TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/19 95/21/0938

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.1996
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
MRK Art8 Abs2;
StGB §207 Abs1;
StGB §208;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14. Juli 1995, Zl. St 100-2/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen vietnamesischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG ein mit 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, daß der (derzeit) im

31. Lebensjahr stehende Beschwerdeführer ledig sei und in Österreich keine Angehörigen habe. Er sei am 24. April 1990 von Ungarn her kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangt. Sein Antrag auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft sei mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. Februar 1991 abgewiesen worden. Dem Beschwerdeführer sei vorerst ein bis 9. August 1994 gültiger Sichtvermerk und anschließend eine bis 31. März 1995 gültige Aufenthaltsbewilligung erteilt worden. Der Antrag vom 1. Februar 1995 des Beschwerdeführers auf Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck von 7. März 1995 abgewiesen worden, das Verfahren sei allerdings noch nicht rechtskräftig beendet.

Mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 24. November 1994 sei der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter "18" Jahren nach dem §§ 208 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Die Strafe sei unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden. Der Beschwerdeführer sei für schuldig erkannt worden, in Mondsee

I. Kinder auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht zu haben und zwar

1.

zwischen Februar 1992 und 16. Juli 1994, dadurch, daß er ein Kind wiederholt am Geschlechtsteil über der Kleidung abgegriffen habe,

2.

im Frühjahr 1992 dadurch, daß er einem anderen Kind dessen Glied über der Hose mit seiner Hand berührt und die das Glied berührende Hand längere Zeit hin- und herbewegt habe,

3. a)

ein zu diesem Zeitpunkt 10jähriges Kind dadurch, daß er diesem etwa eine halbe Minute lang zwischen die Beine über der Kleidung auf den Geschlechtsteil gegriffen habe,

b)

daß er diesem Kind im Winter 1993 oder einige Zeit später bis spätestens 16. Juli 1994 eine Minute lang zwischen die Beine über der Kleidung auf den Geschlechtsteil gegriffen,

c)

im Mai 1994 dadurch, daß er das Kind am Körper ausgegriffen und das Glied des Kindes über der Kleidung berührt habe,

4.

im Winter 1993 ein weiteres Kind, indem er dieses mit einer Hand am Oberarm gepackt und mit der anderen Hand am bekleideten Geschlechtsteil berührt habe,

5.

Anfang Juli 1994 dieses Kind dadurch, daß er es am Körper ausgegriffen und hiebei das Glied des Kindes über der Kleidung berührt und die Hand einigemale hin- und herbewegt habe, sowie

II. im Februar 1992 dadurch, daß er vor einem damals zwölf Jahre und einem zehn Jahre alten Kind sein Glied entblößt und damit etwa 5 bis 10 Minuten onaniert habe.

Die Vielzahl der vom Beschwerdeführer während eines Zeitraumes von etwa zwei Jahren begangener strafbarer Handlungen lasse die Annahme gerechtfertigt erscheinen, daß sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle.

Da der Beschwerdeführer seit etwas mehr als fünf Jahren sich im Bundesgebiet aufhalte und hier auch einer Beschäftigung nachgehe, werde durch die "Ausweisung" in sein Privatleben eingegriffen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei aber zur Verhinderung von strafbaren Handlungen dringend geboten.

Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wögen jedenfalls schwerer als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer habe seine Tathandlungen immerhin durch zwei Jahre fortgesetzt und es sei nicht zu ersehen, daß seine sexuelle Orientierung eine Veränderung erfahren habe.

Das Aufenthaltsverbot könne auf die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Die Ausschöpfung dieser Höchstgrenze erscheine insofern erforderlich, weil nicht abgesehen werden könne, daß die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, bereits früher wegfallen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde habe seine Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid nicht erledigt. Er habe in der Berufung gerügt, daß die Erstbehörde mit einem fast wortidenten Schriftstück auch den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abgewiesen habe. Darauf sei die belangte Behörde nicht eingegangen.

Gegenstand des angefochtenen Bescheides war die Berufung des Beschwerdeführers gegen das erlassene Aufenthaltsverbot. Der Umstand, daß die Erstbehörde den Sachverhalt, auf den sich das Aufenthaltsverbot stützt, auch im Verfahren nach dem Aufenthaltsgesetz berücksichtigte, begründet keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.

Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör liegt nicht vor. Mit Schreiben vom 5. Juli 1995 teilte die belangte dem Beschwerdeführer die ihr wesentlich erscheinenden Sachverhaltselemente der gerichtlichen Verurteilung mit und stellte ihm anheim, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer reagierte darauf mit einem Schreiben vom 7. Juli 1995, das keine Stellungnahme enthielt.

Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 (Z. 1) FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf §§ 19 und 20 Abs. 1 leg. cit.) zu stützten, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0081, mit weiterem Nachweis).

Die belangte Behörde sah das nach § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG relevante Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers durch den der rechtskräftigen Verurteilung durch das Landesgericht Wels vom 24. November 1994 zugrundeliegenden Sachverhalt als verwirklicht an.

Der Beschwerdeführer führt lediglich aus, daß er seit seiner Verurteilung nicht wieder aufgefallen sei. Eine Therapie sei entgegen der Meinung der belangten Behörde nicht zielführend, weil "die sexuelle Orientierung kein Krankheitszustand" sei, der sich verändern ließe.

Dem ist entgegenzuhalten, daß der seit der letzten gegenständlichen strafbaren Handlung verstrichene Zeitraum viel zu kurz ist, um bei der gegebenen Neigung des Beschwerdeführers, minderjährige Kinder sexuell zu belästigen, verläßliche Schlüsse auf ein künftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers ziehen zu können. Die Auffassung der belangten Behörde, daß bei diesem Sachverhalt der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle, ist nicht rechtswidrig. Dazu kommt, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit der Abweisung seines Antrages auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (namens des Landeshauptmannes von Oberösterreich) unrechtmäßig ist.

Aufgrund der in diesem Verhalten zum Ausdruck kommenden Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Sicherheit ist auch die von der belangten Behörde getroffene Beurteilung, daß das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen dringend geboten sei, nicht zu beanstanden.

Im Rahmen der nach § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung hat die belangte Behörde alle zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände berücksichtigt. Wenn die belangte Behörde mit Rücksicht auf das große Gewicht der hier maßgebenden öffentlichen Interessen, insbesondere an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, dennoch zum Ergebnis kam, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, vermag ihr der Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995210938.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten