TE Vwgh Beschluss 2022/3/15 Ra 2021/11/0060

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Veröffentlicht am 15.03.2022
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Index

L67008 Ausländergrunderwerb Grundverkehr Vorarlberg
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §52
AVG §53 Abs1
AVG §7 Abs1
B-VG Art133 Abs4
GVG Vlbg 2004 §6 Abs2 litb
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/11/0061

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision 1. des J M in B und 2. des H M in E, beide vertreten durch die Lecher-Tedeschi Rechtsanwalts-GmbH in 6850 Dornbirn, Steinebach 18, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 5. Jänner 2021, Zl. LVwG-301-7/2020-R14, betreffend Versagung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Grundverkehrs-Landeskommission), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. Jänner 2020 wurde die grundverkehrsbehördliche Genehmigung für einen zwischen den revisionswerbenden Parteien abgeschlossenen Kaufvertrag betreffend näher bezeichnete land- und forstwirtschaftliche Grundstücke gemäß § 6 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. b Vorarlberger Grundverkehrsgesetz (im Folgenden: GVG) versagt.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der dagegen erhobenen Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG keine Folge gegeben und der Bescheid vom 20. Jänner 2020 bestätigt. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Landeverwaltungsgericht Vorarlberg für nicht zulässig.

3        Zusammengefasst stellte das Verwaltungsgericht fest, Gegenstand des vorliegenden Rechtserwerbs sei ein landwirtschaftliches Anwesen im Gesamtausmaß von 138.579 m², das die in Rede stehenden Grundstücke umfasse. Die revisionswerbenden Parteien hätten betreffend diese Grundstücke am 25. Oktober 2018 einen Kaufvertrag abgeschlossen und darin einen Kaufpreis von € 305.000,-- vereinbart. Die Grundstücke, die sich auf einer Seehöhe von ca. 930 m südlich des Ortszentrums von R und westlich der Marktgemeinde B an einem mittelsteilen bis steilen Hang befänden, seien teils als Freifläche-Landwirtschaftsgebiet, teils als forstwirtschaftlich genutzte Flächen gewidmet. Der Erstrevisionswerber, der Verkäufer, sei aktiver Nebenerwerbslandwirt und habe das gegenständliche Anwesen im Jahr 2017 zu einem Kaufpreis von € 290.000,-- erworben. Auf einem der Grundstücke sei ein Wirtschaftsgebäude mit einer Kubatur von 410,48 m³, auf einem anderen Grundstück ein Wohngebäude mit einer Kubatur von 398,87 m³ situiert. Hinsichtlich dieser Gebäude sei ein fiktives Alter von 100 Jahren anzunehmen. Ausgehend von diesem Gebäudealter sowie von näher beschriebenen durchgeführten Sanierungsarbeiten sei von einer Restnutzungsdauer des Wohngebäudes von 30 Jahren und einer Restnutzungsdauer des Wirtschaftsgebäudes von 20 Jahren auszugehen. Der ortsübliche Preis für das gegenständliche Anwesen betrage € 228.769,97. Der von den revisionswerbenden Parteien vereinbarte Kaufpreis übersteige diesen ortsüblichen Preis um ca. 33 %.

4        Der Zweitrevisionswerber, der Käufer und Cousin des Erstrevisionswerbers, sei kein Landwirt. Er beabsichtige, die landwirtschaftlichen Flächen zu ortsüblichen Bedingungen zu verpachten. Er plane, die Waldflächen zur Brennholzgewinnung und das Wohngebäude zu Erholungs- und Ferienwohnzwecken zu nutzen. Eine Vermietung an Dritte werde ins Auge gefasst, um die Betriebskosten des Gebäudes decken zu können. Der Wirtschaftstrakt solle weiterhin als Lagerraum dienen.

5        Der vom Verwaltungsgericht festgestellte ortsübliche Preis ergebe sich aus dem mehrfach ergänzten Gutachten des Amtssachverständigen, das auch im Zuge mehrerer Verhandlungstermine erörtert worden sei. Dieses Gutachten erachte das Verwaltungsgericht aus näher dargelegten Gründen als schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Diesem Gutachten sei daher zu folgen, weshalb der vom Amtssachverständigen ermittelte Wert und nicht der in einem von den revisionswerbenden Parteien beigebrachten Privatgutachten ausgewiesene Wert dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde zu legen sei.

6        Da der von den revisionswerbenden Parteien vereinbarte Kaufpreis in der Höhe von € 305.000,-- den ortsüblichen Wert des gegenständlichen Objekts um ca. 33 % überschreite, liege eine erhebliche Überschreitung im Sinn von § 6 Abs. 2 lit. b GVG vor, sodass der betreffende Rechtserwerb zu versagen sei.

7        Weiters legte das Verwaltungsgericht dar, aus welchen Gründen der Amtssachverständige entgegen den Ausführungen der revisionswerbenden Parteien nicht als befangen zu erachten sei.

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend macht, fallbezogen wäre als Grundlage für den ortsüblichen Preis der vom Erstrevisionswerber anlässlich des Erwerbs der in Rede stehenden Liegenschaften im Jahr 2017 vereinbarte Kaufpreis von € 290.000,-- zugrunde zu legen gewesen, weil das genannte Rechtsgeschäft von der Grundverkehrs-Ortskommission rechtskräftig genehmigt worden sei.

9        Weiters sei das Verwaltungsgericht, indem es für die Abweichung vom ortsüblichen Preis einen Toleranzbereich von 30 % angenommen habe, von der hg. Rechtsprechung abgewichen; alternativ wird in diesem Zusammenhang ein Fehlen von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ins Treffen geführt.

10       Das mehrfach ergänzte und abgeänderte Gutachten des Amtssachverständigen sei unschlüssig. Insbesondere sei ein Kellerraum von 40 m³, dessen Wert nicht mit Null beziffert werden könne, nicht berücksichtigt worden. Dazu sei dem Revisionswerber kein Parteiengehör eingeräumt worden.

11       Im Übrigen sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts von einer Befangenheit des Amtssachverständigen auszugehen.

Die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG liegen nicht vor:

12       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0045, mwN).

15       Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. aus vielen den Beschluss VwGH 22.3.2018, Ra 2018/11/0034, mwN).

16       Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, ist die Begründung eines Bescheides nicht der Rechtskraft fähig und entfaltet damit (von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen abgesehen) keine Bindungswirkung. Was Gegenstand eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides einer Behörde ist, bestimmt sich ausschließlich nach dem Inhalt des Spruches des Bescheides. Nur er erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit) und legt dadurch die Grenzen der Rechtskraft fest. Die Bescheidbegründung spielt hierfür nur insoweit eine Rolle, als (auch) sie zu der (nach den für Gesetze maßgebenden Regeln vorzunehmenden) Auslegung (Deutung), nicht aber zur Ergänzung eines in sich unklaren Spruches heranzuziehen ist (vgl. VwGH 8.3.2019, Ra 2019/11/0024, mwN).

17       Sofern sich die Zulässigkeitsbegründung der Revision hinsichtlich der Höhe des als ortsüblich zugrunde zu legenden Wertes der gegenständlichen Liegenschaften auf eine rechtskräftige Entscheidung der Grundverkehrs-Ortskommission beruft, mit der der Erwerb dieser Grundstücke durch den Erstrevisionswerber genehmigt worden sei, wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung daher nicht aufgezeigt. Mit einer rechtskräftigen Entscheidung über die Erteilung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung wird nicht bindend über den Wert der betreffenden Liegenschaften abgesprochen, sondern ein bestimmtes Rechtsgeschäft bewilligt.

18       Hinsichtlich der Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach eine Überschreitung des ortsüblichen Wertes um 33 % als erheblich im Sinn von § 6 Abs. 2 lit. b GVG zu qualifizieren sei, gelingt es der Revision ebenfalls nicht, eine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen (zum Salzburger Grundverkehrsgesetz 2001 vgl. jüngst VwGH 25.2.2022, Ra 2020/11/0196, Rn 52; siehe weiters VfGH 25.2.1991, VfSlg. 12611; zum Oberösterreichischen Grundverkehrsgesetz 1994 vgl. VfGH 23.6.1999, VfSlg. 15538; zum Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 vgl. VfGH 14.6.2010, VfSlg. 19087).

19       Ob ein Gutachten in seiner konkreten Ausgestaltung vom Verwaltungsgericht zu Recht als schlüssig qualifiziert wurde, stellt keine grundsätzliche Rechtsfrage, sondern eine einzelfallbezogene Beurteilung dar, welche jedenfalls dann keine Zulässigkeit der Revision begründet, wenn sie zumindest vertretbar ist (vgl. VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0027). Auch die Frage, welchem von mehreren, einander widersprechenden Gutachten das Verwaltungsgericht folgt, hat es nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung danach zu prüfen, welchem Gutachten die höhere Glaubwürdigkeit beizumessen ist (siehe VwGH 11.4.2018, Ra 2017/12/0034, u.a.). Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der in einem Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung aber nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (siehe VwGH 25.10.2018, Ra 2018/09/0117, mwN).

20       Davon kann gegenständlich im Hinblick auf die detaillierte Befassung mit den von den revisionswerbenden Parteien gegen das Gutachten des Amtssachverständigen erhobenen Einwänden durch das Verwaltungsgericht sowie angesichts der ausführlichen verwaltungsgerichtlichen Überlegungen zu dem von den revisionswerbenden Parteien vorgelegten Gutachten jedoch nicht die Rede sein.

21       Hinsichtlich der in der Zulässigkeitsbegründung angeführten Investitionen wird nicht substantiiert aufgezeigt, aus welchen Gründen die vom Amtssachverständigen herangezogene Investitionspauschale die für die Liegenschaften aus diversen Sanierungsmaßnahmen resultierende Werterhöhung nicht zutreffend widerspiegle. Auch zur vom Amtssachverständigen angenommenen Restnutzwertdauer der Gebäude enthält die Zulässigkeitsbegründung kein substantiiertes Vorbringen. Wenn geltend gemacht wird, es sei im Gutachten des Amtssachverständigen ein Kellerraum nicht berücksichtigt worden, so wird mit dem Argument, der Wert dieses Raumes könne nicht mit Null veranschlagt werden, jedenfalls nicht dargelegt, inwiefern sich ein Kellerraum im Ausmaß von 40 m³ (in Relation zu der dem Gutachten des Amtssachverständigen zugrunde gelegten Gesamtkubatur der in Rede stehenden Gebäude im Ausmaß von mehr als 800 m³) in relevanter Höhe auf die Kalkulation des Gesamtwertes der Liegenschaften hätte auswirken müssen.

22       Daraus, dass der Amtssachverständige sein Gutachten mehrmals aufgrund ergänzend erstatteten Vorbringens, infolge ergänzend an ihn gerichteter Fragestellungen, wegen ergänzend übermittelter Unterlagen oder aufgrund korrigierter Rechenfehler ergänzte bzw. abänderte, folgt nicht die Unschlüssigkeit seines Gutachtens. Dass sich der Amtssachverständige bei der Ermittlung des Liegenschaftswertes grundsätzlich untauglicher Bewertungsmethoden bedient hätte oder insoweit, als eine Vergleichswertberechnung durchgeführt wurde, in unvertretbarer Weise eine nicht ausreichend repräsentative Auswahl an Vergleichsgrundstücken getroffen worden wäre, wird nicht aufgezeigt.

23       Zudem ist bereits aus dem in der Zulässigkeitsbegründung geschilderten Verfahrensgang nicht ersichtlich, dass trotz der mehrfach erfolgten Gutachtensergänzungen, zu denen sich die revisionswerbenden Parteien auch äußerten, bezüglich der Nichtberücksichtigung eines Kellerraumes - wie in der Revision behauptet - das Parteiengehör verletzt worden wäre. Die Frage der Berücksichtigung des in Rede stehenden Kellerraumes, den der Amtssachverständige als nicht nutzbaren Hohlraum bezeichnete, wurde im Übrigen in der Verhandlung am 29. September 2020 erörtert (Verhandlungsprotokoll S 8), und die revisionswerbenden Parteien nahmen dazu erneut mit Schreiben vom 2. November 2020 Stellung. Überdies wird - aus dem oben dargelegten Grund - die Relevanz des ins Treffen geführten Verfahrensmangels nicht nachvollziehbar aufgezeigt.

24       Auch die Frage, ob ein Sachverständiger in einem bestimmten Verfahren als befangen anzusehen ist, stellt keine grundsätzliche, sondern eine einzelfallbezogene Rechtsfrage dar, welche die Zulässigkeit einer Revision jedenfalls dann nicht zu begründen vermag, wenn das Verwaltungsgericht diese Frage vertretbar gelöst hat (vgl. VwGH 13.9.2021, Ra 2020/12/0051, mwN).

25       Das Verwaltungsgericht hat sich mit den von den revisionswerbenden Parteien bezüglich der behaupteten Befangenheit des Amtssachverständigen erhobenen Einwänden ausführlich auseinandergesetzt. Das Zulässigkeitsvorbringen lässt nicht erkennen, inwiefern das Verwaltungsgericht bei dieser Beurteilung unvertretbar vorgegangen wäre und die Befangenheit der Sachverständigen in unvertretbarer Weise verneint hätte.

26       Da somit von der Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgeworfen wird, war sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 15. März 2022

Schlagworte

Befangenheit von Sachverständigen Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel freie Beweiswürdigung Gutachten Beweiswürdigung der Behörde widersprechende Privatgutachten Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverständiger Bestellung Auswahl Enthebung (Befangenheit siehe AVG §7 bzw AVG §53)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021110060.L00

Im RIS seit

06.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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