TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/25 94/17/0484

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Veröffentlicht am 25.06.1996
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
L37299 Wasserabgabe Wien;
L69309 Wasserversorgung Wien;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §303 Abs1 litb;
LAO Wr 1962 §235 Abs1 litb;
WasserversorgungsG Wr 1960 §11 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der XY-GmbH in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 14. Oktober 1994, Zl. MD-VfR - W 14/94, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens i.A. Wassergebühr, Abwassergebühr und Umweltabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der beschwerdeführenden Gesellschaft Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft beantragte mit Schriftsatz vom 13. Jänner 1994 die Wiederaufnahme des mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 12. März 1993 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens über die Festsetzung der Abgaben (Wasser- und Abwassergebühr sowie Umweltabgabe) für den Zeitraum vom 9. Oktober 1991 bis 28. Dezember 1992 gemäß § 235 Abs. 1 lit. b und c WAO mit folgender Begründung:

"Eine Funktionsüberprüfung des Wasserzählers ergab laut Prüfungsschein vom 10.8.1993 (Blg./1) Fehler des Wasserzählers bis zu 5,8 %. Der Prüfungsschein gelangte dem Einschreiter, vertreten durch die Hausverwaltung B, K & P GmbH, am 20.12.1993 zur Kenntnis und wurde an diesem Tag übernommen.

Gemäß § 11 Abs. 4 Wasserversorgungsgesetz 1960 ist dann, wenn die Fehlergrenze fünf von hundert auf oder ab überschreitet, der Wasserbezug nach dem Bezug in der gleichen Zeit des Vorjahres zu ermitteln. Der Abgabenbescheid für den Zeitraum von 9.10.1991 bis 28.12.1992 möge daher nach Wiederaufnahme des Verfahrens dahin abgeändert werden, daß die Abgaben (Wasser- und Abwassergebühr sowie Umweltabgabe) für den Zeitraum von 9.10.1991 bis 28.12.1992 auf Grundlage des Wasserbezuges für den Zeitraum von 9.10.1990 bis 28.12.1991 festgesetzt werden."

Mit Schriftsatz vom 20. Jänner 1994 legte die beschwerdeführende Gesellschaft eine "gutachtliche Stellungnahme" vor und machte geltend:

"Ausgehend von der ursprünglichen Annahme, daß im Laufe eines Jahres rund 21.000 m3 Wasser ins Erdreich ausgetreten wären, was zu ernsthaften Schäden am Fundament des Hauses hätte führen können, hat der Einschreiter die gutachtliche Stellungnahme des DI T, Zivilingenieur für Bauwesen eingeholt, die dem Einschreiter am 19.1.1994 zugestellt wurde. Die gutachtliche Stellungnahme kommt nicht nur zu dem Ergebnis, daß keinerlei Schäden eingetreten sind, sondern merkt - für den Einschreiter etwas überraschend - an, daß es beim Austritt derartiger Wassermengen zur Überflutung der Keller sowohl des gegenständlichen Hauses als auch der Nachbarhäuser hätte kommen müssen. Eine solche konnte aber nichteinmal ansatzweise festgestellt werden. Aus sachverständiger Sicht ist es so gut wie ausgeschlossen, daß tatsächlich 21.000 m3 Wasser ausgetreten sein könnten.

BEWEIS: gutachtliche Stellungname Blg./2.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 13.1.1994 wird daher auch auf die gutachtliche Stellungnahme Blg./2 gestützt, mit der nachgewiesen wird, daß der in erster Instanz ergangene Abgabenbescheid auf einem aus sachverständiger Sicht nicht nachvollziehbaren Wasserverbrauch beruht."

Mit Schriftsatz vom 25. Juli 1994 stellte die beschwerdeführende Gesellschaft den Antrag gemäß § 243 Abs. 2 WAO auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, weil seit Einlangen des Wiederaufnahmsantrages bei der Abgabenbehörde erster Instanz ohne ersichtlichen Grund keinerlei behördliche Veranlassungen getroffen worden seien und die "Verspätung" daher ausschließlich auf ein Verschulden der Abgabenbehörde erster Instanz zurückzuführen sei.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 1994 wies die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien den Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß § 235 Abs. 1 lit. b und c WAO ab. Dies mit der Begründung, die Feststellung des Amtssachverständigen bei der Überprüfung des Wasserzählers am 10. August 1993 mit einer Abweichung in der Größe von 5,8 % vermöge eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zu rechtfertigen. Vorerst lasse die Tatsache, daß der Wasserzähler, der erst am 19. Mai 1993 ausgebaut und am 10. August 1993 überprüft worden sei, zum Zeitpunkt der Prüfung die angeführte Abweichung aufgewiesen habe, nicht den begründeten Schluß zu, daß dies auch für den Zeitraum der Abgabenfestsetzung 9. Oktober 1991 bis 28. Dezember 1992 zugetroffen sei. Dies umso mehr, als die beschwerdeführende Gesellschaft im Schreiben vom 30. April 1993 den hohen Wasserverbrauch auf ein Druckrohrgebrechen zurückgeführt habe. Im übrigen könne nur der Wasserabnehmer beurteilen, ob der angezeigte Wasserverbrauch der entnommenen Wassermenge entspreche. Stelle er eine Abweichung fest, liege es an ihm, eine Kontrolle des Wasserzählers zu beantragen. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe nicht dargelegt, weshalb es ohne ihr Verschulden es nicht möglich gewesen sei, den Bescheid vom 12. März 1993 mittels Berufung zu bekämpfen und im Rahmen des Berufungsverfahrens Beweisanträge zu stellen und Beweismittel vorzulegen. Aus diesem Grund sei auch die vorgelegte gutächtliche Stellungnahme nicht geeignet, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu bewirken, zumal diese keine unrichtige Anzeige des Wasserzählers behaupte, sondern lediglich in Zweifel ziehe, daß durch das festgestellte Rohrgebrechen eine solche Wassermenge ausgeflossen sei. Damit werde eine Fehlanzeige des Wasserzählers nicht begründet, zumal der hohe Wasserverbrauch andere Gründe haben könne. Auffällig sei jedoch, daß nach der Beseitigung des Wasserrohrgebrechens der angezeigte Wasserverbrauch ohne Tausch des Wasserzählers auf 6,21 m3 gesunken sei. Der Vorfragentatbestand liege schon deshalb nicht vor, da die von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgelegten Unterlagen keine Entscheidungen einer anderen Behörde oder eines Gerichtes darstellten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhalts in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die beschwerdeführende Gesellschaft erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in ihrem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 235 Abs. 1 WAO und Erlassung einer Sachentscheidung unter Zugrundelegung des § 11 Abs. 4 Wasserversorgungsgesetz 1960, LGBl. für Wien Nr. 10/1960 in der geltenden Fassung, sowie im Recht auf freie Beweiswürdigung und Parteiengehör, "nach §§ 45 ff AVG" verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist gemäß § 235 Abs. 1 lit. b und c WAO stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und (lit. b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder (lit. c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die beschwerdeführende Gesellschaft stellte nach Erhalt des Abgabenbescheides vom 11. März 1993, in dem ein ungewöhnlich hoher Wasserverbrauch ausgewiesen war, mit der Eingabe vom 30. April 1993 den Antrag auf Herabsetzung der Abgaben auf den tatsächlichen durchschnittlichen Wasserverbrauch. Dies mit der Begründung, während des Verrechnungszeitraumes sei der hohe Wasserverlust von insgesamt ca. 21.000 m3 darauf zurückzuführen, daß ein Druckrohrgebrechen im Erdreich nicht sofort festgestellt, das schadhafte Rohr erst im November 1992 lokalisiert und anschließend ausgewechselt worden sei. In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, es habe für die beschwerdeführende Gesellschaft nicht der geringste Anlaß bestanden, den Bescheid vom 11. März 1993 mit Berufung zu bekämpfen. Dies wäre aus der damaligen Sicht geradezu mutwillig gewesen. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe auch keine Abweichung des angezeigten Wasserverbrauches von der tatsächlich entnommenen Wassermenge festgestellt, sondern den angezeigten Wasserverbrauch unmittelbar mit dem Druckrohrgebrechen in Zusammenhang gebracht.

Erst nach Behebung des Druckrohrgebrechens sei der beschwerdeführenden Gesellschaft im Dezember 1993 die Fehlerhaftigkeit des im Mai 1993 ausgewechselten Wasserzählers bekannt geworden. Eine von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgelegte gutachtliche Stellungnahme vom Jänner 1994 zieht erstmals einen Wasserverbrauch von 21.000 m3 auf Grund des festgestellten Druckrohrgebrechens überhaupt in Zweifel. Diese Wassermenge hätte nämlich erkennbare Spuren hinterlassen müssen, diese fehlten aber.

Davon ausgehend kamen somit im Dezember 1993 für die beschwerdeführende Gesellschaft Tatsachen und Beweismittel neu hervor, die im Abgabenfestsetzungsverfahren nicht geltend gemacht werden konnten. Bei der geschilderten Sachlage kann der beschwerdeführenden Gesellschaft auch kein Verschulden daran, die Vorschreibung der Abgaben für 21.000 m3 mittels Berufung mit dem Argument des fehlerhaften Wasserzählers nicht bekämpft zu haben, angelastet werden, weil zunächst ausschließlich von einem Druckrohrgebrechen ausgegangen werden konnte. Es ist nämlich nicht zu erkennen, daß die beschwerdeführende Gesellschaft schon im Abgabenfestsetzungsverfahren Bedenken gegen die Funktionstüchtigkeit des Wasserzählers hätte haben und seine Überprüfung hätte begehren müssen.

Der Wiederaufnahmsantrag ist entgegen den Feststellungen im angefochtenen Bescheid auch hinsichtlich der Frage des mangelnden Verschuldens ausreichend schlüssig begründet, wenn keine überzogenen Anforderungen an die Begründung des Wiederaufnahmsantrages gestellt werden. Hat doch die beschwerdeführende Gesellschaft durchaus glaubhaft behauptet, sie habe davon ausgehen dürfen, ein Druckrohrgebrechen habe zu einem Verlust von rund 21.000 m3 Wasser geführt. Dies habe sich erst nach Einholung eines Gutachtens und nach Vorliegen des Prüfberichtes über den Wasserzähler als unrichtig herausgestellt.

Die über die Toleranzgrenze hinausgehende Fehlerhaftigkeit des im Mai 1993 ausgewechselten Wasserzählers wurde anläßlich der Überprüfung am 10. August 1993 festgestellt. Davon erlangte die beschwerdeführende Gesellschaft allerdings erst am 20. Dezember 1993 Kenntnis. War der Wasserzähler im Mai 1993 fehlerhaft, dann sprechen die Umstände dafür, daß dieser auch schon im vorangegangenen Zeitraum - also auch in dem im Beschwerdefall maßgebenden Zeitraum - Fehler aufgewiesen haben kann. Die gegenteilige Auffassung der belangten Behörde, wonach die im Zeitpunkt der Überprüfung gegebene Abweichung nicht den Schluß zulasse, diese habe auch für den Abgabenzeitraum zugetroffen, ist im angefochtenen Bescheid nicht weiter begründet. Eine solche Feststellung hätte jedoch einer nachvollziehbaren Begründung bedurft. Wenn die belangte Behörde weiters meint, der hohe Wasserverbrauch könne auch andere Gründe gehabt haben, dann ist dies eine bloße Vermutung ohne konkrete Feststellung. Eine solche Mutmaßung ist ebenfalls nicht geeignet, einen tatsächlichen, nicht auf die Fehlerhaftigkeit des Wasserzählers und des Druckrohrgebrechens zurückzuführenden Wasserverbrauch zu begründen.

Zusammenfassend ergibt sich somit, daß die belangte Behörde den in Rede stehenden Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens trotz Vorliegens der Wiederaufnahmsgründe nach § 235 Abs. 1 lit. b WAO abwies. Damit belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts. Auf den auch auf § 235 Abs. 1 lit. c WAO gestützten Wiederaufnahmsantrag ist somit nicht mehr weiter einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994170484.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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