TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/26 95/20/0236

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Veröffentlicht am 26.06.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde der F in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. November 1994, Zl. 4.344.515/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. November 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen des Iran, die am 12. Mai 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 16. Mai 1994 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. Mai 1994 abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin gab anläßlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 16. Mai 1994 an:

"Ich bin iranische Staatsangehörige, armen. Abstammung, gregorian. Glaubensbekenntnisses, ledig und habe keine Kinder.

...

Ich bin nicht vorbestraft und werde zur Zeit von den heimatl. Behörden nicht gesucht. Ich war nie Mitglied irgendeiner politischen Partei.

Ich fühle mich wegen meines Glaubens benachteiligt. Ich entschloß mich, das Land zu verlassen, weil wir dort nicht die Freiheit besitzen wie wir sie uns wünschen.

Ich bin seit 1989 Mitglied bei dem Verein der armen. Kirche. Als solches war ich damit betraut, in den armen. Schulen und Kindergärten religiöse Schriften und Bücher an die armen. Kinder zu verteilen.

Die Revolutionswächter sahen das nicht gern, weil sie meinen, daß der Islam zu kurz kommt.

Auf die Frage, woraus ich schließe, daß die Revolutionswächter es nicht gern sehen, wenn wir unsere Religionsschriften an armen. Kinder verteilen, gebe ich an:

Das hat ihnen sicher auch mein Bruder erzählt, daß im Jänner 1994 ein armen. Bischof ermordet wurde. Außerdem wurde sogar mein Bruder beim Verteilen von Flugzetteln festgenommen.

Ich vermutete daher, daß auch ich eines Tages wie mein Bruder festgenommen werde. Aus diesem Grund entschloß ich mich zur Flucht.

Auf Befragen nach einem konkreten Hinweis auf meine Vermutung gebe ich an: Die Armenier werden allgemein oft belästigt. Wir besitzen im Iran nicht die Freiheit, die wir uns wünschen.

Ich glaube, daß ich das Wesentlichste für mein Asylansuchen vorgebracht habe.

Frage durch Fr. Dr. H? (= anwesende Flüchtlingsberaterin) "Sie haben das Merkblatt gelesen. Haben sie begriffen, daß

es um konkrete Verfolgung geht?"

Antwort: "Ja. Wir können unserem Christentum nicht frei nachgehen. Die Armenier sind benachteiligt.

Aufgrund der allgemein bekannten Situation ist es doch sehr leicht möglich, daß ich im Iran einmal verhaftet werden hätte können.""

In ihrer aufgrund der abweisenden Entscheidung der ersten Instanz erhobenen Berufung gab die Beschwerdeführerin nur an, daß sie als Angehörige der armenischen Kirche, die sich aktiv für den christlichen Glauben eingesetzt habe, im Iran, einem fundamentalistischen islamischen Staat, Furcht vor Verfolgung von seiten der iranischen Behörden haben müsse, und wies auf die Verfolgung, die ihr Bruder erlitten habe, hin. Sie stellte in der Berufung Beweisanträge.

Die belangte Behörde erließ daraufhin den nunmehr angefochtenen Bescheid. Die belangte Behörde resümierte, daß die Beschwerdeführerin in ihrem gesamten Vorbringen keine Umstände glaubhaft gemacht habe, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlandes befinde und nicht gewillt sei, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Zentraler Aspekt des von § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht.

Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie aus dem erstinstanzlichen Vorbringen keine der Beschwerdeführerin individuell drohende Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit erkennt. Die Beschwerdeführerin hat keine einzige ihr selbst widerfahrene Benachteiligung vorgebracht, sie hat nicht einmal die allgemeinen Benachteiligungen ihrer Religionsgemeinschaft näher bezeichnet. Die belangte Behörde befindet sich auf dem Boden der Rechtslage und im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß die Hinweise auf die Ermordung des armenischen Bischofs und die dem Bruder der Beschwerdeführerin widerfahrene Festnahme im konkreten Fall nicht zur Asylgewährung führen können, da Schicksale anderer Personen im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung nur als Indiz für eine der Beschwerdeführerin selbst drohende asylrechtlich relevante Verfolgung zu berücksichtigen sind, nicht jedoch als ausschließlicher Grund für die Asylgewährung. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin enthält keine Umstände, aus welchen aus objektiver Sicht auf eine ihr unmittelbar drohende aktuelle Verfolgung geschlossen werden könne, sodaß die belangte Behörde die Schicksale anderer Personen im konkreten Fall zu Recht nicht zu berücksichtigen hatte.

Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin nicht die Glaubwürdigkeit abgesprochen, sodaß ihren Beweisanträgen schon aus diesem Grund nicht nachzukommen war.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200236.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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