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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des A in E, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. April 1995, Zl. 4.333.485/13-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 25. April 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, der am 5. März 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 10. März 1992 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 5. Mai 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge nicht erfüllen würde, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 2. April 1992 - soweit entscheidungswesentlich - angegeben:
Er sei bei keiner politischen Partei Mitglied und auch nicht aus politischen Gründen verfolgt worden. Am 14. Oktober 1991 habe es in Kano zwischen Christen und Moslems ein Massaker gegeben. Er habe an einer Demonstration gegen Christen teilgenommen, wobei es zum Massaker gekommen sei. Es seien dabei sowohl Christen von Moslems als auch Moslems von Christen getötet worden. Er habe sich mitten in diesem Massaker befunden, jedoch niemanden getötet. Er habe auch niemanden geschlagen oder geholfen, jemanden zu töten. Er sei lediglich unter den Demonstranten gewesen und habe sich nicht mehr entfernen können. Am 19. Oktober 1991 sei er dann von der Polizei mit 73 anderen Personen festgenommen worden, die sich ebenfalls an der Demonstration beteiligt hätten. Er sei bis 8. November 1991 inhaftiert gewesen. An diesem Tag sei er geflüchtet, weil er am 10. November 1991 vor Gericht gebracht werden sollte. Er sei der Teilnahme am Massaker, des Randalismus und der Anstiftung zu einem "Stadtputsch" (gemeint offensichtlich: Staatsputsch) angeklagt gewesen. Es habe eine Strafe von 10 Jahren oder lebenslänglicher Haft oder aber auch die Todesstrafe gedroht. Es wäre aber Entscheidung des Gerichtes gewesen, und es würden die Angaben über die zu erwartenden Strafe eine Vermutung darstellen. Er habe keine Möglichkeit zu einer Verteidigung gehabt und als junger Mann nicht sein Leben im Gefängnis verbringen wollen, weshalb er sich entschlossen habe, zu fliehen und ins Ausland zu gehen.
Nachdem der seine Berufung gegen den seinem Asylantrag nicht stattgebenden Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 5. Mai 1992 abweisende Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. März 1994 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 5. Oktober 1994 aufgehoben worden war, wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben, andere als "offenkundige" Verfahrensmängel und daraus folgende Sachverhaltsfeststellungen der Erstbehörde in einer Ergänzung zur Berufung zu relevieren und zu vorgehaltenen Ergebnissen der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.
In einer Stellungnahme vom 21. April 1995 brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die Asylbehörden hätten ausschließlich mit der "Drittlandsicherheit" in Niger argumentiert, ohne jedoch über die konkrete Situation in Niger ein Verfahren durchgeführt zu haben. Er beantragte, es möge nunmehr ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren über die österreichischen Vertretungsbehörden in Niger und Nigeria durchgführt werden, um die im ersten Rechtsgang allein verfahrensgegenständlich gewesene Drittlandsicherheit zu überprüfen. Ferner beantragte der Beschwerdeführer seine neuerliche Einvernahme, da seine Ersteinvernahme bereits zu Beginn des Jahres 1992 erfolgt und über die Fluchtgründe an und für sich kein Beweisverfahren durchgeführt worden sei. Zum Beweise dafür, daß er am 14. Oktober 1991 in Kano in religiös motivierte Unruhen verwickelt gewesen sei und in der Folge aus diesem Grund und aus politischen Gründen Verfolgungen durch den Staat Nigeria ausgesetzt gewesen sei, legte der Beschwerdeführer Auszüge aus Berichten und Beiträgen in Zeitschriften vor.
Die belangte Behörde begründete ihre abweisende Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine Umstände habe glaubhaft machen können, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde und nicht gewillt sei, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Gefahr einer religiösen Verfolgung in Nigeria, die er mit seiner Beteiligung an religiösen Ausschreitungen begründet habe, sei nach Ansicht der belangten Behörde kein Umstand, die einen Asylanspruch begründen habe können, zumal es in Nigeria keine Staatsreligion gäbe. Die alleinige Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppierung oder Glaubensgemeinschaft sei noch kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling. Daß der Beschwerdeführer aufgrund seiner Teilnahme an dem Massaker gemeinsam mit anderen Demonstrationsteilnehmern von der Polizei inhaftiert worden sei, sei darauf zurückzuführen, daß die Polizei in Nigeria - ebenso wie in anderen Staaten - dann eingreife, wenn es im Rahmen von Demonstrationen zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen rivalisierender Gruppen oder zu sonstigen Ausschreitungen komme. Daraus ergebe sich, daß die Polizeimaßnahmen nicht gegen die religiöse Überzeugung der gegeneinander kämpfenden Bürger gerichtet seien, sondern vielmehr dazu dienten, Ruhe und Ordnung wieder herzustellen. Aus den Angaben des Beschwerdeführers sei zu schließen gewesen, daß die Behörden seines Heimatlandes nicht aus den im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründen an seiner Person interessiert gewesen seien, sondern um Ermittlungen hinsichtlich der Ausschreitungen und der damit verbundenen Geschehnisse vorzunehmen. Auch wenn Strafvorwürfe zu Unrecht erhoben worden seien, begründe dies allein noch nicht die Annahme eines politischen oder religiösen Aspektes. Vielmehr sei es einem Betroffenen auch in diesem Falle zuzumuten, sich dem Gericht zu stellen und die aufgebotenen Beweismittel zu entkräften. Der Behauptung des Beschwerdeführers, es sei ihm nicht möglich gewesen, sich im Gerichtsverfahren zu verteidigen, trat die belangte Behörde - ohne auf das Vorbringen seiner Stellungnahme vom 21. April 1995, es sei aufgrund der Vorfälle im Jahre 1991 in Nigeria eine Sondergerichtsbarkeit eingerichtet worden, einzugehen - mit der Feststellung entgegen, daß es in Nigeria ein ordentliches Rechtssystem gäbe, welches eine Mischung aus übernommenem englischen Recht, afrikanischem Gewohnheitsrecht und dem islamischen Recht darstelle. Im Privat- und Strafrecht gelte eine am britischen Vorbild orientierte Rechtsordnung. Die vom Beschwerdeführer ausgesprochene Vermutung, es habe ihm unter Umständen eine zehnjährige oder lebenslange Haftstrafe oder die Todesstrafe gedroht, wurde von der belangten Behörde als unzureichend angesehen, weil die bloße Behauptung asylbegründender Tatsachen nicht als ausreichend angesehen werden könne. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente hätten keine Anhaltspunkte einer den Beschwerdeführer selbst betreffenden asylrelevanten Verfolgung in seinem Heimatland ergeben.
Soweit der Beschwerdeführer unter dem Blickwinkel der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ausführt, die belangte Behörde habe außer acht gelassen, daß die ihm strafrechtlich drohenden Sanktionen wegen seiner Verwicklung in die Ausschreitungen im Oktober 1991 sich auch gegen seine politische Gesinnung richten würden, was sich daraus ergebe, daß ihm ein Verfahren im Rahmen der Sondergerichtsbarkeit drohe, ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer zwar in seiner Stellungnahme vom 21. April 1995 die Behauptung aufgestellt hat, daß in Nigeria eine Sondergerichtsbarkeit eingerichtet worden sei, jedoch das Vorbringen, daß diese nicht gegen den pönalen Charakter von Straftaten, sondern gegen die dahinterstehende politische Gesinnung vorgehen würde, eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung darstellt. Das bloße Einrichten einer Sondergerichtsbarkeit indiziert noch keinesfalls, daß diese aus dem eben erwähnten Grund geschaffen wurde, weshalb die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen konnte, daß die gegen den Beschwerdeführer gerichteten Handlungen im Zusammenhang mit seiner Verwicklung in die Vorkommnisse vom Oktober 1991 (Festnahme und ca. dreiwöchige Anhaltung) nicht aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründe erfolgt ist. Das Vorbringen des Beschwerdeführers bei seiner Vernehmung vom 2. April 1992, er habe "keine Möglichkeit auf eine Verteidigung" gehabt, ist zu wenig substantiiert, als daß daraus der Schluß zu ziehen wäre, es sei dem Beschwerdeführer - allenfalls auch vor aufgrund der Vorkommnisse im Oktober 1991 eingerichteten Sondergerichten - aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründe die Möglichkeit genommen worden, sich zu verteidigen.
Soweit die Beschwerde rügt, die belangte Behörde übersehe, daß bezüglich seiner Flüchtlingseigenschaft im ersten Rechtsgang kein Verfahren durchgeführt worden sei, ist auf die schon erwähnte Vernehmung des Beschwerdeführers am 2. April 1992 zu verweisen, in der ihm Gelegenheit geboten wurde, seine Fluchtgründe darzulegen. Daß dieser Einvernahme ein Mangel anhaften würde, behauptet nicht einmal die Beschwerdeschrift. Es lag für die belangte Behörde demnach kein Grund vor, eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 anzuordnen. Da der Beschwerdeführer auch nicht behauptet, die von ihm später vorgelegten Bescheinigungsmittel wären ihm im Verfahren vor der Erstbehörde nicht zugänglich gewesen, waren die Ausführungen in seiner Stellungnahme vom 21. April 1995 unbeachtlich.
Im übrigen ist zum Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe sich mit den von ihm vorgelegten Unterlagen nicht auseinandergesetzt, festzustellen, daß diesem Ausführungen darüber fehlen, wieso sich gerade aus diesen Unterlagen eine dem Beschwerdeführer selbst betreffende asylrelevante Verfolgung ergeben sollte. Insoferne fehlt dem Beschwerdevorbringen auch die notwendige entscheidungswesentliche Relevanz (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 591, angeführte Rechtsprechung). Soweit die Beschwerde behauptet, aus einer dieser Unterlagen würde sich ergeben, daß vor den in seiner Heimat eingerichteten Sondergerichten keine dem Art. 6 MRK entsprechenden Verfahrensgarantien bestünden, ist festzustellen, daß - abgesehen davon, daß die Qualifikation dieser Gerichtsbarkeit bezüglich ihrer Entsprechung an die Erfordernisse des Art. 6 MRK eine unzulässige Neuerung darstellt - diesem Vorbringen eine asylrechtliche Relevanz deshalb fehlt, weil von diesem Umstand - selbst wenn die Behauptung des Beschwerdeführers zutreffen sollte - die gesamte Bevölkerung seines Heimatlandes in gleicher Weise betroffen wäre.
Der verfahrensrechtlichen Rüge, die belangte Behörde habe die Beischaffung des dem Beschwerdeführer betreffenden Strafaktes des Landesgerichtes für Strafsachen Wien unterlassen, aus dem sich - wie in seiner Stellungnahme vom 21. April 1995 ausgeführt - ergeben würde, daß der Freispruch von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er hätte eine falsche ausländische Urkunde bei seiner Einreise in Österreich verwendet, wegen entschuldigendem Notstand erfolgt sei, was die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit günstig beeinflußt hätte, ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde die Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers gar nicht in Abrede gestellt hat.
Zur summarischen Rüge, die belangte Behörde habe sich mit seinem Vorbringen nicht ordnungsgemäß auseinandergesetzt und es fehle der Begründung des bekämpften Bescheides die Schlüssigkeit, ist entgegenzuhalten, daß die Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verfahren durch die belangte Behörde, nämlich, daß eine ihm allenfalls drohende Verfolgung wegen seiner Verwicklung in die Vorkommnisse des Oktobers 1991 in Kano nicht aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 aufgezählten Gründe erfolgt ist, der Aktenlage entspricht, in entscheidungswesentlichen Punkten nicht ergänzungsbedürftig war und die darauf beruhende Begründung auch durchaus nachvollziehbar ist.
Aus all diesen Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190080.X00Im RIS seit
20.11.2000