TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/25 95/09/0102

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Veröffentlicht am 25.06.1996
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Index

21/03 GesmbH-Recht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §2 Abs4 idF 1994/314;
GmbHG §15;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der W-Gesellschaft m.b.H. in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 16. Februar 1995, Zl. B3-6700 Mag.Wo/Eb, betreffend Feststellung nach § 2 Abs. 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 1994 beantragte die Beschwerdeführerin die Feststellung, daß J.S. hinsichtlich der Geschäftsführung der Beschwerdeführerin maßgebender Einfluß zukomme und von diesem auch tatsächlich ausgeübt werde. Aus dem beigelegten Gesellschaftsvertrag vom 23. November 1990 geht hervor, daß Heinrich, Paul und Norbert W. die Beschwerdeführerin gegründet haben. Gegenstand des Unternehmens ist a) der Betrieb einer Bau- und Möbeltischlerei, b) der Handel mit Waren aller Art. Nach Punkt Sechstens des Gesellschaftsvertrages hat die Gesellschaft einen oder mehrere Geschäftsführer. Sie wird, wenn nur ein Geschäftsführer bestellt ist, durch diesen allein, wenn zwei oder mehrere Geschäftsführer bestellt sind, durch je zwei Geschäftsführer kollektiv vertreten. Der (die) Geschäftsführer trifft (treffen) alle Entscheidungen, die nicht nach dem Gesetz der Generalversammlung vorbehalten sind. Gemäß Punkt Elftens des Gesellschaftsvertrages gelten, soweit durch diesen Gesellschaftsvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung nichts anderes bestimmt ist, für die Gesellschaft die Vorschriften des Gesetzes über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, insbesondere werden alle Beschlüsse in der Generalversammlung mit der gesetzlichen Mehrheit gefaßt.

Dieser Gesellschaftsvertrag vom 23. November 1990 wurde mit dem ebenfalls dem Ansuchen beigeschlossenen Protokoll vom 12. August 1994, aufgenommen in der Kanzlei des öffentlichen Notars Dr. E.B., dahingehend geändert, daß der Punkt Elftens des Gesellschaftsvertrages vom 23. November 1990 nunmehr lautet wie folgt: "Soweit durch diesen Gesellschaftsvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung nichts anderes bestimmt ist, gelten für die Gesellschaft die Vorschriften des Gesetzes über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, jedoch wird zwischen den Gesellschaftern ausdrücklich vereinbart, daß sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig zu fassen sind, soweit gesetzlich zwingend nicht ein anderes Mehrheitserfordernis vorgesehen ist. Umlaufbeschlüsse gemäß § 34 des Gesetzes über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung sind jedoch zulässig."

Mit Bescheid der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 30. November 1994 wurde gemäß § 2 Abs. 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes festgestellt, daß der ausländische Staatsbürger J.S., geboren am 28. Mai 1971, persönlich keinen wesentlichen Einfluß auf die Geschäftsführung der Beschwerdeführerin ausübe. Es liege vielmehr ein Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 2 Abs. 2 AuslBG vor. In der Begründung wurde ausgeführt, aus den vorgelegten Unterlagen (Gesellschaftsvertrag sowie Protokoll der Generalversammlung vom 12. August 1994) sei nicht ersichtlich, daß J.S. überhaupt Gesellschafter sei, bzw. daß er zum Geschäftsführer bestellt worden wäre. Das gesamte Vorbringen reiche daher nicht zum Nachweis aus, daß J.S. einen wesentlichen Einfluß auf die Geschäftsführung tatsächlich persönlich ausübe.

Vor Zustellung des mit 30. November 1994 datierten Bescheides kam der Behörde erster Instanz am 16. Dezember 1994 ein mit 12. August 1994 datierter Abtretungsvertrag zwischen einem E.K., geboren am 10. Juni 1968, rumänischer Staatsangehöriger, und J.S., geboren am 28. Mai 1971, rumänischer Staatsangehöriger, zu, wonach E.K., der an der Beschwerdeführerin als Gesellschafter mit einer Stammeinlage von S 360.000,-- (Stammkapital der Gesellschaft S 600.000,--) beteiligt war, einen Anteil von S 6.000,-- an J.S. abtrat. Nach Durchführung der Abtretung bestünden folgende Beteiligungsverhältnisse an der Beschwerdeführerin: Heinrich W. S 30.000,--, Paul W. S 30.000,--, E.K. S 354.000,--, Norbert W. S 180.000,--, J.S. S 6.000,--.

In der gegen den Bescheid vom 30. November 1994 erhobenen Berufung wurde geltend gemacht, die Erstbehörde habe kein wie immer geartetes Ermittlungsverfahren durchgeführt, um die Frage zu klären, ob J.S. einen wesentlichen Einfluß auf die Geschäftsführung der Beschwerdeführerin ausübe. Diese Frage könne nur geklärt werden, wenn man die konkrete Geschäftsgebarung und Geschäftsabwicklung der Beschwerdeführerin einer näheren Beurteilung unterziehe. Diesbezügliche Beweisaufnahmen seien unterblieben und es fehlten auch entsprechende Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Weiters verwies die Berufung auf den Abtretungsvertrag, aus dem hervorgehe, daß die Gesellschaftereigenschaft des J.S. tatsächlich gegeben sei. Bereits aus dem Gesellschaftsvertrag, der Einstimmigkeit bei Beschlußfassung in sämtlichen Angelegenheiten der Gesellschaft vorsehe, ergebe sich, daß J.S. tatsächlich maßgebenden Einfluß auf die Geschäftsführung der Beschwerdeführerin ausübe, da ohne seine Mitwirkung kein wirksamer Gesellschafterbeschluß gefaßt werden könne. Auf diesen Umstand gehe die Erstbehörde bei ihrer Beurteilung überhaupt nicht ein. Ein weiteres Vorbringen im Zuge des Berufungsverfahrens behalte sich die Beschwerdeführerin ausdrücklich vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. Februar 1995 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, J.S. sei Gesellschafter der Beschwerdeführerin, wobei er einen Geschäftsanteil von 1 % besitze. Zum Beweis eines tatsächlich ausgeübten wesentlichen Einflusses auf die Gesellschaft seien der Gesellschaftsvertrag vom 23. November 1990, das Protokoll vom 12. August 1994 über die Änderung und Neufassung des Punktes Elftens des genannten Gesellschaftsvertrages sowie ein Abtretungsvertrag vom 12. August 1994 zwischen E.K. und J.S. vorgelegt worden. Ein bestimmender Einfluß auf die grundsätzlich vom Geschäftsführer wahrzunehmende Unternehmensgestion könne durch die bloße Möglichkeit eines Minderheitsgesellschafters, Beschlüsse der Generalversammlung zu verhindern, nicht abgeleitet werden. Daß J.S. zum Geschäftsführer bestellt worden wäre, sei weder aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich noch aus dem Berufungsvorbringen ableitbar. Das gesamte Parteivorbringen reiche daher nicht aus, um nachzuweisen, daß J.S. tatsächlich persönlich einen wesentlichen Einfluß auf die Geschäftsführung der Beschwerdeführerin ausübe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des § 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 218 i. d.F. BGBl. Nr. 314/1994 (AuslBG), lauten wie folgt:

"§ 2. (1) Als Ausländer im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt, wer nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.

(2) Als Beschäftigung gilt die Verwendung

a)

in einem Arbeitsverhältnis,

b)

in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird,

c)

in einem Ausbildungsverhältnis,

d)

nach den Bestimmungen des § 18 oder

e)

überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988.

...

(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn

1.

ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes oder

2.

ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25 %

Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag fest, daß ein wesentlicher Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen."

§ 2 Abs. 4 zweiter Satz AuslBG enthält eine gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Beschäftigung i.S.d. § 2 Abs. 2 leg. cit., die nur dann nicht Platz greift, wenn mittels Feststellungsbescheides ausgesprochen wird, daß der Gesellschafter einen wesentlichen Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft tatsächlich persönlich ausübt (vgl. Schrammel, Rechtsfragen der Ausländerbeschäftigung, S. 86). Der letzte Satz dieser Bestimmung normiert eine Beweislastregelung. Abweichend von der sonst im Verwaltungsverfahren herrschenden Offizialmaxime (§ 39 Abs. 2 AVG) obliegt dem Antragsteller die Beweislast, daß die Voraussetzungen für einen Feststellungsbescheid vorliegen (vgl. Schnorr, AuslBG3, S. 30).

Die belangte Behörde begründete ihre Beurteilung, wonach J.S. auf die Geschäftsführung der Beschwerdeführerin keinen wesentlichen Einfluß tatsächlich persönlich ausübe, mit dem Umstand, daß J.S., aufgrund seines Geschäftsanteiles von 1 % nur die bloße Möglichkeit habe, Beschlüsse der Generalversammlung zu verhindern, daß er aber einen bestimmenden Einfluß auf die grundsätzlich vom Geschäftsführer wahrzunehmende Unternehmensgestion tatsächlich nicht ausübe. Daß die belangte Behörde den Antrag ALLEIN deshalb abgelehnt habe, weil J.S. nicht formell zum Geschäftsführer bestellt war, ist entgegen den Beschwerdebehauptungen dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.

Nach Punkt Sechstens des Gesellschaftsvertrages, der auch durch das Protokoll vom 12. August 1994 nicht geändert wurde, wird die Beschwerdeführerin durch den (die) Geschäftsführer vertreten. Der Geschäftsführer trifft nach diesem Vertragspunkt alle Entscheidungen, die nicht nach dem Gesetz der Generalversammlung vorbehalten sind.

Der Beschlußfassung der Gesellschafter in der Generalversammlung unterliegen verschiedene, die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses und außergewöhnliche Geschäftsfälle betreffende Entscheidungen, wie gemäß § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz beispielsweise die Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses, die Verteilung des Bilanzgewinnes, die Entlastung der Geschäftsführer, die Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagen, die Rückzahlung von Nachschüssen, oder die Entscheidung, ob Prokura oder Handelsvollmacht zum gesamten Geschäftsbetrieb erteilt werden darf. Weiters unterliegt der Beschlußfassung der Gesellschafter gemäß § 49 leg. cit. eine Abänderung eines Gesellschaftsvertrages sowie die darauf gegründete Erhöhung (§ 52) oder die Herabsetzung (§ 54) des Stammkapitals, sowie die Auflösung der Gesellschaft (§ 84 leg. cit.).

Durch das Halten einer Sperrminorität und der damit gegebenen Möglichkeit der Verhinderung von bestimmten Beschlüssen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene kann aber nicht gesagt werden, daß dem unbestritten nicht zum Geschäftsführer bestellten (am Stammkapital lediglich mit 1 % beteiligten) Gesellschafter J.S. tatsächlich persönlich wesentlicher Einfluß auf die laufende Geschäftsführung der Beschwerdeführerin, so etwa auch in bezug auf eine Weisungserteilung gegenüber den Dienstnehmern, zugekommen wäre (vgl. Schrammel, a.a.O. S. 85). Gerade der (bestimmende) Einfluß auf die Geschäftsführung ist das maßgebende Element zur Abgrenzung im durch die Novelle BGBl. Nr. 502/1993 neu geschaffenen § 2 Abs. 4, vorletzter Satz, AuslBG. In diesem Bereich liegt auch mit Rücksicht auf die neue Rechtslage kein Widerspruch zur früheren Judikatur (beginnend mit dem Erkenntnis vom 18. Februar 1988, 87/09/0267 = Slg. Nr. 12.642/A) vor. Wenn in der Beschwerde behauptet wird, bei der Beschwerdeführerin bildeten alle Gesellschafter - unabhängig davon, ob sie handelsrechtlich Geschäftsführer seien oder nicht - "ein Team, in dem sämtliche wesentlichen Entscheidungen einstimmig gefaßt werden", ist dies insoweit, als es über den Inhalt der vorgelegten Urkunden hinausgeht, schon wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltenden Neuerungsverbotes unbeachtlich. Soweit die Beschwerde insoweit Ermittlungshandlungen der belangten Behörde vermißt, ist auf die im § 2 Abs. 4 AuslBG statuierte Beweislastumkehr zu verweisen, nach der es Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen wäre, für ihren Standpunkt - in Abweichung von den vorgelegten Vertragsunterlagen - sprechende Sachverhaltselemente initiativ in konkreter Form darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu stellen.

Im Ergebnis ist daher die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in keinen Rechten verletzt worden, weshalb ihre Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995090102.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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