TE Vfgh Erkenntnis 2022/3/3 V231/2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.03.2022
beobachten
merken

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18
B-VG Art139 Abs1 Z3
StGG Art2
COVID-19-MaßnahmenG §1, §3, §7
2. COVID-19-ÖffnungsV BGBl II 278/2021 idF BGBl II 321/2021 §5 Abs1a, §12
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der 2. COVID-19-Öffnungsverordnung betreffend den Zutritt zu Einrichtungen der Nachtgastronomie ausschließlich für geimpfte und PCR-getestete Personen; Einstufung der Nachtgastronomie als risikobehafteten Ort auf Grund besonders ungünstiger epidemiologischer Verhältnisse – erhöhter Aerosolausstoß durch musikbedingt lautes Sprechen, Singen und Tanzen und das Zusammentreffen vieler junger Personen mit niedriger Durchimpfungsrate – sachlich gerechtfertigt; Verhältnismäßigkeit der Differenzierung zwischen geimpften und genesenen Personen auf Grund der epidemiologischen Situation und der unsicheren Studienlage hinsichtlich der Transmissionswahrscheinlichkeit bei Genesenen; hinreichende Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen im Verordnungsakt; nachvollziehbare Begründung der ausschließlichen Zulässigkeit eines PCR-Tests auf Grund dessen hoher Sensitivität und Zuverlässigkeit für den Nachweis einer Infektion anstelle des wenig sensitiven Antigentests

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B-VG begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge §5 Abs1a der 2. COVID-19-Öffnungsverordnung, BGBl II 278/2021, idF BGBl II 321/2021 als verfassungs- und gesetzwidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz – COVID-19-MG), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 90/2021 (§§3, 7, 8 und 11) bzw BGBl I 100/2021 (§1) bzw BGBl I 104/2020 (§2) lauten bzw lauteten auszugsweise:

"Anwendungsbereich und allgemeine Bestimmungen
§1.

(1) Dieses Bundesgesetz ermächtigt zur Regelung des Betretens und des Befahrens von Betriebsstätten, Arbeitsorten, Alten- und Pflegeheimen sowie stationären Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe, bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit, zur Regelung des Benutzens von Verkehrsmitteln, zur Regelung von Zusammenkünften sowie zu Ausgangsregelungen als gesundheitspolizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19.

(2) Als Betreten im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt auch das Verweilen.

(3) Bestimmte Orte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bestimmte öffentliche und bestimmte private Orte mit Ausnahme des privaten Wohnbereichs.

(4) Öffentliche Orte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind solche, die von einem nicht von vornherein bestimmten Personenkreis betreten oder befahren werden können.

(5) Als Auflagen nach diesem Bundesgesetz kommen insbesondere in Betracht:

1.

Abstandsregeln,

2.

die Verpflichtung zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung,

3.

sonstige Schutzmaßnahmen wie organisatorische oder räumliche Maßnahmen,

4.

Präventionskonzepte, das sind programmhafte Darstellungen von – dem jeweiligen Angebot angepassten – Regelungen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19,

5.

im Zusammenhang mit dem Betreten und Befahren von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen (§3 Abs1 Z1), dem Benutzen von Verkehrsmitteln (§3 Abs1 Z3) und dem Betreten und Befahren von bestimmten Orten (§4 Abs1 Z1), mit Ausnahme von Betriebsstätten, Verkehrsmitteln oder bestimmten Orten, die zur Deckung notwendiger Grundbedürfnisse des täglichen Lebens betreten und befahren bzw benutzt werden, im Zusammenhang mit dem Betreten von Alten- und Pflegeheimen und stationären Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe (§4a Abs1) sowie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Zusammenkünften (§5): die Durchführung eines Tests auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 mit negativem Testergebnis und das Mitführen eines entsprechenden Nachweises, und

6.

im Zusammenhang mit dem Betreten und Befahren von Arbeitsorten (§3 Abs1 Z2), an denen wegen der Art der Tätigkeit und des unmittelbaren physischen Kontakts zu anderen Personen eine erhebliche Gefahr einer wechselseitigen Ansteckung mit SARS-CoV-2 besteht, durch Personen, die dort einer Beschäftigung nachgehen: die Durchführung eines Tests auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 mit negativem Testergebnis oder auch die regelmäßige Durchführung solcher Tests und das Mitführen eines entsprechenden Nachweises.

(5a) In einer Verordnung, in der Auflagen gemäß Abs5 Z5 und 6 vorgeschrieben werden, sind auch die an die Qualität, die Modalität der Durchführung und die Aktualität solcher Tests zu stellenden Anforderungen festzulegen‚ wobei hinsichtlich der Aktualität nach der Art der Tests zu differenzieren ist. Abhängig vom epidemiologischen Risiko am jeweiligen Ort, für den eine solche Auflage gilt, kann bei der Festlegung dieser Anforderungen entsprechend differenziert werden. Soweit epidemiologische Erfordernisse dem nicht entgegenstehen, kann

1.

für Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 16. Lebensjahr, allenfalls gestaffelt nach verschiedenen Altersgruppen, sowie

2.

für Personen, für die aus medizinischen Gründen die Durchführung eines Tests in der nach Satz 1 vorgeschriebenen Form nicht oder nur in bestimmten Unterformen in Betracht kommt,

bestimmt werden, dass geringere Anforderungen an den durchzuführenden Test zu stellen sind als für andere Personen oder diese von der Auflage der Durchführung eines Tests ausgenommen sind.

(5b) Personen, die durch eine auf Grundlage von §1 Abs5 Z5 oder 6 vorgeschriebene Auflage zur Durchführung eines Tests verpflichtet sind, haben während der gesamten Dauer ihres Aufenthalts am Ort, für den diese Auflage gilt, ein Testzertifikat nach §4c des Epidemiegesetzes 1950 oder, einen anderen Nachweis, der die Durchführung des vorgeschriebenen Tests und das dabei erzielte negative Testergebnis bescheinigt, sowie gegebenenfalls eine ärztliche Bestätigung über das Vorliegen medizinischer Gründe im Sinne von Abs5a Z2 in Verbindung mit der dazu ergangenen einschlägigen Durchführungsverordnung mit sich zu führen und diesen Nachweis für eine Überprüfung durch

1.

die Behörde,

2.

die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und

3.

jene Personen, die bei sonstiger verwaltungsbehördlicher Strafbarkeit gemäß §8 Abs3, 4 und 5a dafür Sorge zu tragen haben, dass in ihrem Einflussbereich die jeweils geltenden Beschränkungen eingehalten werden,

jederzeit bereitzuhalten und auf Verlangen vorzuweisen. Die in Z1 bis 3 genannten Organe und Personen sind zum Zweck der Überprüfung von Nachweisen zur Ermittlung von personenbezogenen Daten und zur Identitätsfeststellung einschließlich des Geburtsdatums berechtigt. Eine Vervielfältigung oder Aufbewahrung der Nachweise und der in den Nachweisen enthaltenen personenbezogenen Daten durch die in Z3 genannten Personen ist ebenso unzulässig wie die Verarbeitung der im Rahmen der Identitätsfeststellung erhobenen Daten. Dies gilt auch für Zertifikate nach §4b Abs1 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl I Nr 186/1950.

(5c) Personen, für die aufgrund

1.

einer Schutzimpfung gegen COVID-19 oder

2.

einer überstandenen Infektion mit SARS-CoV-2,

anzunehmen ist, dass von ihnen keine unverhältnismäßig größere epidemiologische Gefahr ausgeht als von Personen, die mit negativem Testergebnis auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 getestet wurden, sind Personen, die einer auf Grundlage von §1 Abs5 Z5 oder 6 vorgeschriebenen Auflage entsprechend getestet wurden, grundsätzlich gleichgestellt. Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Gleichstellung sind nur insoweit zulässig, als dies aus epidemiologischen Gründen unbedingt erforderlich ist. Diesbezügliche Anordnungen sind in der Verordnung zu treffen, in der die Auflage gemäß Abs5 Z5 oder 6 vorgeschrieben ist.

(5d) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann durch Verordnung nähere Vorschriften darüber erlassen,

1.

welche Impfung bzw Impfungen in welchen Intervallen oder Kombinationen sowie

2.

welche Tests in welcher Qualität und bei welcher Modalität der Durchführung

jeweils ab welchem Zeitpunkt und für welchen Zeitraum geeignet sind, eine grundsätzliche Gleichstellung im Sinne von Abs5c zu rechtfertigen. Ebenso kann festgelegt werden, auf welche Weise eine Infektion mit SARS-CoV-2 diagnostiziert worden sein muss und unter welchen Voraussetzungen und für welchen Zeitraum eine überstandene derartige Infektion geeignet ist, eine solche grundsätzliche Gleichstellung zu rechtfertigen. Bei Vorliegen einer ärztlichen Bestätigung über eine überstandene Infektion mit SARS-CoV-2, eines Absonderungsbescheides, der wegen einer Infektion des Bescheidadressaten mit SARS-CoV-2 erlassen wurde oder eines durchgeführten Tests, der das Vorhandensein von Antikörpern gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 bestätigt, ist von einer grundsätzlichen Gleichstellung auszugehen. Für das Mitführen und die Überprüfung von Nachweisen gilt Abs5b sinngemäß.

(5e) Über die grundsätzliche Gleichstellung mit getesteten Personen gemäß Abs5c hinaus können für die in Z1 bis 3 dieser Bestimmung genannten Personengruppen weitergehende Ausnahmen von den auf Grundlage dieses Bundesgesetzes festgelegten Beschränkungen angeordnet werden, wenn nach dem Stand der Wissenschaft davon auszugehen ist, dass die Wahrscheinlichkeit einer Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 deutlich reduziert ist und nicht insbesondere

1.

ein allenfalls verbleibendes Restrisiko einer Ansteckung anderer Personen mit SARS-CoV-2, das im Kontext der jeweiligen Beschränkung nicht hingenommen werden kann,

2.

die Gewährleistung einer effektiven und effizienten behördlichen Kontrolle der Einhaltung geltender Beschränkungen,

3.

die Ermöglichung einer effektiven und effizienten Erfüllung jener Verpflichtungen, deren Verletzung gemäß §8 Abs3, 4 und 5a verwaltungsbehördlich strafbar ist, oder

4.

die Aufrechterhaltung der Bereitschaft zur Einhaltung der geltenden Beschränkungen durch die dadurch verpflichteten Personen

Gegenteiliges erfordert. Um derartigen Erfordernissen Rechnung zu tragen, kann die Inanspruchnahme der Ausnahme auch von der Einhaltung entsprechender Auflagen abhängig gemacht werden, die im Vergleich zur geltenden Beschränkung, von der ausgenommen wird, weniger einschränkend wirken. Abs5d gilt in diesem Zusammenhang sinngemäß.

(5f) Die in §4b Abs1 Z1 bis 3 des Epidemiegesetzes 1950 genannten Zertifikate können als Nachweis eines negativen Tests auf SARS-CoV-2, einer Schutzimpfung gegen COVID-19 oder einer überstandenen Infektion mit SARS-CoV-2 herangezogen werden.

(5g) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann durch Verordnung nähere Vorschriften über die Form des Nachweises eines negativen Tests auf SARS-CoV-2, einer Schutzimpfung gegen COVID-19 oder einer überstandenen Infektion mit SARS-CoV-2 erlassen. Der Nachweis darf die in §4c Abs1, §4d Abs1 und §4e Abs1 des Epidemiegesetzes 1950 genannten Daten enthalten.

(6) Voraussetzungen nach diesem Bundesgesetz sind insbesondere bestimmte Arten oder Zwecke der Nutzung von Orten und Verkehrsmitteln.

(7) Die Bewertung der epidemiologischen Situation hat insbesondere anhand folgender Kriterien zu erfolgen:

1.

Übertragbarkeit, gemessen an neu aufgetretenen COVID-19-Fällen und Clustern,

2.

Clusteranalyse, gemessen an der Anzahl der Fälle mit geklärter Quelle,

3.

Ressourcen und Kapazitäten im Gesundheitswesen unter Berücksichtigung der aktuellen Auslastung der vorhandenen Spitalskapazitäten sowie der aktuellen Belegung auf Normal- und Intensivstationen,

4.

durchgeführte SARS-CoV-2-Tests samt Positivrate,

4a.

Durchimpfungsgrad der Bevölkerung und insbesondere der Angehörigen jener Bevölkerungsgruppen, die nach der jeweils verfügbaren Datenlage ein überdurchschnittlich hohes Risiko schwerer Krankheitsverläufe mit daraus folgender Notwendigkeit der Hospitalisierung oder intensivmedizinischer Betreuung aufweisen,

4b.

das Auftreten und die Verbreitung von Virusvarianten mit signifikant erhöhter Übertragbarkeit und/oder signifikant erhöhter Wahrscheinlichkeit schwerer Krankheitsverläufe, sowie

5.

regionale Besonderheiten wie ein besonderer Zustrom ortsfremder Personen, insbesondere Tourismus- und Pendlerströme.

(8) In einer auf Grundlage dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung können typisierende Abstufungen hinsichtlich der epidemiologischen Situation vorgenommen werden und an unterschiedliche Risikoeinstufungen unterschiedliche Maßnahmen geknüpft werden ('Ampelsystem').

Corona-Kommission
§2.

(1) Zur Beratung des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers bei der Bewertung der epidemiologischen Situation gemäß §1 Abs7 ist beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ein Beirat (Corona-Kommission) einzurichten.

(2) Die Empfehlungen der Corona-Kommission sind auf der Website des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers zu veröffentlichen. Darüber hinaus sollen auch die wesentlichen Begründungen dafür veröffentlicht werden.

Betreten und Befahren von Betriebsstätten und Arbeitsorten sowie Benutzen von Verkehrsmitteln
§3.

(1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung

1.

das Betreten und das Befahren von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen,

2.

das Betreten und das Befahren von Arbeitsorten oder nur bestimmten Arbeitsorten gemäß §2 Abs3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) durch Personen, die dort einer Beschäftigung nachgehen, und

3.

das Benutzen von Verkehrsmitteln oder nur bestimmten Verkehrsmitteln

geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

(2) In einer Verordnung gemäß Abs1 kann entsprechend der epidemiologischen Situation festgelegt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit oder unter welchen Voraussetzungen und Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten und befahren oder Verkehrsmittel benutzt werden dürfen. Weiters kann das Betreten und Befahren von Betriebsstätten oder Arbeitsorten sowie das Benutzen von Verkehrsmitteln untersagt werden, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen.

Zuständigkeiten
§7.

(1) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz sind vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassen.

[…]

Strafbestimmungen
§8.

[…]

(2) Wer

1.

eine Betriebsstätte oder einen Arbeitsort entgegen den in einer Verordnung gemäß §3 festgelegten Voraussetzungen oder an ihn gerichteten Auflagen betritt oder befährt oder ein Verkehrsmittel entgegen den in einer Verordnung gemäß §3 festgelegten Voraussetzungen oder an ihn gerichteten Auflagen benutzt oder

2.

die in einer Verordnung gemäß §4 oder §4a genannten Orte entgegen den dort festgelegten Zeiten, Voraussetzungen oder an ihn gerichteten Auflagen betritt oder befährt,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 500 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche, zu bestrafen.

[…]

Anhörung der Corona-Kommission
§11. Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister hat – außer bei Gefahr in Verzug – vor Erlassung von Verordnungen nach diesem Bundesgesetz die Corona-Kommission zu hören."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung über weitere Öffnungsschritte in Bezug auf die COVID-19-Pandemie (2. COVID-19-Öffnungsverordnung – 2. COVID-19-ÖV), BGBl II 278/2021, idF BGBl II 321/2021 (der angefochtene §5 Abs1a ist hervorgehoben) lauteten auszugsweise:

"Allgemeine Bestimmungen
§1.

[…]

(2) Als Nachweis über eine geringe epidemiologische Gefahr im Sinne dieser Verordnung gilt:

1.

ein Nachweis

a)

über ein negatives Ergebnis eines SARS-CoV-2-Antigentests zur Eigenanwendung, der in einem behördlichen Datenverarbeitungssystem erfasst wird und dessen Abnahme nicht mehr als 24 Stunden zurückliegen darf,

b)

einer befugten Stelle über ein negatives Ergebnis eines Antigentests auf SARS-CoV-2, dessen Abnahme nicht mehr als 48 Stunden zurückliegen darf,

c)

einer befugten Stelle über ein negatives Ergebnis eines molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2, dessen Abnahme nicht mehr als 72 Stunden zurückliegen darf,

2.

ein Nachweis über eine mit einem zentral zugelassenen Impfstoff gegen COVID-19 erfolgte

a)

Zweitimpfung, wobei diese nicht länger als 270 Tage zurückliegen darf, oder

b)

Impfung ab dem 22. Tag nach der Impfung bei Impfstoffen, bei denen nur eine Impfung vorgesehen ist, wobei diese nicht länger als 270 Tage zurückliegen darf, oder

c)

Impfung, sofern mindestens 21 Tage vor der Impfung ein positiver molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 bzw vor der Impfung ein Nachweis über neutralisierende Antikörper vorlag, wobei die Impfung nicht länger als 270 Tage zurückliegen darf,

3.

ein Genesungsnachweis über eine in den letzten 180 Tagen überstandene Infektion mit SARS-CoV-2 oder eine ärztliche Bestätigung über eine in den letzten 180 Tagen überstandene Infektion mit SARS-CoV-2, die molekularbiologisch bestätigt wurde,

4.

ein Nachweis über neutralisierende Antikörper, der nicht älter als 90 Tage ist,

5.

ein Absonderungsbescheid, wenn dieser für eine in den letzten 180 Tagen vor der vorgesehenen Testung nachweislich mit SARS-CoV-2 infizierte Person ausgestellt wurde.

Kann ein Nachweis nicht vorgelegt werden, ist ausnahmsweise ein SARS-CoV-2-Antigentest zur Eigenanwendung unter Aufsicht des Betreibers einer Betriebsstätte gemäß den §§4 bis 6, einer nicht öffentlichen Sportstätte gemäß §7, einer Freizeiteinrichtung gemäß §8, eines Alten- und Pflegeheims oder einer stationären Wohneinrichtung der Behindertenhilfe (§10), einer Krankenanstalt, Kuranstalt oder eines sonstigen Ortes, an dem eine Gesundheitsdienstleistung erbracht wird (§11) oder des für eine Zusammenkunft Verantwortlichen (§§12 bis 16) durchzuführen. Das negative Testergebnis ist für die Dauer des Aufenthalts bereitzuhalten.

(3) Nachweise gemäß Abs2 sind in lateinischer Schrift in deutscher oder englischer Sprache oder in Form eines Zertifikats gemäß §4b Abs1 des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), BGBl Nr 186/1950, vorzulegen.

(4) Sofern in dieser Verordnung ein Nachweis gemäß Abs2 vorgesehen ist, ist der Inhaber einer Betriebsstätte, der Verantwortliche für einen bestimmten Ort oder der für eine Zusammenkunft Verantwortliche zur Ermittlung folgender personenbezogener Daten der betroffenen Person ermächtigt:

1.

Name,

2.

Geburtsdatum,

3.

Gültigkeit bzw Gültigkeitsdauer des Nachweises und

4.

Barcode bzw QR-Code.

Darüber hinaus ist er berechtigt, Daten zur Identitätsfeststellung zu ermitteln. Eine Vervielfältigung oder Aufbewahrung der Nachweise und der in den Nachweisen enthaltenen personenbezogenen Daten ist mit Ausnahme der Erhebung von Kontaktdaten gemäß §17 ebenso unzulässig wie die Verarbeitung der im Rahmen der Identitätsfeststellung erhobenen Daten. Dies gilt sinngemäß auch für Zertifikate nach §4b Abs1 EpiG.

[…]

Gastgewerbe
§5.

(1) Der Betreiber von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe darf Kunden zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Gastgewerbes nur einlassen, wenn diese einen Nachweis gemäß §1 Abs2 vorweisen. Der Kunde hat den Nachweis für die Dauer des Aufenthalts bereitzuhalten.

(1a) Betreiber von Betriebsstätten der Gastgewerbe, in denen mit einer vermehrten Durchmischung und Interaktion der Kunden zu rechnen ist (Einrichtungen der 'Nachtgastronomie'), wie insbesondere Diskotheken, Clubs und Tanzlokale, dürfen Kunden zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen nur einlassen, wenn diese einen Nachweis gemäß §1 Abs2 Z1 litc oder Z2 vorweisen. Der Kunde hat den Nachweis für die Dauer des Aufenthalts bereitzuhalten.

(2) Der Betreiber hat einen COVID-19-Beauftragten zu bestellen und ein COVID-19-Präventionskonzept auszuarbeiten und umzusetzen.

(3) Selbstbedienung ist zulässig, sofern geeignete Hygienemaßnahmen zur Minimierung des Infektionsrisikos gesetzt werden. Diese Maßnahmen sind im COVID-19-Präventionskonzept gemäß Abs2 abzubilden.

(4) Die Pflicht zum Vorweisen eines Nachweises gemäß Abs1 gilt nicht für:

1.

die Abholung von Speisen und Getränken. Kunden haben in geschlossenen Räumen eine Maske zu tragen;

2.

Imbiss- und Gastronomiestände. Kunden haben in geschlossenen Räumen eine Maske zu tragen;

3.

Betriebsarten der Gastgewerbe, die innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:

a)

Krankenanstalten und Kuranstalten für Patienten;

b)

Alten- und Pflegeheime sowie stationäre Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe für Bewohner;

c)

Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und elementaren Bildungseinrichtungen;

d)

Betrieben, wenn diese ausschließlich durch Betriebsangehörige oder dort beruflich tätige Personen genützt werden dürfen;

e)

Massenbeförderungsmittel.

Zusammenkünfte

§12. […]

(8) §5 Abs1a gilt nicht im Zusammenhang mit Zusammenkünften."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Der Antragsteller verfügt über einen Nachweis neutralisierender Antikörper vom 8. Juli 2021, ist aber nach eigenen Angaben nicht geimpft.

1.1. Zu seiner Antragslegitimation führt der Antragsteller zusammengefasst aus, er habe am 18. August 2021 versucht, eine Diskothek gegen Vorweisen seines Antikörpernachweises zu betreten, ein Sicherheitsdienst habe ihm jedoch den Zutritt verwehrt. Der Antragsteller vertritt die Ansicht, dass die in Österreich zugelassenen Impfstoffe gegen COVID-19 mit Gesundheitsrisiken behaftet seien. Der Antragsteller bringt weiters vor, er sei durch §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV rechtlich, unmittelbar und aktuell betroffen, weil er "ex lege von der Teilnahme am sozialen Leben in sogenannten 'Einrichtungen der Nachtgastronomie' aus[geschlossen]" werde. Dem Antragsteller stehe überdies kein anderer Weg zur Verfügung, die rechtswidrige Norm zu bekämpfen, weil es für ihn unzumutbar wäre, ein Strafverfahren zu provozieren.

1.2. In der Sache moniert der Antragsteller die Gesetzwidrigkeit sowie die Gleichheitswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung:

1.2.1. §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV widerspreche der einfachgesetzlichen Verordnungsermächtigung der §§3 Abs1 iVm 1 Abs5c Satz 2 COVID-19-MG. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (im Folgenden: BMSGPK) räume in der rechtlichen Begründung zur 2. Novelle der 2. COVID-19-ÖV selbst ein, dass §5 Abs1a leg cit von jenem System abweiche, das der Gesetzgeber mit dem COVID-19-MG für Auflagen zur Verhinderung von Infektionsgeschehen in Betriebsstätten der Gastronomie vorsehe. Der BMSGPK vermeine aber, wie dies aus Art2 der 2. Novelle zur 2. COVID-19-ÖV hervorgehe, seine Verordnungsermächtigung erfließe allein aus §3 Abs1 COVID-19-MG. Damit übersehe der BMSGPK den systematischen Zusammenhang mit dessen Abs2 sowie mit §1 Abs5, 5c, und 5d leg cit, die enge Grenzen für die Ausgestaltung solcher Verordnungen setzten. §3 Abs2 COVID-19-MG normiere, dass der BMSGPK ua festlegen könne, "unter welchen Voraussetzungen und Auflagen Betriebsstätten […] betreten […] werden dürfen." §1 Abs5 Z5 COVID-19-MG sehe als Auflage "im Zusammenhang mit dem Betreten […] von Betriebsstätten zum Zweck […] der Inanspruchnahme von Dienstleistungen (§3 Abs1 Z1) […] die Durchführung von Tests auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 mit negativem Testergebnis und das Mitführen eines entsprechenden Nachweises vor. "Der Test" gelte somit als "Basiswertung" für Auflagen beim Betreten solcher Betriebsstätten.

Mit §1 Abs5c iVm Abs5d COVID-19-MG stelle der Gesetzgeber die Gleichstellung von Personen mit einer Schutzimpfung gegen COVID-19 und mit überstandener Infektion mit SARS-CoV-2 iZm der Berechtigung zum Betreten sicher. Zudem werde der BMSGPK berechtigt, durch Verordnung die – vom Gesetzgeber grundsätzlich bereits vorgesehene – Gleichstellung im Detail zu regeln. Demensprechend habe der BMSGPK in einer Anhörung im Menschenrechtsausschuss des Parlaments am 23. Juni 2021 noch betont, "dass eine '1G-Regelung' oder eine '2G-Regel' derzeit gesetzlich nicht möglich sei, weil Getestete mit Genesenen und Geimpften gleichgestellt wurden."

Ausnahmen von der Gleichstellung genesener oder geimpfter mit getesteten Personen seien nach dem Gesetz nur zulässig, wenn sie aus epidemiologischen Gründen unbedingt erforderlich seien. Davon könne angesichts des Standes der Wissenschaft und der empirisch erhobenen Daten keine Rede sein. Relevante Studien gingen vielmehr davon aus, dass eine überstandene SARS-CoV-2-Infektion einen ähnlich starken Schutz vor einer neuerlichen Infektion biete wie eine Schutzimpfung. Demnach fehle in der Begründung der 2. Novelle zur 2. COVID-19-ÖV auch der Nachweis der epidemiologischen Erforderlichkeit der mit §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV verfügten Ausnahme von der einfachgesetzlich vorgesehenen Gleichstellung. Der BMSGPK kehre mit der angefochtenen Regelung das vom Gesetzgeber vorgesehene System um und gewähre ausschließlich Personen mit Schutzimpfung oder negativem PCR-Test den Zugang zur sogenannten "Nachtgastronomie". Bis zum 22. Juli 2021 hätten auch Personen Zutritt zur "Nachtgastronomie" gehabt, die einen Nachweis über einen gültigen negativen Antigentest hatten bzw einen Genesungsnachweis vorlegen konnten. Dies habe auch der einfachgesetzlichen Ermächtigung entsprochen. Die angefochtene Bestimmung widerspreche jedoch dem COVID-19-MG und dessen Systematik.

1.2.2. Die vom BMSGPK vorgenommene Differenzierung von Personengruppen bzw Testmethoden sei sachlich nicht gerechtfertigt und verstoße somit gegen das Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz und gegen das Verbot der Diskriminierung auf Grund einer Anschauung (Art2 StGG, Art7 B-VG, Art20 und 21 Abs2 GRC).

1.2.3. Hinsichtlich eines "epidemiologischen Vergleiches" einer Immunisierung durch eine Infektion bzw durch eine Impfung bringt der Antragsteller Folgendes vor: Ältere Studien belegten, dass die Immunisierung infolge einer Infektion mit SARS-CoV-2 und damit der Schutz vor einer Reinfektion zumindest zwischen 80 % bis 90 % betrage; neuere Studien gingen sogar von einem um 99,3 % niedrigeren Infektionsrisiko aus. Auch die AGES gehe davon aus, dass zumindest 91 % bis 94 % gegen schwere Krankheitsverläufe geschützt seien. Hingegen belegten Studien, dass der Anteil der Immunisierten bei Personen mit vollständiger Schutzimpfung nicht höher sei. Während ältere Studien – die sich offenbar noch auf die Alpha-Variante von SARS-CoV-2 bezogen hätten – von einem Schutz vor Infektion (je nach zugelassenem Impfstoff) zwischen 80 % und 95 % ausgingen, relativierten sich diese Zahlen hinsichtlich der Delta-Variante stark. Studien aus Israel gingen etwa von einem um nur noch 39 % gesenkten Infektionsrisiko gegenüber Ungeimpften aus, was auch zur Forderung der dortigen Regierung nach einer dritten Teilimpfung geführt habe. Darüber hinaus publizierte das Robert-Koch-Institut, – wiederum in Bezug auf die Alpha-Variante – dass mRNA-Impfstoffe wie jene von BioNTech Pfizer und Moderna nur 85 % der Infizierten Schutz gegen einen schweren Krankheitsverlauf von COVID-19 böten. Vektorimpfstoffe wie Vaxzevria von AstraZeneca und Janssen von Janssen-Cilag hingegen – vergleichbar mit Antikörpern nach einer durchgemachten Infektion – immerhin von 95 % bis 100 %. Die israelische Regierung gehe iZm der Delta-Variante von einer Reduktion des Schutzes gegen einen symptomatischen Krankheitsverlauf auf nur mehr 64 % aus. Jüngste Medienberichte aus Österreich ließen den Schluss zu, dass keine der in Österreich zugelassenen Schutzimpfungen einen lückenlosen Schutz gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 biete. So hätten sich im Zuge der Veranstaltung "Austria goes Zrce", die in Österreich der Definition von "Nachtgastronomie" iSd §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV entsprochen habe, zwischen 150 und 300 Personen mit SARS-CoV-2 infiziert, die zum Großteil bereits geimpft gewesen seien. Neuere Studien gingen sogar von einer breiteren Immunabwehr von Genesenen gegenüber Geimpften sowie einer wesentlich geringeren Lebensdauer von Antikörpern bei Geimpften aus. Selbst die AGES gestehe Personen mit durchlaufener Infektion zumindest denselben Schutz vor einer neuerlichen Infektion zu wie solchen mit zweifacher Schutzimpfung vor einer Erst- oder neuerlichen Infektion, nämlich von 91 %. Für eine sterile Immunität, dh die Verhinderung der Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 bei Personen mit Schutzimpfung, gebe es nach derzeitigem Stand der Wissenschaft keinen anerkannten Nachweis. Auch an einer sogenannten Herdenimmunität durch eine ausreichend große Anzahl an Personen mit einer COVID-19-Schutzimpfung bestünden Zweifel, wie dies Studien aus den USA, Großbritannien und Singapur belegten. Es liege nahe, dass die Schutzimpfung im Falle einer Ausbreitung der Delta-Variante keinen epidemiologisch erwünschten Effekt zeige.

1.2.4. In Bezug auf einen "epidemiologischen Vergleich" der Testmethoden führt der Antragsteller aus, dass "im wissenschaftlichen Diskurs eine große Zahl von Experten mit beachtlichen Gründen die Aussagekraft von sogenannten PCR-Tests" bezweifelten. Für deren bessere Wirksamkeit und Aussagekraft verglichen mit Antigentests bestehe nach dem Stand der Wissenschaft keine nachgewiesene Evidenz. Auch der Gesetzgeber sei bis zum 22. Juli 2021 von der Wirksamkeit und Validität von Antigentests ausgegangen. Es treffe zwar zu, dass der BMSGPK PCR-Tests als "Goldstandard" des Nachweises einer Infektion ansehe und ihm eine höhere Sensitivität gegenüber Antigentests zuschreibe; allerdings sei der von ihm veröffentlichten "Österreichischen Teststrategie SARS-CoV-2" zu entnehmen, dass ein Nasen-Rachen-Abstrich mit vergleichsweise viel gewonnenem Virusmaterial in Kombination mit einem Antigentest eine ähnliche Zuverlässigkeit aufweise wie ein Gurgeltest mit vergleichsweise wenig gewonnenem Virusmaterial in Kombination mit einem PCR-Test. Somit sei das singuläre Abstellen auf die höhere Sensitivität beim Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion keine ausreichende fachliche Grundlage, um die vom Gesetzgeber vorgesehene Gleichstellung des Nachweises eines negativen Antigentests mit dem Nachweis eines negativen PCR-Tests – entgegen der gesetzgeberischen Wertung iSd §1 Abs5 Z5 COVID-19-MG – mittels Verordnung aufzuheben.

2. Der BMSGPK hat als verordnungserlassende Behörde den Verordnungsakt betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Bestimmung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er die Zurückweisung des Antrages, in eventu dessen Abweisung begehrt.

2.1. Der BMSGPK verneint die Zulässigkeit des Antrages mit der Begründung, dass der Anfechtungsumfang in Bezug auf §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV zu eng gefasst sei. Zunächst gehe der BMSGPK davon aus, der Antragsteller bekämpfe mit seinem Haupt- und Eventualantrag §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV, BGBl II 278/2021, idF BGBl II 321/2021, zumal diese Bestimmung im Antrag wörtlich wiedergegeben werde. Sofern der Antragsteller auf Seite 1 des Antrages die Aufhebung von §5 Abs1 2. COVID-19-ÖV idF BGBI. II 231/2021 begehre, sei ihm wohl ein Irrtum unterlaufen, zumal unter der genannten BGBl.-Nummer keine Fassung der 2. COVID-19-ÖV kundgemacht wurde. Sodann habe es der Antragsteller verabsäumt, den in untrennbarem Zusammenhang mit §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV stehenden §12 Abs8 leg cit mitanzufechten, der im Falle einer Aufhebung gleichsam als inhaltsleerer Torso verbliebe. Der Anfechtungsumfang sei auch im Hinblick auf den Eventualantrag zu eng, weil die begehrte Aufhebung des Wortes "nur" in §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV die behauptete Gesetz- bzw Verfassungswidrigkeit nicht beseitigen würde.

2.2. Auch in der Sache tritt der BMSGPK dem Vorbringen des Antragstellers entgegen und verweist hinsichtlich der behaupteten Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmung auf seine Äußerung in dem zu V212/2021 protokollierten Verfahren, die er seiner Äußerung auch beigelegt hat. In dieser führt er – auf das Wesentliche zusammengefasst – Folgendes aus:

2.2.1. §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV stütze sich auf §§3 Abs1 iVm 1 Abs5 Z5 iVm Abs5c COVID-19-MG. Zunächst treffe es zu, dass §1 Abs5c COVID-19-MG – vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der Novelle BGBl I 90/2021 noch bestehenden Unsicherheiten im Hinblick auf das Ausmaß der Verhinderung der Transmission von SARS-CoV-2 durch eine Impfung – von einer grundsätzlichen Gleichstellung geimpfter oder genesener Personen mit Getesteten ausgehe. Auch in diesem Zusammenhang verlange §1 Abs5c COVID-19-MG im Übrigen keinen Nachweis, dass von Geimpften oder Genesenen keine unverhältnismäßig höhere Gefahr ausgehe als von Getesteten, sondern es genüge eine entsprechende (freilich hinreichend substantiierte und dem jeweiligen Stand der Wissenschaft entsprechende) Annahme.

2.2.2. Dieser grundsätzlichen Gleichstellung trage die angefochtene 2. COVID-19-ÖV idF BGBl II 321/2021 ebenso wie die Vorgängerverordnungen auch Rechnung: Gemäß §1 Abs2 2. COVID-19-ÖV gelte als Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr ein den Anforderungen der Z1 entsprechender Testnachweis, ein Nachweis über eine Impfung nach Maßgabe der Z2, ein Genesungsnachweis gemäß Z3, ein Nachweis über neutralisierende Antikörper gemäß Z4 oder ein Absonderungsbescheid gemäß Z5. Die 2. COVID-19-ÖV sei somit – vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der Verordnungserlassung bestehenden epidemiologischen Lage – von der grundsätzlichen Annahme getragen, dass von geimpften und genesenen Personen keine unverhältnismäßig größere Gefahr ausgehe als von Getesteten. Sie folge damit dem Grundsatz des §1 Abs5c COVID-19-MG.

§1 Abs5c COVID-19-MG ermächtige zum Abweichen von dieser grundsätzlichen Gleichstellung. Demnach seien Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Gleichstellung insoweit zulässig, als dies aus epidemiologischen Gründen unbedingt erforderlich sei. Nach dem Willen des Gesetzgebers könne eine Rechtfertigung für ein solches Abgehen von der grundsätzlichen Gleichstellung etwa dann gegeben sein, wenn es am Ort, für den die Auflage der Testdurchführung gelte, zum Kontakt mit Angehörigen vulnerabler Gruppen komme und daher ein Restrisiko wegen der damit verbundenen Konsequenzen nicht hingenommen werden könne. Geimpfte und Genesene seien in diesem Fall ebenso zur Durchführung eines Tests und zum Mitführen entsprechender Nachweise verpflichtet (vgl AB 813 BlgNR 27. GP, 3; AB 757 BlgNR 27. GP, 5). Die Materialien führten damit deutlich vor Augen, dass eine solche Ausnahme im Einzelfall ortsbezogen zulässig sein könne, sofern dies epidemiologisch erforderlich sei. Der Kontakt mit Angehörigen vulnerabler Personengruppen sei dabei nur beispielhaft angeführt. Ein strengeres Schutzniveau sei zweifelsohne auch dann epidemiologisch unbedingt erforderlich und geboten, wenn am entsprechenden Ort besonders ungünstige epidemiologische Verhältnisse herrschten.

2.2.3. Dies sei bei der "Nachtgastronomie" der Fall. So umschreibe bereits die Legaldefinition des §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV das besondere Gefahrenpotenzial damit, dass es sich um Betriebsstätten der Gastgewerbe handle, in denen mit einer vermehrten Durchmischung und Interaktion der Kunden zu rechnen sei, wie insbesondere Diskotheken, Clubs und Tanzlokale. Der Anwendungsbereich der Beschränkungen sei damit auf den im Hinblick auf die Verbreitung von COVID-19 zentralen Faktor einer vermehrten Durchmischung und Interaktion beschränkt. Demgemäß sei auch in der rechtlichen Begründung zu der Verordnung BGBl II 321/2021 ausgeführt, dass es in diesen Einrichtungen vermehrt zu einer verstärkten Durchmischung (in der Regel keine fixen Sitzplätze) des vor allem jungen Publikums mit geringer Durchimpfungsrate komme. Zudem sei der in diesem "Setting" erhöhte Aerosolausstoß zu berücksichtigen, der üblicherweise in den hauptsächlich zur Nachtzeit besonders frequentierten Einrichtungen der "Nachtgastronomie" zu beobachten sei. Dieser sei vor allem auf die vermehrte Interaktion der Kunden untereinander zurückzuführen, die insbesondere der körperlichen Nähe geschuldet sei. Grund dafür sei der in diesem Rahmen üblicherweise stattfindende vermehrte Alkoholkonsum, das Tanzen und die hohe Lautstärke, die wiederum zu einem lauten Sprechen führe.

2.2.4. Mit der Einschränkung der "3G-Regel" habe der BMSGPK auf ein erhöhtes Infektionsgeschehen in Betriebsstätten der "Nachtgastronomie" reagiert. Welche Auswirkungen Infektionsfälle im Umfeld von Einrichtungen der "Nachgastronomie" hätten, sei anhand der zu beobachtenden Cluster, denen die Verschärfung der "3G-Regel" vorausging, besonders deutlich geworden. So seien etwa in einem Fall (Besuch einer Diskothek durch eine infizierte Person in der Nacht vom 10. auf 11. Juli 2021) 350 Personen als Kontaktpersonen zu PCR-Testungen aufgerufen worden. Nach den ersten Ergebnissen seien in Diskotheken durch einen einzigen Infizierten 17 weitere zu verzeichnen gewesen und es habe auch schon Fälle in den Familien der Betroffenen gegeben.

2.2.5. Auf dem Boden der gebotenen Durchschnittsbetrachtung und vor dem Hintergrund des Auftretens besorgniserregender Cluster sei daher bei der "Nachtgastronomie" von einem Ort auszugehen, für den es iSd §1 Abs5c COVID-19-MG erforderlich gewesen sei, von der grundsätzlichen Gleichstellung Geimpfter und Genesener mit Getesteten abzuweichen. Die Verschärfung der "3G-Regel" sei dabei als ausreichende und effektivste Maßnahme erachtet worden, um auf die besondere Gefahrenlage zu reagieren. Vor diesem Hintergrund hätte auch auf die Wiedereinführung einer 75 %-Kapazitätsbegrenzung verzichtet werden können, zumal vor allem das Schutzniveau im Hinblick auf potentiell infizierte Personen erhöht hätte werden sollen. Was die konkrete Ausgestaltung dieses Spielraumes zur Abweichung von der grundsätzlichen Gleichstellung getesteter, geimpfter und genesener Personen betreffe, sei der "3G-Nachweis" nicht nur im Hinblick auf den Genesungsnachweis, sondern auch hinsichtlich des Testnachweises eingeschränkt worden. §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV weiche von den allgemeinen Bestimmungen über den Testnachweis in §1 Abs2 Z1 leg cit insofern ab, als nur einer der dort vorgesehenen Nachweise genüge. So bedürfe es für das Betreten von Einrichtungen der "Nachtgastronomie" des Nachweises eines molekularbiologischen Tests im Sinne des §1 Abs2 Z1 litc 2. COVID-19-ÖV, der das höchste Schutzniveau innerhalb der Testnachweise biete.

2.2.6. Was die Ausnahmen von der Gleichstellung gemäß §1 Abs5c COVID-19-MG betreffe, so enthalte die einschlägige gesetzliche Grundlage keine Vorgaben dahingehend, dass genesene und geimpfte Personen gleichgestellt sein müssten. Die Vorgabe, dass Ausnahmen epidemiologisch unbedingt erforderlich sein müssten, erlaube nach Auffassung des BMSGPK vielmehr auch epidemiologisch gerechtfertigte Differenzierungen zwischen diesen beiden Personengruppen. Die Erforderlichkeit seuchenrechtlicher Maßnahmen sei notwendigerweise ex ante zu beurteilen, wobei es auf eine Gefährdungsprognose ankomme. Die Beschränkungen für Genesene seien der unsicheren Datenlage im Hinblick auf die Transmissionswahrscheinlichkeit geschuldet. Diesbezüglich finde sich in der fachlichen Begründung der Hinweis, dass die Impfung sowohl Schutz vor Infektion als auch nachweislich eine Verringerung der Transmissionsrate im Falle einer Infektion bewirke. Hingegen wiesen Genesene für einen gewissen Zeitraum nach Infektion zwar ein niedrigeres Reinfektionsrisiko auf, jedoch erlaube die unergiebige Studienlage über Genesene kaum eine Aussage über die Transmissionswahrscheinlichkeit. Außerdem sei bei Genesenen die Immunantwort abhängig vom Zeitpunkt der Infektion, von der Krankheitsschwere und von der Virusvariante, und solle jedenfalls durch eine Impfung abgesichert werden.

2.2.7. Die Studienlage im Zeitpunkt der Verordnungserlassung habe sich betreffend geimpfte und genesene Personen wie folgt dargestellt: Nach dem Kenntnisstand im Zeitpunkt der Verordnungserlassung hätten die COVID-19-mRNA-Impfstoffe Comirnat

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten