TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/25 95/11/0330

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Veröffentlicht am 25.06.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §3 Z3;
KFG 1967 §66 Abs2 litf;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §86 Abs1a;
KFG 1967 §86 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des C in M (Italien), vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. September 1995, Zl. IIb2-V-9571/18-1995, betreffend Aberkennung des Rechtes, von einem ausländischen Führerschein Gebrauch zu machen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 86 Abs. 1a KFG 1967 für die Dauer von 24 Monaten das Recht aberkannt, von seinem italienischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde dazu aus, der Beschwerdeführer sei am 29. Oktober 1994 gegen 02.00 Uhr mit seinem PKW "vermutlich" ab der Autobahnausfahrt Kirchbichl ca. 4 km auf der Richtungsfahrbahn Innsbruck der A 12 gegen die Fahrtrichtung (in Richtung Kufstein) gefahren. Ca. in Höhe des Kilometers 7,0 habe er seinen PKW auf der Überholspur geparkt und sei eingeschlafen. Er sei von anderen Autofahrern geweckt und bis zur Autobahnausfahrt Kirchbichl begleitet worden. Eine in der Folge durchgeführte Untersuchung der Atemluft habe einen Alkoholgehalt von 0,59 mg/l ergeben.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe seinen PKW nicht selbst gelenkt, sei unglaubwürdig. Seinem Einwand, die Erstbehörde (Bezirkshauptmannschaft Kufstein) sei nicht zuständig gewesen, sei nicht gefolgt worden, weil keine Belege für einen ständigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Westendorf vorgelegt worden seien.

Bei der Festsetzung der Dauer sei zu berücksichtigen gewesen, daß der Beschwerdeführer in alkoholisiertem Zustand seinen PKW ca. 4 km auf der Autobahn gegen die Fahrtrichtung gelenkt habe und diesen dann auf der Überholspur abgestellt habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch gefährliche Verhältnisse geschaffen. Nur einem glücklichen Zufall sei es zu verdanken, daß es nicht zu schweren Unfällen gekommen sei. Im Hinblick auf die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers sei die von der Erstbehörde festgesetzte Dauer von fünf Jahren auf 24 Monate herabzusetzen gewesen. Nach Ablauf dieser Zeit sei mit der Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers zu rechnen.

Gegen den oben umschriebenen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, die Erstbehörde sei örtlich unzuständig gewesen. Er habe der belangten Behörde mit Schreiben vom 2. Jänner 1995 mitgeteilt, daß er "am Ereignistag seine Unterkunft in Westendorf hatte". Diese Gemeinde gehöre zum politischen Bezirk Kitzbühel.

Zufolge § 86 Abs. 2 erster Satz KFG 1967 ist für die Aberkennung des Rechtes, von einem ausländischen Führerschein Gebrauch zu machen, die Behörde zuständig, in deren Bereich der Besitzer des Führerscheines seinen Aufenthalt hat. Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß sich aus der Aktenlage kein Anhaltspunkt für die Annahme ergibt, er habe im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides (durch seine Verkündung in Anwesenheit des Beschwerdevertreters am 8. November 1994) seinen Aufenthalt im Amtsbereich der Bezirkshauptmannschaft Kufstein gehabt. Die Ausführungen der belangten Behörde, sie folge der Einwendung der Unzuständigkeit nicht, weil der Beschwerdeführer keine Belege für einen ständigen Aufenthalt in Westendorf vorgelegt habe, lassen zwar nicht erkennen, warum die Erstbehörde zuständig gewesen sein soll, sie führen jedoch aus folgenden Erwägungen im Ergebnis zu keiner Rechtsverletzung des Beschwerdeführers:

§ 86 Abs. 2 erster Satz KFG 1967 knüpft die Zuständigkeit nicht an den Wohnsitz, sondern an den Aufenthalt des Besitzers eines ausländischen Führerscheines. Unabhängig davon, ob man unter dem Begriff des Aufenthaltes nach dieser Gesetzesstelle den einfachen Aufenthalt, das heißt die bloße tatsächliche körperliche Anwesenheit des Betreffenden im Amtsbereich der Behörde, oder den gewöhnlichen Aufenthalt, der eine dauerhafte, nicht nur vorübergehende Beziehung zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt voraussetzt (vgl. dazu Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts2, Rz 274), versteht, ist die Auffassung des Beschwerdeführers, die Erstbehörde sei unzuständig gewesen, verfehlt. Die Mitteilung des Beschwerdeführers an die belangte Behörde, er habe am "Ereignistag" - gemeint ist damit offenbar der 29. Oktober 1994 - in Westendorf seine Unterkunft gehabt, ist nicht geeignet, die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel darzutun, weil daraus nicht hervorgeht, daß sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides - dieser Zeitpunkt ist für die Beurteilung der Frage, ob die erstinstanzliche Behörde zuständig war, maßgebend (siehe die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, unter E. Nr. 2 zu

§ 6 Abs. 1 AVG zitierte hg. Rechtsprechung) - im Amtsbereich der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel aufgehalten hat. Nach der Aktenlage ergeben sich zudem keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß sich der Beschwerdeführer bei Bescheiderlassung im Bundesgebiet aufgehalten hat. Aus der genannten Mitteilung des Beschwerdeführers an die belangte Behörde ergibt sich somit kein Hinweis auf einen (einfachen) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides. Umsoweniger kann daraus auf einen gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet geschlossen werden. Die örtliche Zuständigkeit der Erstbehörde nach § 86 Abs. 2 erster Satz KFG 1967 war daher nicht gegeben.

Aus den subsidiär anzuwendenden Vorschriften des § 3 AVG folgt jedoch die örtliche Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Kufstein. In Ermangelung eines Wohnsitzes, eines Aufenthaltes und eines letzten Wohnsitzes des Beschwerdeführers im Inland richtete sich gemäß § 3 Z. 3 AVG die Zuständigkeit nach dem Anlaß zum Einschreiten. Dieser lag im Amtsbereich der Bezirkshauptmannschaft Kufstein, weil der Beschwerdeführer dort die zur Annahme seiner Verkehrsunzuverlässigkeit führenden strafbaren Handlungen begangen hat und ihm im örtlichen Wirkungsbereich dieser Behörde von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Führerschein vorläufig abgenommen und der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vorgelegt worden war. Im Ergebnis erweist sich sohin die Auffassung der belangten Behörde, die Bezirkshauptmannschaft Kufstein sei zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zuständig gewesen, als zutreffend.

Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, die belangte Behörde habe ohne weiteres Ermittlungsverfahren seiner Behauptung, den PKW nicht gelenkt zu haben, keinen Glauben geschenkt, zeigt jedoch nicht auf, auf Grund welcher Ermittlungen die belangte Behörde zu anderen Sachverhaltsfeststellungen bezüglich seiner Täterschaft und damit zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Im übrigen bestehen auf Grund des Inhaltes der Anzeige, insbesondere der Angaben der vernommenen Auskunftsperson über die Umstände, unter denen der Beschwerdeführer in seinem PKW angetroffen wurde, keine Bedenken gegen die Schlüssigkeit der den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde zugrundeliegenen Beweiswürdigung. Die am 29. Oktober 1994 den einschreitenden Gendarmeriebeamten gegenüber gemachte Angabe des Beschwerdeführers, ein Autostopper habe seinen PKW gelenkt, er sei dann eingeschlafen und habe erst, als er geweckt worden sei, festgestellt, daß er sich auf der Autobahn befinde, steht mit der Tatsache in Widerspruch, daß er auf dem Fahrersitz schlafend angetroffen wurde und sich allein im Auto befunden hat.

Soweit der Beschwerdeführer aus der in der Begründung des angefochtenen Bescheides verwendeten Formulierung, er sei "vermutlich bei der Autobahneinfahrt Kirchbichl auf die Richtungsfahrbahn Innsbruck" aufgefahren, den Schluß zieht, die belangte Behörde sei selbst nicht überzeugt, daß er das Fahrzeug gelenkt habe, ist ihm zu erwidern, daß sich das Wort "vermutlich" nur auf den Ort der Auffahrt bezieht und damit erkennbar zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß der Beschwerdeführer zumindest ab dieser Autobahnabfahrt die Autobahn entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung befahren hat. Die belangte Behörde hat damit die für den Beschwerdeführer, der angegeben hatte, vor Antritt der Fahrt in einem Lokal in Westendorf Bier getrunken zu haben, günstigste Variante, nämlich die kürzeste Fahrt entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung, angenommen. Im Falle einer Auffahrt beim Knoten Wörgl hätte sich eine wesentlich längere Fahrtstrecke entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung ergeben.

Der Beschwerdeführer hält die von der belangten Behörde in sinngemäßer Anwendung des § 73 Abs. 2 KFG 1967 festgesetzte Zeit von 24 Monaten für überhöht. Er betont in diesem Zusammenhang seine Unbescholtenheit und nimmt Bezug auf das hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1992, Zl. 92/11/0155.

Gegen die der Entscheidung der belangten Behörde zugrundeliegende Prognose, der Beschwerdeführer werde nicht vor Ablauf der von ihr festgesetzten Zeit die Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangen, bestehen keine Bedenken. Es trifft zu, daß der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung der Unbescholtenheit des Besitzers einer Lenkerberechtigung im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 vorzunehmenden Wertung und der im Grunde des § 73 Abs. 2 leg. cit. erforderlichen Prognose große Bedeutung beigemessen hat. Die belangte Behörde hat diesen Umstand zutreffend zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt und die von der Erstbehörde festgesetzte Zeit herabgesetzt. Zum Nachteil des Beschwerdeführers waren die hohe Verwerflichkeit des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und die außergewöhnliche Gefährlichkeit seines Verhaltens zu berücksichtigen. Der zuletzt genannte Gesichtspunkt ist im vorliegenden Fall deshalb von entscheidender Bedeutung, weil der Beschwerdeführer nicht nur durch das Befahren der Autobahn entgegen der Fahrtrichtung besonders gefährliche Verhältnisse herbeigeführt hat, sondern durch das Abstellen seines PKW"s auf der Überholspur die besondere Gefährlichkeit der Verhältnisse über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten hat. Nur der Reaktionsschnelligkeit und dem Eingreifen anderer Verkehrsteilnehmer ist es zu danken, daß es nicht zu schweren Unfällen gekommen ist. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich von jenem, der dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis vom 1. Dezember 1992, Zl. 92/11/0155, zugrunde gelegen ist. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der vom Beschwerdeführer geschaffenen Situation ist die von der belangten Behörde festgesetzte Dauer der auf § 86 Abs. 1a KFG 1967 gegründeten Maßnahme gerechtfertigt.

Dem vom Beschwerdeführer weiters zitierten hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1994, Zl. 94/11/0280, lag ein in wesentlichen Punkten anders gelagerter Sachverhalt (insbesondere keine Alkoholisierung) zugrunde, sodaß aus diesem Erkenntnis für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen ist.

Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110330.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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