitzer eines nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeuges zu verantworten, dass am 3. April 2019, um 16:53 Uhr an einem näher angegebenen Ort am angeführten Kraftfahrzeug ein sogenannter „Radar oder Laserblocker“ der Marke „AL Priority“ angebracht gewesen sei, obwohl Geräte oder Gegenstände, mit denen technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung beeinflusst oder gestört werden können, weder an Kraftfahrzeugen angebracht noch in solchen mitgeführt werden dürfen.

Der Revisionswerber habe dadurch zu Spruchpunkt 2. § 98a Abs. 1 KFG verletzt. Die belangte Behörde verhängte gemäß § 134 Abs. 1 KFG zu Spruchpunkt 2. eine Geldstrafe iHv. € 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage) und verpflichtete den Revisionswerber zur Zahlung eines betragsmäßig genannten Verfahrenskostenbeitrages.

2        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe ab, dass die Fundstellen der verletzten Verwaltungsvorschriften sowie der Strafsanktionsnorm beigefügt wurden. Zudem wurde dem Revisionswerber mit Spruchpunkt 2. ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3        Das Verwaltungsgericht stellte - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - fest, dass der Revisionsweber Zulassungsbesitzer des gegenständlichen Fahrzeuges sei. Am Tattag sei der Sohn des Revisionswerbers mit dem gegenständlichen Fahrzeug gefahren. Die Polizei habe zum Tatzeitpunkt im Rahmen einer Verkehrskontrolle die Anbringung von Teilen einer Radar- bzw. Laserblockeranlage am gegenständlichen Fahrzeug bemerkt. Aufgrund der Aufforderung der Polizei habe der Sohn des Revisionswerbers vier Bauteile einer Radar- bzw. Laserblockeranlage ausgebaut, nämlich zwei Sensoren, einen Bedienteil und eine Störeinheit. Diese vier Bauteile seien von der Polizei beschlagnahmt worden. Ob die Radar- bzw. Laserblockeranlage zum Tatzeitpunkt der Verkehrskontrolle funktionsfähig gewesen sei, könne nicht festgestellt werden. Dem Revisionswerber selbst sei im Rahmen eines Fahrzeugservice im Jahr 2018 bekannt geworden, dass am Fahrzeug eine Radar- bzw. Laserblockeranlage angebracht gewesen sei, weil der Revisionswerber daraufhin die Entfernung der Steuereinheit der Radar- bzw. Laserblockeranlage beauftragt habe.

4        Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Radar- bzw. Laserblockeranlage aus, dass die Polizisten in der mündlichen Verhandlung angegeben hätten, die Radar- bzw. Laserblockeranlage auf die Funktionsfähigkeit nicht überprüft zu haben. Der in der Verhandlung einvernommene Sachverständige habe dargelegt, dass es sich bei den beschlagnahmten Bauteilen um solche einer Radar- bzw. Laserblockeranlage handle, der jedoch die Steuereinheit fehle, sohin nicht alle Bauteile einer derartigen Anlage komplett beschlagnahmt worden seien oder vorlägen. Der Sachverständige habe zudem erklärt, keine Aussage zur Funktionsfähigkeit der Radar- bzw. Laserblockeranlage am Kontrolltag treffen zu können. Der Revisionswerber habe eine Bestätigung einer näher genannten GmbH vorgelegt, aus der hervorgehe, dass die Steuereinheit eines Laserblockers im Jahr 2018 ausgebaut worden sei. Nach der Ansicht des Verwaltungsgerichtes sage dies jedoch nichts darüber aus, ob es nicht etwa nach dem Fahrzeugservice zu einem erneuten Einbau einer Steuereinheit gekommen sei und somit am Kontrolltag alle erforderlichen Bauteile eines Laserblockers am Fahrzeug vorhanden gewesen seien und daher die Radar- bzw. Laserblockeranlage am Tattag funktionsfähig gewesen sei. Deshalb sei die Negativfeststellung zur Funktionsfähigkeit der Radar- bzw. Laserblockeranlage zu treffen gewesen.

5        Rechtlich hielt das Verwaltungsgericht nach Darlegung der anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen sowie näher genannter Rechtsprechung in Bezug auf die Radar- bzw. Laserblockeranlage fest, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen die beschlagnahmten Bauteile in Verbindung mit einer sogenannten Steuereinheit bestimmungsgemäß dazu geeignet seien, eine Geschwindigkeitsmessung mittels Laserwellen zu behindern oder zu beeinflussen. Das Verwaltungsgericht vertrete vor dem Hintergrund näher dargelegter Rechtsprechung die Ansicht, dass das Vorhandensein der vier in Rede stehenden Bauteile am Fahrzeug genüge, um einen Verstoß gegen § 98a Abs. 1 KFG zu bewirken. Die Funktionsfähigkeit einer Radar- bzw. Laserblockeranlage sei nicht Voraussetzung für die Tatbestandsverwirklichung, sodass dahingestellt bleiben könne, ob zum Tatzeitpunkt im Fahrzeug auch eine Steuereinheit eingebaut gewesen sei, die bloß nicht habe aufgefunden werden können oder ob eine solche damals im Fahrzeug gefehlt habe. Es sei nicht nur das Anbringen und Mitführen einer kompletten Anlage am Fahrzeug verboten, sondern auch das Anbringen und Mitführen einzelner Bestandteile einer Radar- bzw. Laserblockeranlage.

6        Die vorliegende außerordentliche Revision wendet sich nur gegen die Abweisung der Beschwerde in Bezug auf Spruchpunkt 2. des bekämpften Straferkenntnisses.

7        Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

8        Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9        Die Revision bringt zur Zulässigkeit vor, dass entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes von einer Eignung im Sinne des § 98a Abs. 1 KFG erst dann ausgegangen werden könne, wenn das Gerät sämtliche Voraussetzungen erfülle, um im Tatzeitpunkt Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung beeinflussen oder stören zu können. Nicht funktionsfähige Geräte oder Gegenstände seien nicht geeignet, technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung zu beeinflussen oder zu stören.

10       Die Revision ist zulässig, sie ist auch begründet.

11       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 98a Abs. 1 KFG maßgeblich, dass Geräte oder Gegenstände, welche geeignet sind, technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung zu beeinflussen oder zu stören, an Kraftfahrzeugen angebracht oder in solchen mitgeführt werden (argum.: „beeinflusst oder gestört werden können“). Ob das Gerät oder der Gegenstand tatsächlich in Betrieb genommen wurde bzw. ob es tatsächlich zu einer Beeinflussung oder Störung von technischen Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung gekommen ist, ist für die Erfüllung des Tatbestands hingegen nicht ausschlaggebend. Vielmehr reicht nach dem klaren Gesetzeswortlaut bereits die bloße Eignung des im Kraftfahrzeug angebrachten oder mitgeführten Geräts oder Gegenstands zur Störung oder Beeinflussung von technischen Verkehrsüberwachungseinrichtungen (vgl. VwGH 17.6.2019, Ra 2019/02/0069).

12       Nach dieser Rechtsprechung kommt es darauf an, dass das konkrete am Fahrzeug angebrachte oder dort mitgeführte Gerät die Beeinflussung oder Störung aktuell verursachen kann, also tatsächlich in Betrieb genommen werden kann. Dieses Gerät muss demnach im Tatzeitpunkt sämtliche Voraussetzungen erfüllen, um in diesem Zeitpunkt Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung zu beeinflussen oder zu stören. Unwesentlich ist, ob das Gerät - etwa mittels eines im Fahrzeug angebrachten Schalters - tatsächlich in Betrieb genommen worden ist. Für die Störung oder Beeinflussung einer Lasermessung (noch) nicht hinreichend geeignet ist demnach ein Gerät, das erst durch weitere nicht am Tatort und zur Tatzeit verfügbare technische Maßnahmen dazu in die Lage versetzt werden muss, solche Störungen oder Beeinflussungen herbeizuführen, also nicht ohne weiteres - etwa mittels eines im Fahrzeug angebrachten Schalters - in Betrieb genommen werden kann (vgl. VwGH 13.10.2020, Ra 2020/02/0063 oder etwa VwGH 1.12.2021, Ra 2021/02/0237).

13       Das Verwaltungsgericht vertritt die Rechtsansicht, dass bereits die angebrachten vier Bestandteile einer Radar- bzw. Laserblockeranlage ausreichten, um den Tatbestand des § 98a Abs. 1 KFG zu erfüllen.

14       Positive Feststellungen dazu, dass zum Tatzeitpunkt im Fahrzeug eine Steuereinheit vorhanden gewesen sei oder die beschlagnahmten Baubestandteile ausgereicht hätten, das Gerät damals ohne weiteres in Betrieb zu nehmen, hat das Verwaltungsgericht nicht getroffen.

15       In Anbetracht der dargestellten Rechtsprechung sind aber zur Prüfung, ob der Tatbestand des § 98a KFG erfüllt ist, Feststellungen unerlässlich, aus denen abgeleitet werden kann, dass das konkrete im Fahrzeug verbaute Gerät geeignet ist, technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung aktuell zu beeinflussen oder zu stören (vgl. VwGH 19.7.2021, Ra 2020/02/0084).

16       Dazu reicht es nicht aus, wenn das Verwaltungsgericht die Negativfeststellung trifft, die Funktionsfähigkeit der Radar- bzw. Laserblockeranlage könne nicht festgestellt werden. Die Ungewissheit des Verwaltungsgerichtes, wonach nicht gesagt werden könne, ob es nach der Entfernung der Steuereinheit im Jahr 2018 zu einem erneuten Einbau einer Steuereinheit gekommen sei und daher am Kontrolltag alle erforderlichen Bauteile eines Laserblockers am Fahrzeug vorhanden gewesen seien, langt nicht aus, um von einer Eignung zur Beeinflussung oder Störung technischer Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung auszugehen.

17       Indem das Verwaltungsgericht die Bestrafung des Revisionswerbers auf die Rechtsansicht gründete, das Anbringen einzelner Bestandteile einer Radar- bzw. Laserblockeranlage genüge zur Erfüllung des Tatbestandes des § 98a KFG ohne Feststellungen dahin getroffen zu haben, ob das konkrete Gerät im Tatzeitpunkt ohne weiteres eine Lasermessung hätte beeinflussen oder stören können, erweist sich diese Bestrafung als rechtswidrig (vgl. VwGH 23.2.2021, Ro 2020/11/0005).

18       Damit hat das Verwaltungsgericht das Erkenntnis im angefochtenen Umfang mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

19       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. März 2022

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020020259.L00

Im RIS seit

14.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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