TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/17 LVwG-S-38/001-2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.2022
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Entscheidungsdatum

17.01.2022

Norm

WRG 1959 §55p
WRG 1959 §137 Abs1 Z15
VStG 1991 §44a Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Franz Kramer über die Beschwerde des A, vertreten durch B, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 07. Dezember 2021, ***, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959, zu Recht erkannt:

I.  Das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Strafverfahren hinsichtlich des darin enthaltenen Tatvorwurfs eingestellt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 55p, 137 Abs. 1 Z 15 WRG 1959 (Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959 i.d.g.F.)

§ 6 Abs. 6 Verordnung des Bundesministers für Land - und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm 2012 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen, Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 87/2012, i.d.g.F. (NAPV)

§§ 27, 44 Abs. 1 und 2, 50 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 i.d.g.F.)

§§ 25 Abs. 2, 44a, 45 Abs. 1 Z 1 VStG (Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 i.d.g.F.)

§ 25a Abs. 1 VwGG (Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 i.d.g.F.)

Art. 133 Abs. 4 B-VG (Bundesverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 i.d.g.F.)

Entscheidungsgründe

1.   Sachverhalt

1.1. Dem Strafakt der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (in der Folge: die belangte Behörde), wie er dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vorgelegt wurde, ist folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt zu entnehmen:

Auf Grund einer behördeninternen Anzeige unter Hinweis auf Erhebungsergebnisse leitete die belangte Behörde gegen A (in der Folge: den Beschwerdeführer) ein Strafverfahren wegen Übertretung des WRG 1959 ein. Nach Erlassung einer Strafverfügung, die der Beschwerdeführer beeinsprucht hatte, und Veranlassung einer Erhebung durch ein Gewässeraufsichtsorgan (der Erhebungsbericht wurde dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer an seine eigene Adresse zugestellt), erließ die belangte Behörde das Straferkenntnis vom 07. Dezember 2021, ***, mit dem der Beschwerdeführer wie folgt bestraft wurde:

„Zeit:  siehe Tatbeschreibung

Ort:    KG *** Grdstk. ***, *** und ***

Tatbeschreibung:

Sie wurden mehrfach, zuletzt am 31.05.2021, durch die Technische Gewässeraufsicht aufgefordert, die bestehenden Mistablagerungen auf Grdst. ***, *** und ***, KG ***, zu entfernen. Im Zuge der letzten Erhebung durch die Technische Gewässeraufsicht am 21.06.2021 konnte festgestellt werden, dass Sie der Aufforderung immer noch nicht nachgekommen sind und seit mehreren Jahren die Freilandschafhaltung und auch die anschließende Mistlagerung in Form einer Feldmiete (Haufenform) auf der gleichen Grundstücksfläche ohne jede Vorlagerung auf Dichtflächen und auch ohne landwirtschaftlicher Folgenutzung der betreffenden Stelle der Mistlagerung erfolgt. Dies steht daher im Widerspruch zum § 6 Abs. 6 Z. 1, 3 und 7 der Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung – NAPV vom 1.1.2018. Dies wurde bereits auch im Erhebungsbericht vom 16.4.2018 angemerkt.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 6 Abs. 6 Z. 1, 3 u. 7 Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung iVm § 137 Abs. 1 Z 15 Wasserrechtsgesetz

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von           falls diese uneinbringlich ist,  Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

€ 400,00           40 Stunden                    § 137 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz

Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2

Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der

Strafe, mindestens jedoch 10 Euro                                              40,00

Gesamtbetrag:                   440,00“

Begründend hält die belangte Behörde zunächst fest, dass der „dem Straferkenntnis zu Grunde liegende Sachverhalt“ dienstlich festgestellt und zur Anzeige gebracht worden sei. Nach Wiedergabe der Rechtfertigung des Beschwerdeführers wird eine „dazu ergangene Stellungnahme des Fachgebietes Umweltrecht vom 11.11.2021“ wörtlich wiedergegeben und festgehalten, dass der Beschwerdeführer dazu bisher keine Äußerung abgegeben hätte.

Nach der Überschrift „Die Behörde stellt hiezu fest“ werden § 6 Abs. 6 NAPV sowie § 137 Abs. 1 Z 15 WRG 1959 wiedergegeben. Danach heißt es, dass die Verwaltungsübertretung durch die dienstliche Feststellung sowie die ergänzenden Ausführungen der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf, Fachgebiet Umweltrecht, sowie die Erhebungsberichte der Gewässeraufsicht als erwiesen anzusehen wären. Es folgen Verweise auf § 5 Abs. 1 VStG und knappe Ausführungen zur Strafzumessung, wobei als mildernd „das Fehlen einschlägiger Vormerkungen“ und erschwerend kein Umstand angeführt wird.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhalts und in Folge von Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften geltend gemacht sowie im Hauptantrag die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Begründend wird vorgebracht, dass der Beschwerdeführer die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht verwirklicht hätte, der Spruch des Straferkenntnis mangels ausreichender Konkretisierung in Bezug auf den Tatzeitpunkt unbestimmt sei, weiters, dass durch Unterlassung der Zustellung des Ergebnisses der Beweisaufnahme an die Rechtsvertreterin das Parteiengehör verletzt wäre und überdies der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und festgestellt worden sei.

1.3. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich unter gleichzeitigem Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Entscheidung vor.

1.4. Das Gericht nahm in der Folge Einsicht ins Grundbuch: demnach haben das Grundstück Nr. ***, KG ***, eine Fläche von ca. 35.600 m²; Nr. ***, KG ***, ca. 10.000 m², sowie ***, KG ***, ca. 43.200 m²).

2.   Erwägungen des Gerichts

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat sich bei seiner Entscheidung von folgenden Erwägungen leiten lassen:

2.1.     Feststellungen und Beweiswürdigung

Der unter Punkt 1. wiedergegebene Verfahrensverlauf und Inhalt von Schriftstücken ergibt sich aus den unbedenklichen Akten der belangten Behörde und ist unbestritten; das Gericht kann dies seiner Entscheidung zugrunde legen.

Die Feststellungen zur Größe der angeführten Grundstücke beruhen auf den Angaben im offenen Grundbuch (Einsichtnahme durch das Gericht).

2.2.     Anzuwendende Rechtsvorschriften

WRG 1959

§ 55p. (1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat durch Verordnung Programme zur schrittweisen Reduzierung und Verhinderung der weiteren Verschmutzung der Gewässer (§ 30) durch direkte oder indirekte Ableitungen von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen zu erlassen. Diese Programme haben Maßnahmen, Verfahren und Verhaltensweisen insbesondere betreffend Düngeverbotszeiträume, das Ausbringen von stickstoffhältigen Düngemitteln auf landwirtschaftlichen Nutzflächen und das Fassungsvermögen von Behältern zur Lagerung von Wirtschaftsdünger zu enthalten. Durch diese Programme wird sichergestellt, dass bei landwirtschaftlichen Betrieben der auf den Boden ausgebrachte Wirtschaftsdünger, einschließlich des von den Tieren selbst ausgebrachten Dungs, eine Höchstmenge von 170 kg Stickstoff nach Abzug der Stall- und Lagerungsverluste pro Hektar und Jahr nicht überschreitet. Diese Programme sind allgemein im öffentlichen Interesse einzuhalten.

(2) In einem Programm mit den Zielsetzungen gemäß Abs. 1 können zusätzliche Kriterien (zB lange Wachstumsphasen, Pflanzen mit hohem Stickstoffbedarf, hoher Nettoniederschlag), Maßnahmen, Verfahren und Verhaltensweisen festgelegt werden, deren Vorliegen bzw. Einhaltung sicherstellen, dass die schrittweise Reduzierung und Verhinderung der weiteren Verschmutzung der Gewässer (§ 30) nicht gefährdet ist, wenn landwirtschaftliche Betriebe von der in Abs. 1 festgelegten Höchstmenge an Stickstoff abweichen. Zugleich sind in einem solchen Programm Vorhaltungsverpflichtungen sowie die zur Einhaltung der Ausnahmebestimmungen weiters erforderlichen Regelungen, insbesondere Meldeverpflichtungen, zu treffen. Strengere Regelungen gemäß § 34 bzw. § 33f betreffend wasserrechtlich besonders geschützter Gebiete bleiben unberührt. Die Ausnahmebestimmungen bedürfen der Zustimmung der Europäischen Kommission gemäß Art. 9 iVm. Anhang III Z 2 lit. b der Richtlinie 91/676/EWG.

§ 137. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist, sofern die Tat nicht nach Abs. 2, 3 oder 4 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu 3 630 € zu bestrafen, wer

        (...)

15.

den gemäß § 33f Abs. 3 getroffenen Überprüfungs- oder Aufzeichnungsanordnungen oder den gemäß § 33f Abs. 6 zur Grundwassersanierung angeordneten Nutzungsbeschränkungen oder Reinhaltemaßnahmen oder gemäß §§ 34 Abs. 1 und 2, 35 und 37 zum Schutz der Wasserversorgung, von Heilquellen oder von Heilmooren getroffenen Anordnungen oder den in einer Verordnung gemäß § 48 Abs. 2 oder den gemäß § 55p getroffenen Anordnungen zuwiderhandelt;

(…)

(…)

NAPV

§ 6 (…)

(6) Eine den Zeitraum von fünf Tagen übersteigende Zwischenlagerung von Stallmist in Form von
Feldmieten ohne befestigte Bodenplatte darf auf landwirtschaftlichen Nutzflächen nur erfolgen, wenn

1. die Verbringung des Stallmistes vom Hof frühestens nach drei Monaten erfolgt,
2. die Feldmiete mindestens 25 m von Oberflächengewässern einschließlich Entwässerungsgräben
entfernt ist und auf möglichst flachem, nicht sandigen Boden gelagert wird,
3. an der betreffenden Stelle seit mindestens einem Jahr keine Feldmiete angelegt war,
4. keine Gefahr einer Gewässerverunreinigung durch das Abfließen des Sickersaftes in ein Oberflä-
chengewässer einschließlich Entwässerungsgräben besteht,
5. es sich nicht um staunasse Böden handelt,
6. der Mindestabstand zwischen dem Grundwasserspiegel und der Geländeoberkante mehr als einen
Meter beträgt,
7. spätestens nach acht Monaten – bei Schaf- und Ziegen-, Lama- und Alpacamist sowie bei Pfer-
demist spätestens nach zwölf Monaten – eine Räumung mit landwirtschaftlicher Verwertung er-
folgt und
8. der Stickstoffgehalt im zwischengelagerten Stallmist insgesamt nicht jene Menge an Stickstoff
übersteigt, die auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Betriebes, auf der sich d ie Feldmiete
befindet oder die an die Feldmiete unmittelbar angrenzt, unter Einhaltung der in den §§ 7 und 8
festgeschriebenen Höchstgrenzen ausgebracht werden darf.

Stallmist von Küken und Junghennen für Legezwecke unter einem halben Jahr sowie von Legehennen
und Hähnen darf nicht in Form von Feldmieten zwischengelagert werden.

VwGVG

§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den

angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3)

zu überprüfen.

§ 44. (1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der

Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

(…)

§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über

Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Die gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses hat überdies zu enthalten:

1.   im Fall der Verhängung einer Strafe die vom Verwaltungsgericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung sowie die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände in Schlagworten;

2.   im Fall des § 45 Abs. 1 VStG eine gedrängte Darstellung der dafür maßgebenden Gründe.

(3) Jedes Erkenntnis hat einen Hinweis auf die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Verfahren vor dem

Verfassungsgerichtshof und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu enthalten.

VStG

§ 25. (…)

(2) Die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände sind in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.

(…)

§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1.   die als erwiesen angenommene Tat;

2.   die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3.   die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4.   den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5.   im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten

§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu

verfügen, wenn

1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die

die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

(…)

VwGG

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision

gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(…)

B-VG

Artikel 133. (…)

(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage

abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des

Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen

Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe

Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

(…)

2.3.     Rechtliche Beurteilung

2.3.1. Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer wegen einer Übertretung des Wasserrechtsgesetz 1959 bestraft.

Die angewendete Bestimmung des § 137 Abs. 1 Z 15 WRG 1959 pönalisiert den Verstoß gegen verschiedene behördlichen Anordnungen; konkret geht es erkennbar um die Zuwiderhandlung einer nach § 55p WRG 1959 getroffenen Anordnung, nämlich den zitierten § 6 Abs. 6 NAPV, welcher die Lagerung von Stallmist auf landwirtschaftlichen Nutzflächen verschiedenen Beschränkungen unterwirft; so wird die Zulässigkeit der Zwischenlagerung von Stallmist in Form von Feldmieten ohne befestigte Bodenplatte auf landwirtschaftlichen Nutzflächen an die Bedingung geknüpft, dass die Verbringung des Mistes vom Hof frühestens nach drei Monaten erfolgt (Z 1), an der betreffenden Stelle seit mindestens einem Jahr keine Miete angelegt war (Z 3) und spätestens nach acht Monaten – bei Schaf- und Ziegen-, Lama- und Alpakamist sowie bei Pferdemist spätestens nach 12 Monaten – eine Räumung mit landwirtschaftlicher Verwertung erfolgt (Z 7).

2.3.2. Der Beschwerdeführer spricht in seinem Rechtsmittel unter anderem die Frage der ausreichenden Konkretisierung der Tat an – damit ist er ungeachtet des Umstandes, dass sich sein Vorbringen nur auf die zeitliche Dimension bezieht (das Verwaltungsgericht ist bei der Prüfung im Rahmen der Sache des Beschwerdeverfahrens nicht an die geltend gemachten Gründe gebunden; vgl. zB VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066) im Ergebnis aus folgenden Erwägungen im Recht:

§ 44a Z 1 VStG stellt an den Spruch eines Straferkenntnisses die Anforderung, dass die als erwiesen angenommene Tat konkret umschrieben wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wenigstens seit dem grundlegenden Erkenntnis vom 03.10.1985, 85/02/0053, VwSlg 11894 A/1985, ist dieser Bestimmung dann entsprochen, wenn

?    im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um diesen Tatvorwurf zu wiederlegen und

?    der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, muss die Tat nach Ort und Zeit, aber auch hinsichtlich der Umschreibung der anderen nach dem Tatbestand der übertretenen Rechtsvorschriften maßgeblichen Umständen konkret umschrieben sein. Diese Anforderungen müssen auch an die Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG gestellt werden (vgl. VwGH 26.06.2003, 2002/09/0005).

Der Spruch des Straferkenntnisses muss so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann (z.B. VwGH 17.09.2014, 2011/17/0210).

Einen allenfalls fehlerhaften Abspruch der Verwaltungsstrafbehörde kann (und muss) das mittels Beschwerde angerufene Gericht (wie vormals die Berufungsbehörde) richtigstellen oder ergänzen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn (innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist) eine alle der Bestrafung zugrundeliegende Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (zB VwGH 23.10.2014, 2011/07/0205 zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei diese Rechtsprechung jedoch ohne weiteres auf die derzeit geltende Rechtslage übertragbar ist). Wesentlich ist also, dass Mängel in der Tatumschreibung durch die Verwaltungsstrafbehörde im gerichtlichen Be-schwerdeverfahren nur dann bzw. nur insoweit saniert werden können, wenn bzw. soweit es im Rahmen des verwaltungsstrafbehördlichen Verfahren zu einer Verfolgungshandlung gekommen ist, die den oben beschriebenen Konkretisierungserfordernissen entspricht.

Freilich darf es im Zuge der Richtigstellung nicht zu einer Auswechslung der Tat kommen; d.h. der Beschuldigte darf im Beschwerdeverfahren nicht für eine andere Tat bestraft werden als jene, die Inhalt des Straferkenntnisses war.

Im vorliegenden Fall entspricht der Tatvorwurf diesen Anforderungen in mehrfacher Hinsicht nicht.

Die von der belangten Behörde gewählte Tatumschreibung erweist sich nämlich sowohl in einer die Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers beeinträchtigenden Weise als derart undeutlich, dass sie nicht zwingend auf das Vorliegen der von der belangten Behörde angenommenen Übertretung schließen lässt, als auch nicht geeignet, den Beschuldigten davor zu schützen, nochmals wegen des selben Verhaltens zur Verantwortung gezogen zu werden.

Die (auch vom Beschwerdeführer geltend gemachte) zeitliche Unbestimmtheit resultiert aus der Angabe verschiedener Zeit- und Datumsangaben in Verbindung mit unterschiedlichen Vorwürfen, dies in Verbindung mit dem Umstand, dass letztere eine eindeutige Zuordnung des Tatvorwurfs unter die herangezogene Norm bzw. Normen nicht erlauben. So bleibt unklar, ob die belangte Behörde die Übertretung des Beschwerdeführers darin sieht, dass dieser verschiedenen Aufforderungen zur Entfernung von Mistablagerungen nicht nachgekommen ist, ob sie die Übertretung (auch) in der mehrjährigen Freilandschafhaltung und/oder der „anschließenden Mistlagerung“ erblickt und welche Aspekt des Tatvorwurfes jeweils den drei genannten Ziffern des § 6 Abs. 6 NAPV zugeordnet wird. Damit bleibt auch unklar, durch welches konkrete Verhalten (nach Meinung der Behörde) welche Tatbestandsmerkmale jeweils verwirklicht worden sind.

In örtlicher Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass die drei angeführten Grundstücke Nr. ***, *** und ***, KG ***, eine Fläche von insgesamt fast 9 ha aufweisen (laut Grundbuch hat das Grundstück Nr. ***, KG *** eine Fläche von ca. 35.600 m²; ***, ca. 10.000 m² sowie ***, KG ***, ca. 43.200 m²). Ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer wohl wegen des Anlegens einer Feldmiete bzw. wegen eines Misthaufens (oder möglicherweise mehrerer) auf diesen Grundstücken bestraft werden soll, hätte es zur Vermeidung einer möglichen Doppelbestrafung einer nähern örtlichen Konkretisierung bedurft (ist doch nicht anzunehmen, dass sich nach Auffassung der belangten Behörde die Mistlagerung auf die gesamte Fläche dieser Grundstücke bezogen haben könnte). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich im Akt Fotos befinden, die verschiedene Mistlagerstätten zu zeigen scheinen, wobei mangels Konkretisierung des Tatvorwurfs unklar bleibt, ob und auf welcher dieser im Lauf der Zeit fotografisch dokumentierten Mistablagerungsstätte sich der Vorwurf und damit die Bestrafung beziehen soll. Angesichts dieser Unbestimmtheit kann nicht ausgeschlossen werden, dass gegen den Beschwerdeführer ein neuerliches Strafverfahren wegen einer dann näher konkretisierten Lagerstätte eingeleitet würde und seinem Einwand, dafür bereits (mit dem hier gegenständlichen Straferkenntnis) bestraft worden zu sein, entgegengehalten würde, es wäre hiemit eine andere Tat verfolgt worden.

Ein korrekter Tatvorwurf müsste einerseits die betreffende(n) Stelle(n) des/der (land-wirtschaftlich genutzten) Grundstücks/e in nicht verwechslungsgefährdender Weise bezeichnen, hätte die Art und die (ungefähre) Dimension der festgestellten Mistablagerung anzugeben und müsste hinsichtlich der Tatumschreibung einschließlich derTatzeitangabe so präzise sein, dass sie eine eindeutige Unterstellung unter die in Betracht kommende(n) Bestimmung(en) des § 6 Abs. 6 NAPV erlaubt. Also, soweit den Anforderungen der Z 1 nicht entsprochen wird, die Angaben, aus denen sich eindeutig ergibt, dass die Verbringung früher als nach drei Monaten erfolgt ist, in Bezug auf die Z 3 die Angabe des Zeitpunktes, aus dem sich eindeutig ergibt, dass an derselben Stelle bereits vor weniger als einem Jahr vor Beginn der nunmehrigen Lagerung eine andere derartige Feldmiete vorhanden war, bzw. in Bezug auf Z 7 der ausreichend konkrete Vorwurf einer – nicht im Sinne der Z 3 unterbrochenen – Lagerung über – je nach Tierart – mehr als 8 bzw. 12 Monate.

Eine hinreichende Konkretisierung in diesem Sinne ist auch nicht aus der Bescheidbegründung zu gewinnen; zum einen lässt diese einen Aufbau iSd § 60 AVG gänzlich vermissen, zum anderen beschäftigt sich die in diesem Zusammen-hang allein wiedergegebene Stellungnahme des Fachgebiets Umweltrecht der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf überhaupt nicht mit Mistablagerungen, sondern hat die Schafhaltung selbst zum Inhalt, wobei es um das Verhältnis von Tierbestand zur benutzten Fläche geht – möglicherweise liegt hier eine Verwechslung mit einem anderen Verfahren vor.

2.3.3. Zusammenfassend ergibt sich also, dass die Spruchgestaltung des vorliegenden Straferkenntnisses gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG verstößt, sodass die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tat (im Sinne der Formulierung des Tatvorwurfes!) keine Verwaltungsübertretung bildet.

Daher war das angefochtene Straferkenntnis einschließlich der Kostenentscheidung aufzuheben und das Strafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z 1 (zweiter Fall) VStG einzustellen.

2.3.4. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung nicht der Einleitung eines neuerlichen Strafverfahrens innerhalb der Verfolgungsverjährungs-frist und – bei Vorliegen der Voraussetzungen - der Bestrafung des Beschwerdeführers in Bezug auf eine hinreichend konkretisierte Tat entgegenstünde. In einem solchen Strafverfahren gilt daher, da es sich auf eine andere Tat bezieht, auch nicht das Verschlechterungsverbot im Verhältnis zum vorliegenden Verfahren. Angemerkt sei, dass das Fehlen einer einschlägigen Vorstrafe – anders als die belangte Behörde zu meinen scheint - keinen Milderungsgrunds darstellt (dieser wäre nur im Falle der absoluten Unbescholtenheit gegeben, wovon angesichts der aktenmäßig dokumentierten zahlreichen Vorstrafen des Beschwerdeführers keine Rede sein kann; möglicherweise könnte hier sogar der Erschwerungsgrund des Beruhens auf der gleichen schädlichen Neigung vorliegen).

2.3.5. Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedurfte es aus dem Grunde des § 44 Abs. 2 letzter Fall VwGVG nicht.

2.3.6. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung war im gegenständlichen Fall nicht zu lösen, da es um die Anwendung einer eindeutigen bzw. durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinreichend geklärten (vgl. die zitierten Belege) Rechtslage auf den Einzelfall ging. Die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis (Art. 133 Abs. 4 B-VG) ist daher nicht zulässig.

Schlagworte

Umweltrecht; Wasserrecht; Verwaltungsstrafe; Verfahrensrecht; Tatumschreibung; Konkretisierung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.38.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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