TE Vwgh Beschluss 1996/6/25 93/05/0271

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Veröffentlicht am 25.06.1996
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Index

L37134 Abfallabgabe Müllabgabe Sonderabfallabgabe Sondermüllabgabe
Müllabfuhrabgabe Oberösterreich;
L82404 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Oberösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AWG 1990 §29 Abs1 Z6;
AWG 1990 §42 Abs1 Z3 litg;
AWG OÖ 1990 §21 Abs3;
AWG OÖ 1990 §21 Abs6;
AWG OÖ 1990 §21;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art18 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Rudolf und der Anna G in H, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 6. Oktober 1993, Zl. UR - 140004/6 - 1993 Ha/Za, betreffend eine Abfallangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Bezirksabfallverband F in F), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 13. August 1993 teilte der mitbeteiligte Verband der belangten Behörde mit, daß im Zuge der Deponiestandortsuche von ursprünglich 20 möglichen Standortbereichen seit Mitte 1992 vier Standorte für Untersuchungen "der Stufe 3a" verblieben, darunter der Standort K in der Gemeinde H. Für geplante Bohrungen und Schürfungen im Herbst 1993 habe sich der Verband in K um entsprechende Erklärungen der Grundeigentümer bemüht, diese aber nicht bekommen. Dort seien die Grundeigentümer nicht bereit, die auf ihren Grundstücken erforderlichen Erhebungen zu dulden. Es wurde daher beantragt, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um für die Standortsuche der notwendigen Abfallbehandlungsanlagen für den Bezirk F keine Zeit zu verlieren.

In der Ladung zur Verhandlung vom 28. September 1993, die u. a. an die Beschwerdeführer erging, gab die belangte Behörde bekannt, daß der Mitbeteiligte im Rahmen der Standortuntersuchungen in K Untersuchungen in Auftrag zu geben beabsichtige. Gemäß § 21 Abs. 3 Oö AWG, LGBl. Nr. 28/1991, hätten Grundeigentümer und die sonst an diesem Grundstück dinglich oder obligatorisch Berechtigten die Verpflichtung, die für Ermittlungen über die Standorteignung erforderlichen Erhebungen zu dulden. Zur Erörterung dieser Duldungspflicht wurde die Verhandlung anberaumt.

Bei dieser Verhandlung legte der Amtssachverständige für Abfallwirtschaft dar, daß es nach den Bestimmungen des Oö AWG sowie des Oö Abfallwirtschaftsplanes zu den wesentlichen Aufgaben eines Bezirksabfallverbandes gehöre, Standorte zu suchen und erforderliche Abfalldeponien bereit zu stellen. Die Deponiestandortsuche im Bezirk F werde in Anlehnung an die "Leistungbeschreibung Deponieanlagen (Hausmülldeponien)" vom April 1992 durchgeführt. Darin würden verschiedene Stufen bei der Standortsuche unterschieden; Stufe 3a betreffe die Grobbeurteilung von vier bis sechs ausgewählten, geeignet erscheinenden Standorten (Topographie, Geologie, Bodenmechanik, Hydrologie, Landschaftsökologie, Infrastruktur, Klima), Stufe 3b betreffe die Detailbeurteilung von zwei bis drei ausgewählten, geeignet erscheinenden Standorten für die in Stufe 3a angeführten Fachbereiche. Im Zuge der Untersuchungen zur Stufe 3b sei auch am Standort H-K die Niederbringung von Aufschlußbohrungen sowie der Ausbau zu Grundwasserkontrollen geplant. Für eine detaillierte Beurteilung einer Standorteignung in den Fachbereichen Geologie und Hydrogeologie seien die genannten Untersuchungen unbedingt erforderlich; endgültig könnte die Standorteignung erst nach Vorliegen der Ergebnisse für alle zu untersuchenden Fachbereiche beurteilt werden. In ihrer Stellungnahme erklärten die Beschwerdeführer gemeinsam mit anderen Grundeigentümern, daß eine Deponie für mehr als 100.000 m3 Gesamtvolumen geplant sei, weshalb die Behörde für diese Angelegenheit unzuständig sei. Es handle sich um einen Teil des Genehmigungsverfahrens, weshalb § 26 Abs. 2 AWG mangels Verweises in § 3 Abs. 2 AWG nicht gelte. Eine Duldungspflicht könne nur für solche Grundstücke bestehen, die überhaupt geeignet seien, was sich aus der Wendung "an diesen" in § 21 Abs. 3 Oö AWG ergäbe, weil mit "diesen" nicht "alle" gemeint sein können. Es wurden verschiedene Gründe angeführt, weshalb die Grundstücke der Beschwerdeführer und der übrigen Grundeigentümer nicht geeignet seien. Die Beschwerdeführer beantragten daher, daß die zuständige Behörde aus diesen Gründen bescheidmäßig darüber abspreche, daß die Beschwerdeführer nicht zur Duldung weiterer Untersuchungen verpflichtet seien. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag des Mitbeteiligten auf Durchführung von Untersuchungen der Stufe 3b am Standort K statt und wies den Antrag der Beschwerdeführer, die zuständige Behörde möge bescheidmäßig darüber absprechen, daß die betreffenden Grundstückseigentümer nicht zur Duldung weiterer Untersuchungen auf ihren Grundstücken verpflichtet seien, ab. In der Begründung wurde auf § 21 Abs. 3 Oö AWG verwiesen, wonach die Grundeigentümer die Verpflichtung hätten, die für die Ermittlung der Standorteignung erforderlichen Erhebungen zu dulden. Die geplanten Untersuchungen entsprächen den Anforderungen der Stufe 3b der Standortuntersuchungskriterien. Der Antrag der Grundeigentümer hätte keine Begründung enthalten, die eine Versagung dieser Untersuchungen nach sich gezogen hätte.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht verletzt, daß die Duldungspflicht entsprechend der für Ermittlungen über die Standorteignung erforderlichen Erhebungen gemäß § 21 Abs. 3 Oö AWG nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bestehe und die Beschwerdeführer mangels Vorliegens dieser Voraussetzungen daher nicht zu dieser Duldung verpflichtet seien und verpflichtet werden könnten. Es wird Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie der Mitbeteiligte, eine Gegenschrift.

Die Beschwerde ist aus nachstehenden Erwägungen nicht zulässig.

Gemäß § 18 Abs. 1 des gemäß § 41 Oö AWG 1990, LGBl. Nr. 28/1991, erlassenen Abfallwirtschaftsplanes, LGBl. Nr. 38/1992, hat jeder Bezirksabfallverband und jede Stadt mit eigenem Statut wenigstens eine Deponie für Hausabfälle, sperrige Abfälle und nicht gefährliche Abfälle aus Betrieben zu planen, zu errichten, zu betreiben und zu erhalten. Nach § 19 dieser Verordnung sind Standortvorschläge für Abfallbehandlungsanlagen samt den Unterlagen nach § 21 Abs. 2 und 4 Oö AWG längstens bis 1. Jänner 1993 der Landesregierung vorzulegen.

§ 21 Oö AWG lautet:

"§ 21

Standorte

(1) Standorte von Abfallbehandlungsanlagen eines Bezirksabfallverbandes oder eines übergeordneten Abfallverbandes haben grundsätzlich im jeweiligen Verbandsbereich zu liegen. Soll in einer Verordnung nach Abs. 2 von diesem Grundsatz abgewichen werden, so ist vorher der berührte Abfallverband anzuhören; im Standortvorschlag (Abs. 2 zweiter Satz) sind

1.

die im öffentlichen Interesse gelegenen Gründe, die für die Ausnahme sprechen, und

2.

die Umstände, die die Beurteilung der Chancen einer Verwirklichung der Ausnahme ermöglichen,

im einzelnen darzulegen.

(2) Die Landesregierung hat durch Verordnung parzellenscharf jenen Standort einer Abfallbehandlungsanlage festzulegen, der in Übereinstimmung mit dem Abfallwirtschaftsplan (§ 41) für die Anlage in Frage kommt. Der Bezirksabfallverband hat der Landesregierung einen oder mehrere geeignete Standorte vorzuschlagen; dem Standortvorschlag sind für eine Beurteilung der Eignung ausreichende Projektsunterlagen anzuschließen; mehrere Standorte sind im Vorschlag zu reihen. Die Landesregierung hat auf die Standortvorschläge des Bezirksabfallverbandes Bedacht zu nehmen.

(3) Die Grundeigentümer und die sonst an diesen Grundstücken dinglich oder obligatorisch Berechtigten sind verpflichtet, die für Ermittlungen über die Standorteignung erforderlichen Erhebungen zu dulden. Vor dem Betreten des Grundstückes oder der Anlage sind die Eigentümer und die an diesem Grundstück dinglich oder obligatorisch Berechtigten nach Tunlichkeit zu verständigen. Durch diese Erhebungen verursachte Schäden sind dem Berechtigten zu ersetzen.

(4) Die Standorte gemäß Abs. 2 sind nach einer die Umweltverträglichkeit, insbesondere

1.

die Geologie und Hydrologie,

2.

die Hydrographie,

3.

die klimatischen Bedingungen,

4.

die Topographie,

5.

die Infrastruktur,

betreffenden Untersuchung der in Frage kommenden Gebiete so zu wählen, daß der Schutz öffentlicher Interessen (§ 8) gesichert ist.

(5) Die Landesregierung kann Abfallbehandlungsanlagen, deren beschleunigte Errichtung im besonderen Interesse der oberösterreichischen Abfallwirtschaft gelegen ist, mit Verordnung als vordringlich erklären.

(6) Die Landesregierung hat den Entwurf der Verordnungen gemäß Abs. 2 und Abs. 3 vor deren Erlassung durch sechs Wochen bei der in Aussicht genommenen Standortgemeinde zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Die Auflage ist von der Gemeinde durch Anschlag an der Amtstafel mindestens zwei Wochen vor und überdies während der Auflage sowie auf ortsübliche Weise bekannt zu machen. Die von der Anlage unmittelbar betroffenen Grundeigentümer (§ 25 Abs. 3 Z. 2) sind von der beabsichtigten Auflage durch die Gemeinde nachweislich zu verständigen.

(7) Jedermann, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen kann, ist berechtigt, innerhalb der Auflagefrist zum Entwurf der Verordnungen gemäß Abs. 2 und Abs. 5 eine schriftliche Stellungnahme beim Amt der O.Ö. Landesregierung einzubringen. Auf dieses Recht ist in der Bekanntmachung gemäß Abs.6 hinzuweisen.

(8) Verordnungen gemäß Abs. 2 sind festgelegte Planungen des Landes im Sinne des § 15 Abs. 11 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes."

Während § 21 Oö AWG nur die letztlich mit Verordnung zu bestimmende Standortfrage betrifft, wird in den §§ 23 bis 34 leg. cit. das eigentliche Genehmigungsverfahren geregelt. Eine gemäß § 21 Abs. 2 erster Satz Oö AWG zu erlassende Verordnung setzt voraus, daß der Verband der Landesregierung einen oder mehrere geeignete Standorte vorschlägt (zweiter Satz). Die Duldungspflicht gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung dient der Ermittlung der Standorteignung und besteht daher vor dem Vorschlag an die Landesregierung bezüglich der zu erlassenden Verordnung über den Standort.

Durch die Gebotsnorm des § 21 Abs. 3 Oö AWG wird unmittelbar die Duldung der für die Ermittlung der Standorteignung erforderlichen Erhebungen durch die Grundeigentümer angeordnet. Ein besonderes Verfahren zur Feststellung, wer zu dulden hat und in welchem Umfang diese Duldungspflicht besteht, sieht das Gesetz nicht vor; lediglich die Verständigung der zur Duldung Verpflichteten wird angeordnet. Die Einhaltung der Duldungspflicht wird außerdem durch die Strafnorm des § 42 Abs. 1 Z. 3 lit. g ("mit Geldstrafe bis S 50.000,-- wird bestraft, wer entgegen § 21 Abs. 3 Erhebungen, Kontrollen oder Probennahmen nicht ermöglicht oder behindert") gesichert; andererseits ist für auftretende Schäden vorgesorgt.

Mittels Bescheides genehmigungspflichtig ist gemäß § 22 Abs. 1 Oö AWG die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von Abfallbehandlungsanlagen. Dieses Verfahren wird in den folgenden Bestimmungen geregelt.

Eines gesonderten Ausspruches der Duldungspflicht mittels Bescheides hätte es daher nicht bedurft. Da dies dennoch geschehen ist, konnte eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführer durch diesen Bescheid nicht eintreten. Auch der von den Beschwerdeführern gewünschte bescheidmäßige Abspruch, daß sie in bezug auf ihre Grundstücke nicht zur Duldung weiterer Untersuchungen verpflichtet seien, kann sich auf keine Rechtsgrundlage stützen.

Sollte die Duldungsverpflichtung, wie aus § 21 Abs. 6 allenfalls ableitbar, mittels Verordnung ausgesprochen werden, so könnte auch eine derartige Verordnung nicht vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden (vgl. zuletzt hg. Beschluß vom 23. April 1996, Zl 94/05/0021, betreffend Vorprüfungsverfahren gemäß § 4 und 5 Starkstromwegegesetz).

Da somit die Beschwerdeführer schon von Gesetzes wegen zur Duldung von Vorarbeiten verpflichtet sind, konnte der dennoch erlassene Bescheid nicht in ihre Rechte eingreifen; es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde zur Erlassung dieses Bescheides zuständig war. Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, daß gemäß § 29 Abs. 1 Z. 6 AWG die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von Deponien für nichtgefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 100.000 m3 einer Genehmigung des Landeshauptmannes bedarf, daß aber für solche Anlagen landesrechtliche Vorschriften, die sich nicht auf das Genehmigungsverfahren beziehen, unberührt bleiben. Im vorliegenden Fall ging es eindeutig nur um die Standortfrage und nicht um ein Genehmigungsverfahren.

Somit war die Beschwerde mangels Beschwerdeberechtigung der Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluß zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Verordnungen Rechtsverletzung sonstige Fälle

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1993050271.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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